Struktur des Gebietes
3.1 Merkmale und städtebauliches Leitbild
Das Gebiet Fennpfuhl besitzt eine klare städtebauliche Struktur mit folgenden Merkmalen:
- Vielgeschossige und schalenförmig angeordnete Wohnscheiben grenzen die Wohnbereiche nach außen ab und bilden damit innenliegende und geschützte Hofbereiche, die teils sehr groß dimensioniert sind.
- Je nach Gebäudeausrichtung (gekrümmt oder verschwenkt, wie z.B. im Bereich Landsberger Allee/Weißenseer Weg) entstehen dabei fließende Freiräume, in denen die räumliche Zuordnung zu den Wohngebäuden eher schwer fällt; auch bedingt durch die Gebäudestruktur (P2-Typenbau mit Anordnung der Eingänge ausschließlich von der Straßenseite, womit der Freiraum nicht immer unmittelbar zugänglich ist). Bei den rechteckig angelegten und ebenso sehr groß dimensionierten Wohnhöfen (nördlich Landsberger Allee, südlich Karl-Lade-Straße) ist dagegen eine Zuordnung besser möglich (auch wegen der direkten Zugangsmöglichkeit zum Freiraum bei den hier verwendeten WBS-70-Bauten).
- Kitas und Schulen sind in den Wohnhöfen angeordnet, so dass deren Zugänglichkeit größtenteils ohne Querung von überörtlich bedeutsamen Hauptverkehrsstraßen möglich ist (aufgrund des Fehlens einer Grundschule im Gebiet nördlich der Landsberger Alle ist dies zwischenzeitlich nicht mehr möglich).
- Das Prinzip der Erreichbarkeit von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur sowie von Zentren im Gebiet ohne Querung von Hauptverkehrsstraßen wird mit „Promenaden“ unterstützt; straßenunabhängig und -begleitend angeordnete Fuß- und Radwege, denen öffentliche Freiräume (u.a. Spielplätze) und die Wohngebietszentren angefügt sind. Diese Promenaden sind auch auf den Fennpfuhl-Park hin orientiert (wobei hier die Magistralen gequert werden müssen).
- Den Wohnbereichen sind Einzelhandels- und Dienstleistungsbereiche zugeordnet worden, die jedoch heute nur noch rudimentär vorhanden sind. Gekennzeichnet sind diese Zentren mit vielgeschossigen punktuell angeordneten Wohnhochhäusern.
- Aufgrund der in den Freiräumen der Wohnbereiche integrierten Infrastruktur-einrichtungen ist der optisch wahrgenommene Freiraum größer als der tatsächlich zur Verfügung stehende. Als Freiraum ausgleichend für die Wohnbereiche sind Fennpfuhl- und Rudolf-Seiffert-Park im Gebiet „eingebettet“. Um die Großzügigkeit insbesondere des Fennpfuhl-Parks zu betonen, sind die parkseitigen Bereiche der Landsberger Alle und des Weißenseer Wegs von Bebauung freigehalten. Damit ergeben sich Blickbeziehungen in den Park von den gegenüberliegenden Wohnscheiben der Bauten im Zuge der Landsberger Allee und des Weißenseer Wegs; gleichermaßen wirkt der Park für die Nutzer größer, da sich die Wohnscheiben in größerer Distanz befinden (dieses Prinzip ist mit dem Erweiterungsbau Landsberger Allee 180A-D einmalig bisher nicht eingehalten worden).
- Die von außen wahrnehmbare Weite der Hauptverkehrsstraßen wird unterstützt durch die vor den Wohnscheiben großräumig angelegten Kfz-Parkplätze (die Parkplätze an der Storkower Straße (inzwischen mit Vorhaben des ergänzenden Bauens bebaut) und Landsberger Allee (bebaut mit einem Lebensmittel-Discounter) stehen nicht mehr vollumfänglich zur Verfügung).
Insgesamt weist die Großsiedlung mit ihrer ursprünglichen Struktur eine klare Innenorientierung und Merkmale des Leitbildes der gegliederten und offenen Stadt auf.
Abb. 5: Bestand Gebäude und Freiflächen
3.2 Veränderungen im Gebiet im Kontext des Förderprogramms „Stadtumbau Ost“
Ziele des Stadtumbaus
Die im Fördergebiet Fennpfuhl im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost durchgeführten Maßnahmen erfolgten zwischen 2002 und 2015 mit dem Ziel der städtebaulich-gestalterischen und funktionalen Aufwertung des Gebietes. Zeitlich differenziert standen folgende Schwerpunkte im Mittelpunkt:
- Bis 2010 stand die Aufwertung des öffentlichen Raums im Fokus, wurde jedoch auch anschließend weitergeführt (1. Bauabschnitt Roederplatz ab 2013).
- Schwerpunkt ab 2011 waren Anpassungen im Bereich soziale Infrastruktur.
Allgemeine Ziele waren:
- Die Aufwertung der vorhandenen öffentlichen Parks und Promenaden mit den umliegenden öffentlichen Freiräumen in den Wohnhöfen,
- Die Umgestaltung und Stärkung des Zentrums Anton-Saefkow-Platz,
- Die Umnutzung und der Abriss von ungenutzten Kindertagesstätten und Schulen,
- Verbesserung von Querungsmöglichkeiten über die Hauptverkehrsstraßen Landsberger Allee, Weißenseer Weg/Möllendorffstraße,
- Abbau städtebaulicher Missstände im Gebiet (Umnutzung/Abriss von leerstehenden Gebäuden).
Mit der Umgestaltung des Roederplatzes (vorderer Bereich, angrenzend an Herzbergstraße/ Weißenseer Weg) wurden die ursprünglich festgelegten Planungen im Rahmen des Förderprogramms abgeschlossen und durch die Umsetzung aller Maßnahmen konnte in der Summe eine nachhaltige Stärkung des Gebietes Fennpfuhl erwirkt werden (Aufwertung des öffentlichen Raums). Insgesamt wurden innerhalb der Umsetzung des Förderprogramms Stadtumbau Ost seit der Gebietsfestlegung am 20.08.2002 Programmmittel in Höhe von 10,5 Mio. Euro (März 2016) eingesetzt (Stand Dezember 2017, vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen - Stadtumbau Ost).
Abgeschlossene Vorhaben
Folgende städtebauliche Vorhaben sind im Zuge des Förderprogramms Stadtumbau Ost im Gebiet Fennpfuhl umgesetzt worden.
- Aufwertung des Anton-Saefkow-Platzes (einschließlich der Zugänge/Promenaden)
- Sanierung der Treppenanlage und Bau einer Rampe für einen barrierefreien Zugang; Schaffung eines großzügigen Eingangsbereiches an der Landsberger Allee,
- Gestaltung eines attraktiven Auftaktes im Bereich zur Karl-Lade-Straße,
- Ersetzen des vorhandenen Monumentalbrunnens in der Platzmitte durch in den Boden eingelassene Wasserspiele,
- Umgestaltung des Platzbereiches durch Fällen von Bäumen und Neupflanzungen und Ersatz vorhandener Stadtmöbel durch neue Ausstattungselemente.
- Gestaltung des Fennpfuhl-Parks mit Abriss der Seeterrassen
- Rückbau der lange leerstehenden Seeterrassen im Jahr 2008 und Integration in den bestehenden Fennpfuhl-Park.
- Gestaltung des Übergangs vom Fennpfuhl-Park in den Rudolf-Seiffert-Park über die Paul-Junius-Straße und die Tram-Gleise.
- Schaffen eines barrierefreien asphaltierten Übergangs über die Tramgleise und Herstellen einer Verbindung zwischen den beiden Parks.
- Erweiterung und Aufwertung des Rudolf-Seiffert-Parks
- Integration von 2005 durch den Rückbau einer Schule entstandenen Freiflächen in den Rudolf-Seiffert-Park; Anpassung der Wegeführungen in den alten sowie neuen Parkflächen.
- Die Umgestaltung des Roederplatzes wurde 2015 bis 2016 realisiert.
- Neugestaltung des Platzbereiches zur Herzbergstraße/Weißenseer Weg (u.a. mit Schaffung barrierefreier Zugänge zur Kaufhalle und weiterführend zur Promenade, Verbesserung der Einsehbarkeit der Platzflächen durch Rückschnitte von Pflanzen und Entfernen von Betonpflanzenbehältern, Erneuerung des Bodenbelages durch sandfarbenes Betonpflaster, die Schaffung neuer Sitzmöglichkeiten[1]),
Folgende kleinteilige Sanierungsmaßnahmen (vorwiegend im Hochbau-Bereich) sind im Zuge des Förderprogramms Stadtumbau Ost umgesetzt worden.
- Umbau eines ehemaligen Schulgebäudes zur Kita (Kita „Paule am Park“)
- Die Dachsanierung der Volkshochschule inklusive Turm und Uhr (2009 bis 2010)
- Grundschule am Roederplatz - Neugestaltung von Pausenflächen und Sportanlagen
- Sanierung des Jugendclubs „Judith-Auer“ (Otto-Marquardt-Straße)
- Gebäudesanierung der Jugendfreizeiteinrichtungen Rudolf-Seiffert-Straße 50
- Aufwertung der Sportflächen des Johann-Gottfried-Herder-Gymnasiums 2011-2012
- Schließen des Fußgängertunnels am Kreuzungsbereich Roederplatz und Einbau des Jugendclubs „tube“ in den ehemaligen Tunnelbaukörper (Fertigstellung des Jugendclubs 2011).
Für weitere Informationen siehe: https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/stadtumbau
[3] Bisher wurde nur die Planung zum vorderen Bereich des Roederplatzes umgesetzt, während im rückwärtigen, nördlichen Bereich weiterhin Gestaltungsbedarf besteht.
3.3 Sonstige Veränderungen
Weitere Veränderungen im Gebiet Fennpfuhl sind u.a. folgende:
Wohnungsbau von Privaten
Nachdem mit dem Neubau der Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg in der Landsberger Allee 180A-D ein Vorhaben des ergänzenden Bauens umgesetzt wurde, folgten von anderen privaten Akteuren initiiert folgende Vorhaben der Wohnungsentwicklung (vgl. Abb. 6):
- Wohnhaus Storkower Straße/Rudolf-Seiffert-Straße (75 WE),
- Apartmentwohnhaus Storkower Straße 205 A (129 WE),
- Apartmentwohnhaus Alfred-Jung-Straße 14 (425 WE),
- zwei Mehrfamilienhäuser in der Ernst-Reinke-Straße 4 (29 WE).
Mit diesen Wohnungsbauvorhaben hat sich die bauliche Entwicklung des Gebietes fortgesetzt.
Veränderungen im Bereich soziale Infrastruktur
Ebenso fanden Umnutzungen von Gebäuden der sozialen Infrastruktur statt, die aufgrund Leerstand infolge z.B. vom Wandel der Altersstruktur betroffen waren:
- Der Kitastandort Rudolf-Seiffert-Straße 52/52a ist umgenutzt worden („Pädalogik, Fachschule für Sozialpädagogik“ sowie der andere Teil in eine Seniorenwohnanlage, bei der ein Anbau hinzugefügt wurde, Rudolf-Seiffert-Straße 52).
- Der Kitastandort Weißenseer Weg 15/16 ist abgerissen worden und das Grundstück an die WGLi übertragen, die hier ein Wohnungsbauvorhaben umsetzt.
Veränderungen im Freiraum
Das Freiraumsystem des Gebietes konnte in Bezug seine Flächenkulisse erhalten bleiben. Die von den privaten Einzeleigentümern vollzogene Einfriedung ihrer privaten Grundstücke hat jedoch dazu geführt, dass die Großzügigkeit der Freiräume, sowohl in der Gestaltung als auch der Nutzung nicht mehr umfänglich vorhanden ist. Durchwegungen sind nicht mehr uneingeschränkt möglich (z.B. Hof Rudolf-Seiffert-Straße 2-4, 54-80).
Veränderungen im Bereich der Nahversorgung und des Einzelhandels
Leerstehende Nahversorgungs-, Einzelhandels- und Gastronomiestandorte wurden abgerissen und mit neuen Gebäuden bebaut:
- Abriss der leerstehenden Gaststätte „Lichtenberger Krug“ (Bernhard-Bästlein-Straße 5) und Neubebauung mit einem Nahversorgungsmarkt,
- Abriss der Klubgaststätte „Solidarität“ sowie der leerstehenden Kaufhalle (Alfred-Jung-Straße 12, 14) und Neuerrichtung von Wohngebäuden (House of Nations, mit Einzelhandelsflächen).
Abb. 6: Räumliche Lage der umgesetzten Vorhaben im „Stadtumbau Ost“ sowie fertiggestellter Vorhaben im Wohnungsbau (Nummerierung siehe Text)
3.4 Zusammenfassung
Bei der Betrachtung und Bewertung der städtebaulichen Gestaltung und der funktionalen Entwicklung zeigt sich aus heutiger Sicht folgendes:
- Bereits ab Mitte der 90er Jahre wurde die Großsiedlung durch Vorhaben des ergänzenden Bauens weiter entwickelt (Castello, Landsberger Spitze, City-Point-Center, Storkower Bogen, Möllendorff-Passagen und andere). Diese Vorhaben boten einen Mix aus Flächen für den Einzelhandel, Dienstleistungen, Büros und Wohnen.
- Mit diesen Vorhaben hat sich u.a. das Flächenangebot für Einzelhandel vervielfacht, was zu einer Auflösung der vorhandenen Zentrenstruktur geführt und das Leitbild der Innenentwicklung konterkariert hat. In den Wohngebieten und für den Pkw schwer erreichbare Handels- und Dienstleistungseinrichtungen standen in der Folge leer, sind abgerissen und teils durch neue (jetzt mit großflächigen Pkw-Stellplätzen ausgestattete) ergänzt worden.
Der ab insbesondere ca. 2010 verstärkt zunehmende Wohnungsbau zeigt, dass ergänzendes Bauen im Gebiet kontinuierlich stattgefunden hat; bei noch überwiegendem Erhalt der städtebaulichen Gestalt und funktionaler Struktur.
Mit den umgesetzten Vorhaben im Förderprogramm Ost wurde parallel folgendes erreicht:
- Stärkung und Belebung des öffentlichen Raums (Anton-Saefkow-Platz, Roederplatz, Verbindung Fennpfuhl-Park und Rudolf-Seiffert-Park),
- Aufwertung des Gebietes durch Umbau und Abriss leerstehender Gebäude (Seeterrassen, Klubgaststätten, leerstehende Kitas und Schulen, Umbau des leerstehenden Warenhauses am Anton-Saefkow-Platz zu einem Wohnhaus).
Insgesamt wurde damit eine Aufwertung des Gebietes Fennpfuhl erreicht, besonders, was die Gestaltung des öffentlichen Raums betrifft; was umso wichtiger ist, da die Wohnungsunternehmen bereits seit ca. 2005 die Sanierung ihrer Wohnungsbestände nahezu abgeschlossen haben.
Kritisch wird an dieser Stelle angemerkt, ohne damit die Erfolge des Stadtumbaus in Frage zu stellen, dass es bei der Gestaltung des öffentlichen Raums zu folgenden Veränderungen von Gestaltqualität im öffentlichen Raum gekommen ist:
- Dem Anton-Saefkow-Platz fehlt mit dem Verlust der monumentalen Brunnenplastik die „Mitte“. Mit der Umgestaltung des Platzes und dem Entfernen von Ausstattungen fehlen dem Platz nunmehr kleinteilige und Räume schaffende Elemente; der Platz wirkt heute (zugespitzt formuliert) leer und weitläufig.
- Mit dem Verwenden von unterschiedlichen Materialien in den den ehemaligen Zentren zugeordneten öffentlichen Räumen wird der Zusammenhang öffentlicher Räume im Gebiet als Ganzes zugunsten einer gewissen Beliebigkeit aufgegeben (was jedoch auch als normaler Prozess betrachtet werden kann).
Rückblickend zeigt sich ebenso, dass die mit dem Stadtumbau Ost einhergehende Abgabe und der Verkauf von landeseigenen Flächen ehemals sozialer Infrastruktur an Dritte aus heutiger Sicht (geschuldet den Sparzwängen der Stadt im Zuge der Berliner Bankenkrise) nicht immer sinnvoll erfolgte. Wellen in der demografischen Entwicklung (aktuelle Zunahme der Zahl von Kindern im Kita- und Grundschulalter) und damit entstehende Bedarfe an Kapazitäten für Kita- und Grundschulplätze können heute nur mit großen Aufwendungen ausgeglichen werden.