Die Berliner Bibliotheken im Kennzahlenvergleich - Status quo und Entwicklungsbedarf
Dieses Kapitel stellt dar, auf welchem Niveau die Berliner Öffentlichen Bibliotheken im Kennzahlenvergleich mit Bibliothekssystemen in anderen deutschen Städten agieren und welcher Handlungsbedarf sich daraus für Berlin ergibt. Dazu werden sowohl nationale empirische Daten als Orientierungswerte für die Einschätzung des Berliner Systems, als auch normative Empfehlungen aus dem Beteiligungsprozess herangezogen.[48]
Der Kennzahlenvergleich weist in den in diesem Kapitel betrachteten Indikatoren gegenüber dem Durchschnitt der jeweils zehn besten Bibliotheken in deutschen Städten über 200.000 Einwohnenden einen erheblichen Nachholbedarf auf. Die so berechneten Zielwerte für Berlin sichern jedoch nur das Erreichen eines vergleichbaren Niveaus Berlins gegenüber anderen Städten, nicht jedoch einen Ausbau im Sinne einer Vorbildfunktion der Metropole Berlin für das Bundesgebiet. Die Empfehlungen aus dem Beteiligungsprozess gehen zum Teil über die ermittelten Durchschnittswerte hinaus – in der Absicht, die Berliner Öffentlichen Bibliotheken in die Lage zu versetzen, eigene Impulse in der nationalen Bibliothekslandschaft zu setzen.
Erkennbar sind in jedem Fall
a) ein insgesamt in Berlin bestehendes Versorgungsdefizit im Vergleich mit der deutschen Spitzengruppe,
b) die erheblichen Diskrepanzen zwischen den einzelnen Berliner Bezirken.
Maßnahmen für die Berliner Bibliotheksentwicklung müssen daher sowohl gesamtstädtische Wirkung entfalten, als auch die immensen Ausstattungs- und Leistungsunterschiede angleichen, um die Versorgungsgerechtigkeit für die Berliner Bevölkerung unabhängig vom jeweiligen Wohnort wieder – zumindest ansatzweise – herzustellen.
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[48] Quellen sind insbesondere die Deutsche Bibliotheksstatistik 2018, die Grund- und Leistungsdaten der Berliner Öffentlichen Bibliotheken 2018, die Empfehlungen der „AG 8 Standards“ aus dem Beteiligungsprozess sowie Ergebnisse der Ständigen Konferenz der Bibliotheksdirektorinnen und Bibliotheksdirektoren im VÖBB. Ergänzt werden diese an bestimmten Stellen durch internationale Daten aus entsprechenden Webrecherchen.
Das System der Berliner Öffentlichen Bibliotheken – grundlegende Strukturen
Üblicherweise besteht in deutschen Großstädten und in vielen europäischen Nachbarstaaten ein einheitliches, zentralisiertes großstädtisches Bibliothekssystem mit einer Zentralbibliothek als organisatorischem Zentrum und funktionaler Bibliothekszentrale. Demgegenüber ergibt sich aus der Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung mit Senats- und Bezirksverwaltungen auch ein zweistufiges Bibliothekssystem.
Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB)
Die ZLB hat die Rechtsform einer Stiftung und fungiert als öffentliche Zentralbibliothek und als Landes- und Universalbibliothek zugleich. Sie verfügt über zwei Publikumsstandorte, die Berliner Stadtbibliothek in der Breiten Straße im Bezirk Mitte und die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz in Kreuzberg. Eine notwendige Zusammenführung der Publikumsstandorte und Magazinstandorte der ZLB in einem Neubau wird bereits seit mehreren Jahren diskutiert. Mit Senatsbeschluss aus dem Jahr 2018[49] ist nunmehr festgelegt, dass der Neubau am Standort Blücherplatz entstehen soll. Nach Abschluss des städtebaulichen Dialogverfahrens zum Neubauvorhaben wird im Laufe des Jahres 2020 das Bedarfsprogramm erstellt und geprüft.
Die ZLB ist der Bewahrung des kulturellen Erbes und seiner Zugänglichkeit verpflichtet und leistet insbesondere die benutzerorientierte Literatur- und Informationsversorgung für den tertiären Bildungsbereich außerhalb der Berliner Hochschulen. Das Stiftungsgesetz[50] schreibt ihr neben der Erbringung zentraler Dienstleistungen für das Berliner Bibliothekswesen die Funktion als bezirksübergreifendes Medien- und bibliothekarisches Innovationszentrum zu.
Bezirkliche Stadtbibliotheken
Im Gefüge des Berliner Bibliothekssystems nehmen die 12 bezirklichen Stadtbibliotheken die Versorgung in ihren jeweiligen bezirklichen Einzugsgebieten wahr. Dem Prinzip der dezentralen Ressourcenbewirtschaftung folgend, verfügen die Stadtbibliotheken über eigene Haushalte. In ihrem internen Aufbau folgen die zwölf bezirklichen Stadtbibliotheken dem Großstadtbibliotheksmodell aus Zentralbibliothek und Stadtteilbibliotheken, wobei der Zentralisierungsgrad des sogenannten „bibliothekarischen Geschäftsgangs“ und anderer Geschäftsprozesse unterschiedlich ausgeprägt ist.
Das Zielpublikum der bezirklichen Stadtbibliotheken ist die breite Öffentlichkeit. Für einzelne Zielgruppen, z.B. Kinder, Jugendliche, Menschen mit Migrationshintergrund und Seniorinnen und Senioren, werden dabei auch besondere Angebote entwickelt. Zur Versorgung in der Fläche unterhalten die bezirklichen Stadtbibliotheken Zweigstellen bzw. Fahrbibliotheken und mobile Bildungsangebote. Das Netz der Bibliotheken besteht aus 11 Bezirkszentralbibliotheken, 57 Mittelpunkt- und Stadtteilbibliotheken sowie 11 Fahrbibliotheken. Aufgabenbeschreibungen und Zielstellungen obliegen den Bezirken und sind zum Teil in bezirklichen Bibliotheksentwicklungsplänen dargestellt. Das Bibliotheksmanagement ist in die jeweilige bezirkliche Ämterstruktur integriert.
Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB)
Zur gemeinsamen Erledigung der betrieblichen Gemeinschaftsaufgaben haben sich die für Kultur zuständige Senatsverwaltung, die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die zwölf Bezirke 2004 in einer Verwaltungsvereinbarung[51] auf die Errichtung des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins verständigt.
Zur Erledigung der vereinbarten, vor allem IT-bezogenen Aufgaben wurde das VSZ (Verbundservicezentrum) eingerichtet und an der ZLB angesiedelt. Das VSZ betreut auch das digitale Verbundsystem der Bibliotheken mit allen Modulen von der Erwerbung bis zum OPAC und Ausleihfunktionalität und fungiert zugleich als Bereitstellungs- und Betreuungsinstanz für die digitalen Content-Angebote.
Zugleich erbringt die ZLB für den VÖBB auch zentrale, nicht-IT-bezogene Dienstleistungen, z.B. das Angebot eines gemeinsamen Mahnwesens, konzeptionelle Entwicklungsplanungen sowie deren Koordination inkl. Umsetzungsmaßnahmen.
Obwohl Berlin als Großstadt über eine Vielzahl von Bibliotheken aller Sparten und ein gut ausgebautes Nahverkehrssystem verfügt, stellt das wohnortnahe Angebot von Bibliotheksleistungen eine noch nicht gemeisterte Herausforderung für die integrierte Stadtentwicklung dar.
Die im Folgenden dargestellten Durchschnitts- und Vergleichswerte zeigen einen Orientierungsrahmen für die Berliner Öffentlichen Bibliotheken auf. Sie können jedoch die örtliche Bibliothekspolitik der Bezirke, vor allem in Standortfragen, nicht ersetzen. Deshalb ist es von wesentlicher Bedeutung, die Bibliotheken als Einrichtungstypus, der nach vielen Seiten hin anschlussfähig ist, in die örtlichen und systematischen Prozesse der sozialintegrativen und lebensweltbezogenen Planungsprozesse einzubringen.
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[49] Mit Senatsbeschluss Nr. S-1319/2018 vom 19.06.2018 hat der Senat über den Standort für den Neubau der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) entschieden.
[50] Das Gesetz über die Errichtung der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin ist hier abrufbar: https://www.zlb.de/fileadmin/user_upload/die_zlb/pdf/zentralbibliotheksstiftungsgesetz.pdf, Zugriff am 24.05.2020.
[51] Verwaltungsvereinbarung zur Organisation und Finanzierung des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins vom 05.08.2004, Abgeordnetenhaus Berlin, Drs.15/3045.
Die Öffentlichen Bibliotheken Berlins im nationalen Vergleich
Um die Position der Berliner Öffentlichen Bibliotheken im nationalen Städtevergleich bestimmen zu können, wurde für folgende, in der jährlichen Deutschen Bibliotheksstatistik erfasste Indikatoren
- Besuche je Einwohner*in (Output)
- Entleihungen je Einwohner*in (Output)
- Jahresöffnungsstunden je 1.000 Einwohner*innen (Output)
- Standorte je 100.000 Einwohner*innen
- Fläche je 10.000 Einwohner*innen
- Personal (Input)
- Fortbildungsstunden (Input)
- Medienetat (Input)
- Laufende Gesamtausgaben (Input)
jeweils ein Vergleich vorgenommen mit insgesamt 39 Bibliothekssystemen deutscher Städte mit über 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die ihre Daten an die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS) gemeldet haben. Zurückgegriffen wurde auf die Daten des Jahres 2018. Diese stellen zum Zeitpunkt der Erarbeitung den letzten statistisch gesicherten Stand dar.[52]
Diese Vergleichsgruppe wurde je Indikator in ein Ranking gebracht und anschließend der Durchschnitt der 10 besten Werte (d.h. von rd. 25% der Vergleichsgruppe) gebildet (Top 10). Diesem Durchschnittswert wurde das Gesamtberliner IST aller zwölf bezirklichen Stadtbibliotheken und der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin gegenübergestellt.
Die Werte der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) wurden dabei zu 55% den im Verbund der Berliner Öffentlichen Bibliotheken (VÖBB) organisierten Bibliotheken zugrechnet. Dies entspricht der Zuordnung von Ressourcen innerhalb der ZLB (berechnet anhand der Verteilung von Personalkapazitäten) zu den Geschäftsbereichen, die sich ihrer gesetzlichen Aufgabe als Öffentliche Zentralbibliothek widmen. Die restlichen 45% entfallen auf die gesetzlichen Aufgaben als Landesbibliothek und damit zusammenhängende Funktionen wie z.B. Senatsbibliothek, Pflichtexemplare, Historische & Berlin Sammlungen, Magazinbetriebe etc. Das Personal der Stiftungsverwaltung wurde nach diesem prozentualen Schlüssel den beiden o.g. gesetzlichen Aufgabenbereichen zugeordnet.
Die einzelnen Auswertungen je Indikator finden sich in den als Anlage beigefügten Tabellen 1-9.
Im Ergebnis lassen sich Aussagen sowohl zum gesamtstädtischen Versorgungsniveau Berlins im Vergleich zu anderen deutschen Städten treffen, als auch Aussagen zum individuellen Versorgungsniveau in den einzelnen Berliner Bezirken.
Für eine Bibliotheksentwicklungsplanung ist neben der Verständigung über normative Zielwerte hinsichtlich des In- und Outputs bibliothekarischer Leistung auch das Wissen über die Tendenzen der künftigen Bevölkerungsentwicklung und dessen Einbeziehung in die Planung unerlässlich.
Mit der aktuellen Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2018 – 2030[53] liegen seit Anfang 2020 drei Prognosevarianten vor, die sich an möglichen Szenarien hinsichtlich der Rahmenbedingungen Berlins (z.B. Attraktivität der Metropole als Arbeits- und Lebensort, Wohnungsmarktentwicklung etc.) sowie der demographischen Entwicklungen orientieren. Der Bericht zur Bevölkerungsprognose bildet die aktuelle und erwartete Bevölkerungsentwicklung sowohl auf Ebene der Gesamtstadt Berlin als auch auf Ebene der einzelnen Bezirke hinsichtlich der quantitativen Veränderungen der Einwohnerschaft und den zu erwartenden Verschiebungen in der Altersstruktur im Prognosezeitraum ab.
Laut Aussage der Verantwortlichen der Bevölkerungsprognose bildet die mittlere Prognosevariante gemäß derzeitigem Erkenntnisstand den künftigen langfristigen Entwicklungsverlauf mit der höchsten Wahrscheinlichkeit ab. Für die Bibliotheksentwicklungsplanung wird daher auf diese Variante, die für das Jahr 2025 eine Einwohnerzahl von rund 3,888 Mio. Personen ausweist, Bezug genommen.[54]
Bei den im Folgenden aufgeführten Vergleichsindikatoren wird neben der Darstellung des Status quo immer auch der gesamtstädtische Entwicklungsbedarf – orientiert an der prognostizierten Einwohnerzahl Berlins für das Jahr 2025 – aufgeführt. Eine differenzierte Darstellung der Entwicklungsbedarfe der einzelnen Bezirke entsprechend den prognostizierten Entwicklungen auf Ebene der Bezirke und der 60 Prognoseräume als kleinräumigere Einheiten der lebensweltlich orientierten Räume (LOR)[55] erfolgt in diesem Rahmenkonzept nicht. Dies wird in den Bezirken selbst im Rahmen einzelbezirklicher Bibliotheksentwicklungsplanungen zu erarbeiten sein.
Darüber hinaus ist bei der Konkretisierung der Bibliotheksentwicklungsplanung in den Bezirken neben der aktuellen Bevölkerungsprognose auch das Monitoring Soziale Stadtentwicklung (MSS) Berlin 2019[56] zu berücksichtigen, welches seit Juni 2020 online vorliegt und die soziostrukturelle Entwicklung in Berlin sehr differenziert auf der kleinräumigen Ebene der Planungsräume darlegt.
Indikator „Besuche je Einwohner*in“ (Output)
Innerhalb der Vergleichsgruppe erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 2,87 Besuchen je Einwohner*in (EW). Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 2,13 Besuche je EW. Die Berliner Bezirksbibliotheken erreichen damit weniger als 75% an Besuchen je EW im Vergleich zum Durchschnitt des oberen Viertels der Vergleichsgruppe. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, liegt der Durchschnitt bei 2,35 Besuchen je EW (vgl. hierzu die folgende Abbildung).
Die Varianz zwischen den Bezirken ist dabei sehr hoch. Die einzigen Bezirke, die annähernd den Durchschnitt des oberen Viertels der Vergleichsgruppe erreichen, sind Steglitz-Zehlendorf (2,85), Spandau (2,79) und Mitte (2,71). Neukölln hingegen erreicht mit 1,54 Besuchen je EW gerade einmal rd. 54% des Durchschnitts des oberen Viertels der Vergleichsgruppe.
Um die Berliner Öffentlichen Bibliotheken auf das Durchschnittsniveau der Top 10 zu heben, müssten statt bisher 8.765.850 Besuche bei einer gleichbleibenden Einwohnerzahl künftig etwa 10,7 Mio. Besuche realisiert werden, also über 1,9 Mio. Besuche zusätzlich. Bei einer Orientierung an der für das Jahr 2025 prognostizierten Einwohnerzahl läge die zu erreichende Zielmarke darüber hinausgehend bei etwa 11,17 Mio. Besuchen.
Im Rahmen des Beteiligungsprozesses wurde ein normativer Zielwert von 3 Besuchen je EW formuliert. Dieser über den Durchschnitt der Top 10-Bibliotheken hinausgehende Wert folgt dem Trend des allgemein erkennbaren Bedeutungszuwachses der öffentlichen Bibliotheken als sog. „Dritter Ort“. Das heißt, die Nutzung der Räume zum Aufenthalt, zum Lernen, zum Ausprobieren und Entdecken und für partizipative Formate nimmt zu, mithin steigen auch die Besuchszahlen.
Der ambitionierte Zielwert, der bei einer erwarteten Einwohnerzahl von rund 3,888 Mio. Personen im Jahr 2025 sogar von etwa 11,66 Mio. zu realisierenden Besuchen der Öffentlichen Bibliotheken Berlins ausgeht, trägt dieser Entwicklung Rechnung und erfordert zugleich ein fortwährendes Engagement hinsichtlich des Ausbaus und der Qualifizierung der Bibliotheken zu „Dritten Orten“.
Indikator „Entleihungen je Einwohner*in“ (Output)
Innerhalb der Vergleichsgruppe zu diesem Indikator erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 7,84 Entleihungen je Einwohner*in (EW). Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 5,42 Entleihungen je EW. Verglichen mit den Bibliothekssystemen, die im oberen Viertel der Vergleichsgruppe positioniert sind, erzielen die Berliner Bezirksbibliotheken damit weniger als 70% des Outputs hinsichtlich der Entleihungen. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, liegt der Durchschnitt bei 5,93 Entleihungen je EW. Das entspricht etwa 75,6% der Leistungsfähigkeit des oberen Viertels der Vergleichsgruppe.
Auch hier ist die Spreizung zwischen den Bezirken sehr groß. Während die Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf mit 8,66 Entleihungen den Durchschnittswert der Vergleichsgruppe übertrifft und damit im Ranking der deutschen Städte auf Platz 3 hinter Dresden und Stuttgart liegt, erreicht Charlottenburg-Wilmersdorf mit 4,02 Entleihungen je EW gerade einmal 51,3% des Durchschnittswerts des oberen Viertels (vgl. hierzu die Abbildung).
Die besten Werte korrespondieren mit dem Indikator „Medienetat pro EW“. Es liegt nahe, dass die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer bezüglich des Medienangebots wesentlich von der Aktualität des Bestands geprägt ist. Der Output im Bereich Medienerwerb und -vermittlung ist also wesentlich von der Höhe des Medienetats abhängig.
Indikator „Jahresöffnungsstunden je 1.000 Einwohner*innen“ (Output)
Innerhalb der Vergleichsgruppe zu diesem Indikator erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 42,67 Jahresöffnungsstunden je 1.000 Einwohner*innen (EW). Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 32,36 Jahresöffnungsstunden je EW. Die Berliner Bezirksbibliotheken erreichen damit 75,84% der durchschnittlichen Leistung des oberen Viertels der Vergleichsgruppe. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, liegt der Durchschnitt bei 32,88 Jahresöffnungsstunden je EW.
Auch bei den Jahresöffnungsstunden zeigen sich große Diskrepanzen zwischen den einzelnen Bezirken. Während die Stadtbibliothek Mitte mit 42,57 Jahresöffnungsstunden pro 1.000 EW annähernd den Durchschnitt der zehn leistungsstärksten Bibliotheken erreicht und die Stadtbibliothek Spandau diesen unter Einbezug der Schulnebenstellen mit 44,15 Jahresöffnungsstunden pro 1.000 EW sogar übertrifft, bleibt der Bezirk Neukölln mit 19,09 Jahresöffnungsstunden pro 1.000 EW noch unter der Hälfte des Durchschnitts der Top 10 und damit im letzten Viertel aller deutschen Städte über 200.000 EW (vgl. hierzu die folgende Abbildung).
Für die Berliner Öffentlichen Bibliotheken wurde im Beteiligungsprozess ein normativer Richtwert von mindestens 50 Jahresöffnungsstunden je 1.000 EW formuliert. Orientiert an einer prognostizierten Einwohnerzahl von rund 3,888 Mio. müssten die Berliner Öffentlichen Bibliotheken im Jahr 2025 insgesamt 194.400 Öffnungsstunden realisieren. Zur Erreichung dieses Ziels wären etwa 72.000 Jahresöffnungsstunden zusätzlich nötig. Dies wäre bezugnehmend auf die Zahl der aktuell angebotenen Öffnungsstunden eine Steigerung um fast 60%.
Der formulierte Zielwert korrespondiert mit der wachsenden Bedeutung der Bibliotheken als „Dritte Orte“ und den damit verbundenen Aufgaben. Damit die Bibliotheken als Dritte Orte wirksam werden können und von den Berlinerinnen und Berlinern als Orte der Begegnung und des Austauschs genutzt werden (können), müssen sie zugänglich und sowohl hinsichtlich der räumlichen Gegebenheiten als auch hinsichtlich der Öffnungszeiten barrierearm sein.
Durch den Einsatz von Open-Library-Technologie, die bereits seit mehreren Jahren sowohl in Deutschland als auch insbesondere in den skandinavischen Ländern erfolgreich genutzt wird, um den Bürgerinnen und Bürgern die Nutzung von Bibliotheken auch in Zeiten zu ermöglichen, in denen eine personelle Betreuung nur in eingeschränktem Maße möglich ist, kann die zeitliche Zugänglichkeit der Bibliotheken deutlich verbessert werden. In Berlin gibt es Ansätze zur Implementierung, jedoch noch keine flächendeckende Einführung. Dies schlägt sich auch in den Jahresöffnungsstunden nieder.
Unter Orientierung an den frequenz- und damit nachfragestärksten Nutzungszeiten und -tagen der jeweiligen Standorte sollte auch die Öffnung an Sonntagen ermöglicht werden.
Zwischenfazit zu den Output-Indikatoren
In den Output-Indikatoren Besuche, Entleihungen und Öffnungsstunden zeigt sich einerseits die Leistungsfähigkeit einzelner Berliner Bezirksbibliotheken, andererseits jedoch insbesondere auch der hohe Nachholbedarf in anderen Bezirken. Die Spreizung der Werte zwischen den Bezirken reicht von 50-100% der Werte der Vergleichsgruppe. Hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Bibliotheksangeboten kann angesichts dieser Varianz von gleichen Lebensverhältnissen in den Bezirken nicht die Rede sein. Insgesamt erreichen die Öffentlichen Bibliotheken Berlins auch mit Einbezug der ÖB-Anteile der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin nicht den Durchschnitt des oberen Viertels der Vergleichsgruppe deutscher Stadtbibliothekssysteme.
In den folgenden Datenanalysen wird zu sehen sein, dass diese Defizite im Output mit Ausstattungsrückständen bei den Ressourcen einhergehen.
Indikator „Standorte je 100.000 Einwohner*innen“
Für das Jahr 2018 weist die Deutsche Bibliotheksstatistik für Berlin inklusive der ZLB 70 Bibliotheksstandorte aus, ergänzt durch elf Fahrbibliotheken. Setzt man die Zahl ortsgebundener Bibliotheken (also ohne Fahrbibliotheken) in Relation zur Einwohnerzahl, ergibt sich folgendes Bild:
In der Vergleichsgruppe der 39 Bibliotheken in Städten über 200.000 EW erreichen die Bibliotheken mit den 10 besten Werten einen Durchschnitt von 3,3 Standorten je 100.000 EW. Der Durchschnitt der Berliner Bezirke erreicht einen Wert von 1,8 Standorten je 100.000 EW. Mit Einbezug der ZLB-Standorte sind es für Berlin insgesamt 1,9 Standorte je 100.000 EW.
Um den Durchschnittswert des oberen Viertels der Vergleichsgruppe zu erreichen, müssten in Berlin weitere 54 Standorte errichtet werden, um die Zahl von 124 Standorten zu erreichen. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 gab es in Berlin noch 146 selbstständige Bibliotheken (ohne Fahrbibliotheken und Schulnebenstellen). Unter Berücksichtigung der Bevölkerungsprognose steigt der Bedarf an zusätzlichen Bibliotheksstandorten – orientiert am Vergleichswert der Top 10 – bis zum Jahr 2025 auf 59 zusätzlich benötigte Standorte (Gesamtzahl für Berlin: 129 Standorte).
Die Spreizung der Werte der bezirklichen Stadtbibliotheken ist enorm. So erreicht der Bezirk Spandau mit 2,5 Standorten je 100.000 EW rd. 76% des Durchschnitts der Spitzengruppe, der Bezirk Neukölln mit 1,2 Standorten je 100.000 EW jedoch gerade einmal 36% des Durchschnitts. Drei Bezirke haben weniger als die Hälfte der Standorte je 100.000 EW als der Durchschnitt des oberen Viertels der Vergleichsgruppe. Setzt man die Bezirke in ein gemeinsames Ranking mit allen 39 Bibliothekssystemen in deutschen Städten mit über 200.000 EW, so finden sich fünf Bezirke in der Gruppe der 10 am schlechtesten mit Standorten ausgestatteten Bibliothekssysteme (vgl. hierzu die folgende Abbildung).
Indikator „Fläche je 10.000 Einwohner*innen“
Im Vergleich der Bibliotheksflächen sieht es für Berlin nicht besser aus. Innerhalb der Vergleichsgruppe erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 293,4 qm Publikumsfläche je 10.000 EW. Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 155,1 qm und damit gerade einmal knapp 50% des Durchschnitts der Spitzengruppe. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, so liegt der Durchschnitt bei 221,3 qm Fläche pro 10.000 EW. Das sind 72% des Durchschnitts der Spitzengruppe.
Auch hier ist die Lage in den Bezirken äußerst unterschiedlich. Die Werte reichen von etwa 70,8% des Durchschnittwerts des oberen Viertels (Treptow-Köpenick mit 207,7 qm je 10.000 EW) bis zu 40,7% (Charlottenburg-Wilmersdorf mit 119,5 qm je 10.000 EW). Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf liegt damit im Ranking aller deutschen Bibliothekssysteme in Städten mit über 200.000 EW auf dem letzten Platz (nach Freiburg im Breisgau). Fünf Berliner Bezirke liegen mit ihren Flächenwerten unterhalb der Hälfte des Durchschnitts der Spitzengruppe und damit im Feld der zehn schlechtesten Werte der gesamten Vergleichsgruppe (vgl. hierzu die Abbildung).
Zwischenfazit zur Zahl der Standorte und zu den Flächen
Die bisher vorgenommenen Vergleiche verdeutlichen eindrücklich, dass Berlin im fachlichen Vergleich über zu wenige Bibliotheksstandorte verfügt.
Dabei hat Berlin nicht nur vergleichsweise wenige Bibliotheken – die Bibliotheken verfügen zudem auch über vergleichsweise kleine Publikumsflächen. Nicht nur die Bezirkszentralbibliotheken, sondern auch die Stadtteilbibliotheken sowie die Publikumsflächen der ZLB sind deutlich zu klein, um ein umfassendes, mehrdimensionales Medien- und vor allem Raumangebot bereitstellen zu können. Die Berliner Öffentlichen Bibliotheken sind zu gering dimensioniert, um den neuen Entwicklungen und Herausforderungen als Orte vielfältiger Nutzungen und sozialer Funktionen (vgl. hierzu die Leitideen 1-3) in vollem Umfang gerecht werden zu können.
Zur Behebung der erheblich unterdimensionierten öffentlichen Flächen der ZLB ist aktuell die Zusammenführung der Publikumsstandorte in einem Neubau neben der AGB in Planung. Zugleich sollen die Standorte „Berliner Stadtbibliothek“ und das Außenmagazin im Westhafen mit erheblichen Flächendimensionen aufgegeben werden. Einerseits wird die Realisierung dieser Planung die Hintergrundbereiche und -flächen der ZLB massiv effektivieren, so dass sich die öffentlichen Publikumsflächen der ZLB gegenüber der heutigen Situation verdreifachen werden. Andererseits wird die Realisierung den (insbesondere auch bezirklichen) Bedarf an Gesamtfläche der Öffentlichen Bibliotheken kaum mindern, da sich durch die genannte gleichzeitige Aufgabe von ZLB-Flächen der Indikator Fläche je EW in Summe kaum verändert.
Ausgehend von der Prämisse, dass alle Berlinerinnen und Berliner gleichermaßen einen wohnortnahen Zugang zu den vielfältigen Angeboten und Dienstleistungen der Öffentlichen Bibliotheken haben sollen, wird hinsichtlich der Anzahl benötigter Bibliotheksstandorte eine Orientierung an den für die soziale Stadtentwicklungsplanung definierten „Lebensweltlich orientierten Räumen“ (LOR) vorgeschlagen.[57]
Mit der Systematik der „Lebensweltlich orientierten Räume“ (LOR) gibt es in Berlin seit 2006 eine räumliche Planungsgrundlage für die soziale Stadtentwicklung. Die LOR bestehen aus drei Ebenen, den Prognoseräumen, die innerhalb der Bezirksgrenzen die größte räumliche Planungsebene darstellen, den Bezirksregionen sowie den Planungsräumen als kleinste sozialräumliche Planungseinheit.
Kriterien für die Abgrenzung der LOR sind u.a. einheitliche Baustrukturen bzw. Milieubildung, Verkehrsstraßen und natürliche Barrieren, aber auch die Begrenzung der Einwohnerzahl. Durch den bewussten Fokus auf die durch große Straßen und natürliche Gegebenheiten gesetzten Grenzen von unmittelbaren Lebensumfeldern bei der Erarbeitung der Räume wird mit dieser Systematik den Berliner Kiez- und Quartierstrukturen in besonderer Weise Rechnung getragen.
Ziel des Berliner Senats ist es, Berlin in allen Teilen der Stadt attraktiv, sozial ausgeglichen, kulturell vielfältig und weltoffen zu gestalten und somit gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Berlinerinnen und Berliner zu schaffen.
Bibliotheken als niedrigschwellige, für alle Bevölkerungsgruppen offene und Angebote bereithaltende Orte der Informationsversorgung und des Wissenserwerbs, der kulturellen und sozialen Teilhabe, der nachbarschaftlichen Begegnung und des diskursiven Austauschs sind in besonderer Weise geeignet, zur Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse beizutragen. Dafür müssen sie jedoch wohnortnah in den unmittelbaren Lebensräumen der Menschen verortet sein. Mit Blick auf die LOR-Systematik bieten sich als Einzugsbereiche für wohnortnahe und auch für mobilitätseingeschränkte Bürgerinnen und Bürger gut erreichbare Angebote der Öffentlichen Bibliotheken insbesondere die beiden Ebenen Prognoseraum und Bezirksregion an.
Die „Lebensweltlich orientierte Räume“ (LOR) bestehen aus 3 Ebenen (Stand ab 01.01.2019):
- 448 Planungsräume (PLR),
- 138 Bezirksregionen (BZR),
- 60 Prognoseräume (PRG).
Auf dieser Grundlage werden folgende Zielwerte definiert:
- 1 Bezirkszentralbibliothek je Bezirk (Richtwert: 6.000 qm Nutzfläche)
- 1 Mittelpunktbibliothek je Prognoseraum (Richtwert: 2.000 qm Nutzfläche)
- 1 Zweigbibliothek je Bezirksregion (Richtwert: 600 qm Nutzfläche)
SOLL: 138 Bibliotheksstandorte auf Basis der 138 Bezirksregionen aus dem LOR-Konzept Differenz zum IST: 68 Standorte
Zugleich wird, als eine der wesentlichen Forderungen der verschiedenen Beteiligungsformate, ein normativer Flächenstandard von 600 qm Nutzfläche je 10.000 Einwohner*innen als berlinweit geltender planungsleitender Versorgungsrichtwert für die integrierte räumliche Infrastrukturplanung definiert.[58]
Dieser Wert erscheint im Vergleich zum Durchschnitt des oberen Viertels der Vergleichsbibliotheken von 293,4 qm je 10.000 EW sehr hoch, basiert aber gegenüber den in den Grund- und Leistungsdaten der Berliner Öffentlichen Bibliotheken und auch gegenüber den in der Deutschen Bibliotheksstatistik ausgewiesenen Publikumsflächen vielmehr auf der real benötigten Netto-Nutzfläche (inklusive der nicht öffentlichen Arbeitsbereiche) und ist in dieser Form für die bezirkliche Flächenplanung und -sicherung geeigneter.
Zur Ermittlung der aktuell vorhandenen Nutzfläche wird ein Faktor von 1,4 auf die in den Grund- und Leistungsdaten der Bibliotheken ausgewiesene Gesamtpublikumsfläche der Bibliotheksstandorte aller Bezirke sowie der ZLB – in Summe 78.731 qm – gelegt. Damit hat Berlin hinsichtlich der Nutzfläche derzeit einen Flächenwert von 110.224 qm erreicht. Sich in Planung oder im Bau befindliche Gebäude sind in den IST-Stand nicht einbezogen.
Ausgehend vom normativen Flächenstandard von 600 qm je 10.000 EW ergibt sich aktuell ein SOLL-Wert von 223.585 qm Nutzfläche für Berlin insgesamt. Mit Blick auf die prognostizierte Bevölkerungszahl im Jahr 2025 liegt der SOLL-Wert bei 232.800 qm. Die Differenz zwischen dem gegenwärtigen IST-Wert der Nutzfläche und dem aus fachlicher Sicht als notwendig erachteten SOLL-Wert beträgt demnach derzeit rund 113.000 qm bzw. unter Einbeziehung der künftigen Bevölkerungsentwicklung rund 122.000 qm fehlende Bibliotheksfläche.
Wird mit einem Baukostenansatz von etwa 5.000 Euro je qm gerechnet, so sind für den Neu- und Ausbau von Bibliotheksfläche in einer Größenordnung von etwa 120.000 qm Investitionsmittel in Höhe von 600 Mio. Euro nötig. Angesichts dieser Größenordnung ist klar, dass es einer langfristigen Strategie bedarf, die eine Prioritätensetzung im Rahmen eines aufzulegenden Förderprogramms benötigt.
Die hier vorgestellten empirischen und normativen Vergleichswerte sowie die normativen Erwartungen aus dem Beteiligungsprozess beleuchten den fachlich begründeten Mehrbedarf an Bibliotheksflächen und an Standorten.
Für die Verwirklichung des Zuwachses bedarf es verfügbarer oder erschließbarer Grundflächen in kommunaler Verfügung und in ausreichendem Umfang. Ebenso bedarf es zwischen der Senats- und der Bezirksebene abgestimmter Verfahren, Mechanismen und Instrumente, um zu begründeten und bedarfsgerechten Standortentscheidungen zu kommen.
Der Senat von Berlin hat am 20. August 2019 die Erstellung einer „Strategie zur integrierten Infrastrukturplanung für Bildung, Jugend, Kultur, Grün, Gesundheit, Pflege und Sport – Leitlinien, raumbezogene Planungsgrundlagen und Planungsverfahren“ (SIIP) beschlossen.[59] Diese Strategie fußt auf den Sozialen Infrastrukturkonzepten der Bezirke. Die Öffentlichen Bibliotheken sind als bezirkliche kulturelle Infrastruktur Bestandteil der integrierten räumlichen Infrastrukturplanung. Mit Blick auf den Bedarf an zusätzlichen dezentralen Versorgungsangeboten wird empfohlen, Stadtteilbibliotheken im Rahmen der gesamtstädtischen sozialen Infrastrukturplanungen als sog. wohnungsnahen Wohnfolgebedarf auszuweisen.
Indikator Personal (Input)
Innerhalb der Vergleichsgruppe erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 0,83 Personalstellen je 3.000 EW. Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 0,56 Personalstellen je EW. Die Berliner Bezirksbibliotheken erreichen damit weniger als 68% des oberen Viertels der Vergleichsbibliotheken. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, liegt der Durchschnitt bei 0,69 Personalstellen je 3.000 EW. Das sind 83,4% verglichen mit dem oberen Viertel der Vergleichsgruppe.
Die Bandbreite der Werte der Bezirksbibliotheken reicht von 83,4% des Durchschnitts der Top 10 (Steglitz-Zehlendorf mit 0,69 Personalstellen je 3.000 EW) bis zu 75,8% (Tempelhof-Schöneberg mit 0,48 Personalstellen je 3.000 EW). Kein Bezirk erreicht den Durchschnittswert des oberen Viertels der Vergleichsgruppe (vgl. hierzu die folgende Abbildung)
Eine am Durchschnitt des oberen Viertels großstädtischer Bibliothekssysteme orientierte Personalausstattung würde für die Öffentlichen Bibliotheken Berlins Personalstellen im Umfang von insgesamt 1029,5 VZÄ notwendig machen. Bei einer aktuellen Ausstattung mit insgesamt 858,7 VZÄ fehlen demnach in Berlin derzeit etwa 170,8 Personalstellen.
Ausgehend von der für das Jahr 2025 prognostizierten Bevölkerungszahl und einer Orientierung am Durchschnitt der Top 10 (0,83 VZÄ je 3.000 EW) erhöht sich der Personalbedarf auf 1074 VZÄ. Im Jahr 2025 bestünde demnach ein zusätzlicher Bedarf an etwa 215 VZÄ für das Gesamtsystem der Öffentlichen Bibliotheken Berlins.
Bezugnehmend auf die Erkenntnisse des Beteiligungsprozesses wird als normativer Zielwert für Berlin eine Personalstelle pro 3.000 Einwohner*innen formuliert.[60]
Mit Erreichen dieses Wertes läge Berlin auf dem Niveau der Münchner Stadtbibliothek.
Die Anwendung der Formel 1 Vollzeitstelle (VZÄ) je 3.000 EW führt zu folgendem Finanzbedarf:
IST: 858,7 VZÄ (lt. Stellenplan inkl. 55% ZLB)
SOLL 2025: 1.296 VZÄ
Differenz: 437,3 VZÄ
Kostenkalkulation: 60.000 Euro je VZÄ (Durchschnittskostensatz)
Gesamtkosten: 26.238.000 Euro
Indikator Fortbildungsstunden (Input)
Innerhalb der Vergleichsgruppe erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 29,86 Fortbildungsstunden je Mitarbeiterin und Mitarbeiter. Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 14,65 Fortbildungsstunden. Die Berliner Bezirksbibliotheken erreichen damit gerade einmal 50% des Werts des oberen Viertels. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, liegt der Durchschnitt bei 15,08 Fortbildungsstunden je Mitarbeitendem.
Auch hier fällt die Diskrepanz zwischen den bezirklichen Werten ins Auge. Friedrichshain-Kreuzberg erreicht mit 6,42 Fortbildungsstunden je Mitarbeitendem nur 21,5% des Durchschnitts der Spitzengruppe. Der Bezirk liegt damit unter den letzten 10 der 39 Bibliothekssysteme in Städten über 200.000 EW. Den besten Berliner Wert weist die Stadtbibliothek Spandau mit 26,57 Fortbildungsstunden je Mitarbeitendem nach. Dies sind rd. 89% des Durchschnitts der Top 10. Mehr als die Hälfte der Berliner Bezirke erreichen hinsichtlich der Fortbildungsstunden weniger als 50% des Durchschnitts des oberen Viertels der Vergleichsgruppe (vgl. hierzu die Abbildung).
Angesichts der Bedeutung, die der Qualifikation und fortwährenden Qualifizierung der Mitarbeitenden in einem zukunftsorientiert aufgestellten Bibliothekssystem zukommt, ist das unterdurchschnittliche Abschneiden der bezirklichen Bibliothekssysteme bei diesem Indikator für einen erfolgreichen und kontinuierlichen Entwicklungsprozess eine besondere Herausforderung.
Da Fortbildung und Qualifizierung der Mitarbeitenden zu den entscheidendsten Faktoren für die Weiterentwicklung der Bibliotheken gehören, wird ein Zielwert von insgesamt 6 Fortbildungstagen je Mitarbeiterin und Mitarbeiter als notwendig angesehen, was rd. 48 Fortbildungsstunden pro Jahr pro Mitarbeitendem entspricht. Mit diesem Wert würde der Stand der Stadtbibliothek Bremen annähernd erreicht (49,15). Nötig wären dazu, ausgehend von den aktuellen Personalzahlen, zusätzlich 30.305 Fortbildungsstunden in allen Berliner Bibliotheken zusammen.
Im Kapitel 7 wird auf die besondere Bedeutung des Personals für die Weiterentwicklung der Berliner Öffentlichen Bibliotheken näher eingegangen.
Indikator Medienetat (Input)
Dem Medienetat kommt als Wertetreiber für die klassische Aufgabe der Bibliothek als Informationsvermittlerin und zur Gewährleistung der kulturellen Teilhabe besonderes Augenmerk zu. Tatsächlich haben einige Bezirke – auch mit Blick auf budgetrelevante Kennzahlen im Produkt 80007 „Medienbereitstellung und Entleihung“ – erhebliche Anstrengungen unternommen, um ihre Bibliotheken mit einem sachgerechten Medienetat auszustatten. Dabei stand bisher ein Zielwert von 1,50 Euro pro EW im Fokus. Dieser Wert bezog sich jedoch ausschließlich auf die dezentrale Basisversorgung in den Bezirken. Im folgenden Vergleich wird deutlich, dass bei gesamtstädtischer Betrachtung Berlin mit diesem vor 20 Jahren definiertem Zielwert unter Berücksichtigung der Preissteigerungen für Medien und dem sich wandelnden Medienmarkt mit anderen Städten nicht mehr Schritt halten kann.
Zum Vergleich: Innerhalb der Vergleichsgruppe erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 2,16 Euro Medienetat pro EW. Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 1,24 Euro, also ein Euro weniger. Die Berliner Bezirksbibliotheken erreichen damit rd. 57% des Durchschnittswerts des oberen Viertels der Vergleichsgruppe. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, liegt der Berliner Durchschnitt bei 1,70 Euro Medienetat pro EW.
Die Bandbreite in den Bezirken reicht von 44% des Durchschnittswerts des oberen Viertels der Vergleichsbibliotheken (Pankow, 0,95 Euro je EW) bis zu knapp 70% in Lichtenberg (1,51 Euro je EW). Kein Bezirk erreicht jedoch mehr als 75% des Durchschnittswerts des oberen Viertels der Vergleichsgruppe (vgl. hierzu die Abbildung).
Innerhalb der gesamten Vergleichsgruppe von 39 Bibliothekssystemen in Städten über 200.000 EW würden sieben Bezirke und damit mehr als die Hälfte aller Berliner Bezirke der Gruppe der Städte mit den 10 schlechtesten Werten zugeordnet sein.
Zur Erreichung des Durchschnitts des oberen Viertels der Vergleichsgruppe wären derzeit 1,721 Mio. Euro mehr für die Medienbeschaffung in den Berliner Öffentlichen Bibliotheken nötig. Für das Jahr 2025 läge der benötigte Mehraufwand für die Medienbeschaffung bei etwa 2,071 Mio. Euro.
Im Rahmen des Beteiligungsprozesses wurde ein normativer Zielwert von 2,00 Euro Medienetat je EW formuliert; dies jedoch ausschließlich mit Blick auf die physischen Bestände in den Bezirksbibliotheken. Diese Empfehlung schließt die zentral beschafften digitalen Online-Medien im Verbund der Berliner Öffentlichen Bibliotheken nicht mit ein. Dieser Mindeststandard zielt also nur auf einen Zielwert in den Einzelbezirken ab, nicht auf die Gesamtstadt inklusive der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB).
Indikator Laufende Gesamtausgaben (Input)
Innerhalb der Vergleichsgruppe erreichen die 10 Bibliotheken mit den besten Werten (Top 10) einen Durchschnitt von 24,36 Euro laufenden Ausgaben je EW. Im Durchschnitt der bezirklichen Stadtbibliotheken sind es 12,33 Euro laufende Ausgaben. Die Berliner Bezirksbibliotheken erreichen damit lediglich 50,6% des Durchschnittswerts des oberen Viertels der Vergleichsgruppe. Nimmt man den relativen ÖB-Anteil der ZLB hinzu, liegt der Berliner Durchschnitt bei 16,68 Euro je EW und damit bei 68,5% des Durchschnitts des oberen Viertels.
Die Bandbreite in den Bezirken reicht von 10,29 Euro je EW in Charlottenburg-Wilmersdorf bis zu 15,16 Euro in Lichtenberg. Nur drei Bezirke erreichen mehr als 60% des Durchschnittswerts des oberen Viertels der Vergleichsgruppe. Acht Bezirke liegen im Ranking aller betrachteten Bibliothekssysteme in Städten über 200.000 EW im Feld der Städte mit den 10 schlechtesten Werten (vgl. hierzu die Abbildung).
Zwischen dem Ausgabenniveau der Berliner Öffentlichen Bibliotheken und dem Niveau des Durchschnitts der Top-10 Deutschlands besteht demnach derzeit eine finanzielle Lücke in Höhe von rund 28,6 Mio. Euro. Bei einer Orientierung an der für das Jahr 2025 prognostizierten Einwohnerzahl in Höhe von 3,888 Mio. Personen, erhöht sich der zusätzliche Finanzmittelbedarf der Öffentlichen Bibliotheken Berlins, der für den Anschluss an das Niveau des oberen Viertels deutscher großstädtischer Bibliothekssysteme notwendig wäre, auf rund 32,565 Mio. Euro. Hierbei handelt es sich explizit nicht um investive Mittel, sondern um fortlaufende Betriebsausgaben für etwa Personal, Sachmittel und Programmarbeit und damit um dauerhaft notwendige Erhöhungen im Budget bzw. Haushalt der Öffentlichen Bibliotheken.
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[52] Zugriff auf die Deutsche Bibliotheksstatistik: https://www.hbz-nrw.de/produkte/bibliotheksstatistik, Zugriff am 24.05.2020.
[53] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in Zusammenarbeit mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg: Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2018 – 2030, 2019.
[54] Ebd., S. 7
[55] Lebensweltlich orientierte Räume in Berlin: https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/basisdaten_stadtentwicklung/lor, Zugriff am 24.05.2020.
[56] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/basisdaten_stadtentwicklung/monitoring/de/2019/index. shtml, Zugriff am 03.06.2020
[57] Vgl. Lebensweltlich orientierte Räume in Berlin: https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/basisdaten_stadtentwicklung/lor, Zugriff am 24.05.2020.
[58] Dieser Flächenstandard orientiert sich an den fachlichen Leitlinien des Dachverbandes der deutschen Bibliotheksverbände BID, welcher als Flächenangebot für den öffentlichen Raum Bibliothek mindestens 60 qm pro 1.000 Einwohner des Einzugsgebietes als notwendig beschreibt. (Bibliothek & Information Deutschland: 21 gute Gründe für Bibliotheken, Anlage: Grundlagen für gute Bibliotheken – Leitlinien für Entscheider, Berlin, 2009, http://media02.culturebase.org/data/docs-bideutschland/21%20gute%20Gruende_Anlagen.pdf, Zugriff am 2.6.2020).
[59] Vgl. Pressemitteilung der Senatskanzlei: https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.838936.php, Zugriff am 25.04.2020.
[60] Dieser Wert entspricht auch den fachlichen Leitlinien des Dachverbands der deutschen Bibliotheksverbände BID. (Bibliothek & Information Deutschland: 21 gute Gründe für Bibliotheken, Anlage: Grundlagen für gute Bibliotheken – Leitlinien für Entscheider, Berlin, 2009, http://media02.culturebase.org/data/docs-bideutschland/21%20gute%20Gruende_Anlagen.pdf, Zugriff am 2.6.2020.)