Meinung VI: Warum digitale Kompetenzen in den Lehrplänen der Berufsschulen fehlen
Berufsschulen zählen zu den wichtigsten Orten, an denen Menschen digitale Kompetenzen einüben. Allerdings: Die Lehrkräfte dort wissen oft nicht so genau, was die Berufsverbände eigentlich erwarten. Was der Verband der berufsbildenden Schulen in Berlin für die Ausbildung der Zukunft braucht.
Von Ronald Rahmig, Vorsitzender des Berufliche Bildung Berlin (BBB) - Vereinigung der Leitungen berufsbildender Schulen in Berlin e. V.
Die fortschreitende Digitalisierung in der Arbeitswelt muss sich auch im schulischen Bereich der Beruflichen Bildung wiederfinden. Sie setzt den Erwerb der entsprechenden Kompetenzen in Aus- und Weiterbildung voraus. Allerdings sind die geforderten Kompetenzen in den Berufsfeldern unterschiedlich und müssen in vielen Fachverbänden erst noch identifiziert werden. Für den Berufsschulunterricht wäre es wichtig, dass sich diese Anforderungen bald in den Rahmenlehrplänen wiederfinden.
Grundsätzlich bietet die Digitalisierung auch in der Ausbildung die Chance, Lernprozesse zu individualisieren. Jedem Menschen steht zu jeder Zeit das World Wide Web mit allen Informationen, Analysen, Lernprogrammen etc. zur Verfügung. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen schon in der Sekundarstufe I grundlegend gelernt haben, damit umzugehen. Nur im Zusammenspiel vieler Fähigkeiten können digitale Kompetenzen ihre volle Wirkung entfalten.
Dazu gehört nicht nur die Fähigkeit, digitale Angebote zu rezipieren, sondern auch die Fähigkeit, selbst digitale Inhalte zu erstellen. Es bedarf eines Grundverständnisses im Programmieren und eines ebenso grundlegenden Verständnisses technischer Geräte und ihres Zusammenspiels. In einer digitalisierten Arbeitswelt ist Kreativität eine ebenso wichtige Grundkompetenz wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Fremdsprachen. Dabei darf die Fähigkeit nicht verkümmern, auch die Grenzen der Problemlösung durch Digitalisierung zu erkennen.
In der Aus- und Weiterbildung schließen wir daran mit den digitalen Inhalten an, die für die jeweilige Berufswelt von Bedeutung sind. Aus unserer Sicht kommt es hier vor allem auf die Art des Lernens an. Wir brauchen:
- die Ausdehnung des Lernens in Projekten, nicht im Stundentakt,
- die individuelle Organisation des Lernens nach Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler sowie der Auszubildenden,
- offene Schul-Raum-Konzepte,
- offene Räume für soziale Begegnungen,
- flexible Arbeitszeiten bzw. veränderte Arbeitszeitberechnung für Lehrkräfte,
- mehr digitale Unterrichtsplattformen wie etwa „Lernraum Berlin“,
- personelle Unterstützung beim Einrichten und Gestalten von schuleigenen Lernplattformen und dem Blended Learning,
- Kooperation mit Universitäten und Hochschulen,
- Lizenzen statt Lehrbücher
Unabdingbar dabei: die enge Kooperation mit allen (!) beteiligten Ausbildungsbetrieben!
Für diese Art des Lernens müssen die Schulen organisatorisch und sachlich mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet sein. Dazu zählen:
- ein Internetzugang mit ausreichender Kapazität für jede Schule und WLAN-Nutzung in jedem Schulraum,
- Rechner/Tablets, die es jedem Schüler, jeder Schülerin ermöglichen, am E-Learning teilzunehmen – schulspezifische Konzepte an Oberstufenzentren (OSZ) sollten dabei zugelassen sein,
- eine Kalkulation finanzieller Mittel für die Ersatzbeschaffung auf Basis steuerrechtlicher Nutzungszeiten,
- die Wartung der IT-Systeme durch eine Fachkraft an jeder Schule und an jedem OSZ,
- die Möglichkeit des rechtssicheren Betriebes,
- sowie Arbeitsplätze mit entsprechender Ausstattung für die Lehrkräfte an den Schulen.
Für ein Lernangebot in der skizzierten Weise brauchen unsere Lehrkräfte verstärkt Fortbildungen für den Umgang mit der Informationstechnologie, für die sie auch vom Unterricht freigestellt werden können. Auch Universitäten müssen sich bei der Lehrerausbildung den neuen Herausforderungen stellen: fachlich, methodisch und didaktisch.