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Rahmenkonzept für die Bibliotheksentwicklungsplanung Berlin

Kommentierung und Diskussion

abgeschlossen
Kommentierphase
Kommentieren von Text und einzelnen Absätzen. Um eine breitere öffentliche Diskussion des Rahmenkonzepts zu ermöglichen, wird der Beteiligungszeitraum für die Kommentierung und Diskussion um zwei Wochen, bis einschließlich 11. Oktober 2020, verlängert.

Digitale Modernisierung in den Öffentlichen Bibliotheken Berlins

Seit 2015 betreibt der VÖBB das Innovationsprojekt „Digitale Welten“ und verfolgt damit im Bereich der Medienbereitstellung bereits eine intensive Digitalstrategie. So gab es im Jahr 2018 insgesamt über 4,4 Mio. Zugriffe auf die verschiedenen digitalen Ressourcen und Angebote wie z.B. E-Books, Film- und Musikstreamings, statistische Daten, Zeitungsartikel usw.[38] Die Bereitstellung der vielfältigen Ressourcen ist mittlerweile über eine zentrale Finanzierung im VÖBB verstetigt, wird weiter kontinuierlich ausgebaut und erfährt eine stetig steigende Nutzung.

In anderen Bereichen der informationstechnologischen Entwicklung gibt es für die Öffentlichen Bibliotheken Berlins jedoch noch dringenden Handlungsbedarf. Dieses Kapitel befasst sich auf Grundlage der Ergebnisse aus dem Beteiligungsprozess sowohl mit den dafür notwendigen Schritten als auch mit der zukünftigen Rolle der Öffentlichen Bibliotheken Berlins in der digitalen Gesellschaft.

Die in die Schlussphase der Erarbeitung dieses Rahmenkonzeptes fallenden, zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie notwendigen massiven Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens verdeutlichten die Notwendigkeit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur der Berliner Bibliotheken in besonderer Weise. Im Lichte der während der Pandemie gewonnenen Erfahrungen, der erwarteten mittel- und langfristigen Notwendigkeit für physische Distanzregeln und des damit steigenden Bedarfs an digitaler Infrastruktur und Kommunikation zur gesellschaftlichen Teilhabe und Daseinsvorsorge, erhalten die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen eine besondere Dringlichkeit. Dabei sind zunehmend Medien und Informationsangebote gefragt, die auch unter den Rahmenbedingungen physischer Distanzregeln nutzbar sind, wie z.B. online zugängliche Informationsmedien, Unterhaltungsangebote und Online-Kurse, aber auch das Verfügbarmachen von Tools wie z.B. Video-Conferencing oder Speicher- und Sharingplattformen, die den Nutzenden von Öffentlichen Bibliotheken den Austausch und digitales Arbeiten ermöglichen.

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[38] Im VÖBB-Jahresbericht 2018 werden folgende digitale Kennzahlen genannt:

  1. 2.300.747 Artikelabrufe (Genios, Munzinger, Duden, Brockhaus, Pressreader, Spiegel)
  2. 1.553.047 digitale Ausleihen (Onleihe, Overdrive, Tigerbooks)
  3. 643.545 Streams (Naxos, Filmfriend, Freegal, Medici TV)

Digitale Teilhabe als Kern-Anforderung an Öffentliche Bibliotheken in der Wissens- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts

Die Öffentlichen Bibliotheken haben in den letzten Jahren informations- und kommunikationstechnologische Entwicklungen adaptiert und für ihre Nutzerinnen und Nutzer ein Angebots-Mix aus physischen Medien und digitalen Ressourcen entwickelt. Sie gewährleisten den Zugang zu den von ihnen vermittelten Inhalten und ermöglichen vor Ort individuelles und gemeinschaftliches, digital gestütztes Lernen und Arbeiten. Öffentliche Bibliotheken engagieren sich in der Vermittlung digitaler Kompetenzen, beteiligen sich aktiv auf Social Media-Plattformen und erhöhen so ihre Reichweite. Dabei beleuchten sie auch kritisch alle Aspekte der Auswirkungen sozialer Medien auf Gesellschaft und Politik.

Für Öffentliche Bibliotheken stellen die Zugänglichkeit von Informationen und die Vermittlung von gesellschaftlichen Teilhabekompetenzen seit jeher den Kern ihrer Arbeit dar, sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung des Grundrechts „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten" (Grundgesetz Artikel 5, Absatz 1).

Diesen Anspruch, zur Verwirklichung der im Grundgesetz festgeschriebenen Informationsfreiheit beizutragen und allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Chance zur digitalen Teilhabe an der demokratischen Informations- und Wissensgesellschaft zu eröffnen, können die Öffentlichen Bibliotheken jedoch nur dann erfüllen, wenn sie dazu kontinuierlich inhaltlich, organisatorisch und technisch befähigt werden.

Dabei ist es wesentlich hervorzuheben, dass die Digitalisierung in den Öffentlichen Bibliotheken nicht als abgeschlossenes Maßnahmenpaket begrenzter Vorhaben, sondern vielmehr als ein Prozess der ständigen Aktualisierung zu verstehen ist. Stetige technologische Weiterentwicklungen erfordern auch eine stetige Anpassung und Weiterentwicklung von Organisationen, Strukturen und vor allem Kompetenzen.

Die Ständige Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Öffentlichen Bibliotheken Berlins im VÖBB (Stäko) hat 2018 unter Bezugnahme auf das Strategiepapier „Attraktive Bibliotheken für die Metropole Berlin“ vier zukünftige Handlungs- und Aktionsfelder für die Bibliotheken im VÖBB beschrieben[39]. Darin wird die „Digitale Teilhabe“ als ein großes Handlungsfeld definiert, dessen Unterpunkte neben anderen die Förderung von Digital Literacy und Medienkompetenz einschließen.

Nach in Fachkreisen übereinstimmender Expertise stellen diese Kompetenzvermittlungsaufgaben und -erwartungen ein wesentliches oder sogar das wesentlichste Aufgabenfeld der Öffentlichen Bibliotheken in der demokratischen digitalen Wissens- und Informationsgesellschaft dar. Ohne individuelle Teilhabe an Informationen, ohne Zugang zu moderner digitaler Technik und ohne grundlegende digitale Schlüsselkompetenzen werden Bürgerinnen und Bürger von wesentlichen Prozessen in Politik, Wirtschaft, Berufs- und Privatleben ausgeschlossen sein.[40] Bibliotheken sind damit ein Teilbereich digitaler Daseinsvorsorge.

 

Ist-Situation im Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins

Zur gemeinsamen Erledigung der betrieblichen Gemeinschaftsaufgaben haben sich die für Kultur zuständige Senatsverwaltung, die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die zwölf Bezirke 2004 in einer Verwaltungsvereinbarung[41] auf die Errichtung des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins verständigt.

Zur Erledigung der vereinbarten, vor allem IT-bezogenen Aufgaben, wurde das VSZ (Verbundservicezentrum) eingerichtet und an der ZLB angesiedelt. Das VSZ administriert das digitale Verbundsystem der Bibliotheken mit allen Modulen von der Erwerbung bis zum OPAC[42] und Mahnwesen und fungiert zugleich als Bereitstellungs- und Betreuungsinstanz für die digitalen Content-Angebote.

Das Verbundverfahren des VÖBB wird beim ITDZ, dem IT-Dienstleistungszentrum des Landes Berlin, gehostet. Die stadtweite Einbindung der bibliothekarischen Standorte und der eingesetzten Dienst- und Publikums- bzw. OPAC-Arbeitsplätze sowie der RFID-Peripherie in die Verbundstruktur wird über das Berliner Landesnetz (BeLa) hergestellt.

Im Rahmen zentral bereitgestellter Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) konnte zwischen 2009 und 2015 die einheitliche Ausstattung aller bezirklicher Bibliotheken und der ZLB mit RFID-gestützter Selbstbedienungstechnologie umgesetzt werden.[43] Ebenfalls mit Hilfe einer zentralen Finanzierung aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA) wurde in den Jahren 2015 - 2019 mit dem Projekt Digitale Welten die zentrale Bereitstellung bzw. Lizenzierung von E-Ressourcen für alle Bibliotheken des VÖBB ermöglicht. Eine Verstetigung des Projektes konnte erreicht werden. Ein verbundweites elektronisches Zahlverfahren ist durch die Integration des E-Payment-Verfahrens des Landes Berlin hergestellt.

Da die lokale Ausstattung der bezirklichen Stadtbibliotheken wie auch die lokale Administration und Herstellung der Betriebsfähigkeit der eingesetzten IT-Komponenten in der Verantwortung der jeweiligen bezirklichen Träger bzw. der bezirklichen IT-Stellen liegt, ist die in den bezirklichen Bibliotheken vorhandene IKT uneinheitlich hinsichtlich der Ausstattung der Publikums-Endgeräte, der Anbindung von Peripherie wie Scannern und Druckern und auch in der Einrichtung fortschrittlicher digitalaffiner Angebote wie z.B. Makerspaces. Die Erneuerung der Geräte erfolgt zumeist nicht kontinuierlich entsprechend der technologischen Entwicklungszyklen.

Auch sind das Zugriffsverfahren bzw. das Authentifizierungsverfahren an den PC-Arbeitsplätzen für Bibliotheksnutzende nicht vereinheitlicht. Hierzu existiert bereits ein von den Stadtbibliotheken der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg aufgelegtes Pilotprojekt zur bezirksübergreifenden Benutzerauthentifizierung per Bibliotheksausweis sowie zur prototypischen Konfiguration eines „Bibliotheks-PC“.

In nahezu allen bezirklichen Bibliotheken schränkt die mangelnde Netzanbindung mit einer zu geringen Bandbreite die Nutzbarkeit digitaler Angebote ein. Dies betrifft insbesondere die öffentlichen PC-Arbeitsplätze und WLAN-Anbindung für die mobilen Geräte der Nutzenden usw.

Die Vorgaben des E-Government-Gesetzes des Landes Berlin[44] (EGovG Bln) beinhalten eine einheitliche IKT-Landschaft für das Land Berlin einschließlich einer einheitlichen IKT-Steuerung, einer technologisch einheitlichen und abgestimmten IKT-Architektur und einheitlicher Sicherheits-richtlinien.

Die aus dem EGovG Bln abgeleiteten Regularien des ITDZ orientieren sich vorrangig an den Aspekten IT-Sicherheit und einheitliches Verwaltungshandeln. Einer zeitgemäßen Kundeninteraktion mit digitalen Medieninhalten – also für heutige und zukünftige Bibliotheksaufgaben – werden diese Prämissen nicht gerecht. Der Vergleichsmaßstab für Bibliotheksnutzende liegt hier in der Performance kommerzieller digitaler Medienanbieter; eine solche zeitgemäße Performance für den Bibliotheksservice wird durch die Regularien des EGovG Bln und ITDZ aber eher verhindert.

Für die Zukunft ist daher zu klären, inwieweit die IT-Struktur für die im Verbund eingesetzten Fachverfahren (Library Management System (LMS), Kommunikationsplattform für Mitarbeitende) und die digitalen Kundenangebote diesen Regularien unterliegen müssen, zumal der Betrieb dieser Anwendungen durch körperschaftsrechtlich eigenständige Institutionen wie z.B. die ZLB erfolgen kann, die selber nicht dem EGovG Bln und den Regularien des ITDZ unterliegen.

 

Anforderungen aus dem Beteiligungsprozess an die informationstechnologische und digitale Weiterentwicklung der Öffentlichen Bibliotheken Berlins

Die im Beteiligungsprozess vorrangig thematisierten Anforderungen beziehen sich auf die gesamte Breite der bibliothekarischen IKT und digitalen Angebote und decken sich zum Teil mit bereits projektierten und begutachteten Vorhaben im VÖBB.

Dabei geht es sowohl aus Sicht der Bibliotheksmitarbeitenden als auch aus Perspektive der unterschiedlichen Nutzendengruppen insbesondere um die beiden Aspekte:

  • Ausbau des Bibliotheksnetzes und der technologischen Ausstattung der Bibliotheken
  • Digital Empowerment: Digital Literacy und digitale Teilhabe

 

Ausbau des Bibliotheksnetzes und der technologischen Ausstattung der Bibliotheken

Die Bibliotheken des VÖBB halten für ihre Nutzerinnen und Nutzer freie Internetarbeitsplätze in lokalen öffentlichen Internetnetzen, RFID-Selbstverbuchungsgeräte und an das Katalogsystem OPAC angebundene Arbeitsplätze im Berliner Landesnetz bereit. Alle diese Arbeitsplätze sollen perspektivisch aus dem Landesnetz gelöst und in ein eigenes – vom Berliner Landesnetz (BeLa) unabhängiges Berliner Bibliotheksnetz für öffentliche Arbeitsplätze – eingebracht werden, das sich durch eine hohe Bandbreite (Gigabitanbindung für alle Bibliotheken) auszeichnet. Dies ist einerseits deshalb notwendig, weil die hohen und steigenden Sicherheitserfordernisse des Landesnetzes auf der einen Seite, die notwendige Offenheit von Arbeitsplätzen für Nutzende in den Bibliotheken auf der anderen Seite immer schwerer vereinbar sind. Zudem lassen sich nur auf diese Weise eine zentrale Administration und ein gleich hoher Standard für alle Standorte sicherstellen.

Die genannten Anforderungen passen zu diversen Projekten des VÖBB, die sich teilweise bereits in konkreter Planung befinden, z.B. die Glasfaseranbindung aller Bibliotheksstandorte im VÖBB als eine wesentliche technische Grundvoraussetzung.

Darüber hinaus gibt es folgende weitere Anforderungen aus dem partizipativen Prozess an die informationstechnologische Ausstattung:

Modernisierte Ausstattung der Personal-Arbeitsplätze und der Arbeitsplätze im Publikumsbereich der Bibliotheken

  • an aktuellen technischen Standards orientierte Ausstattung mit ortsgebundenen und mobilen Geräten, um die Administration im Netz zu erleichtern und einen besseren Publikumsservice in der Interaktion mit dem Publikum bieten zu können
  • einheitliches Anmeldeverfahren im W-LAN

Library Management System / Discovery-System / OPAC

  • Erneuerung des Library Management Systems (LMS) als zentralem Verwaltungsinstrument zur effektiven Steuerung aller bibliothekarischen Ressourcen (Daten aus dem Ausleihverfahren und der Medienverwaltung, Mediennachweis und Nacweis anderer Ressourcen, Verwaltung von E-Content und E-Publikationen, Leihgeräte, Raumressourcen etc.)
  • Weiterentwicklung bzw. Erneuerung des bestehenden Discovery Systems und Integration aller bereitgestellter Medienarten in einem Discovery-Index
  • Weiterentwicklung bzw. Erneuerung des OPAC und der Webseite (Schwerpunkte: mobile Geräte und die Integration weiterer Dienstleistungen der Bibliotheken z.B. eines Buchungssystems für Veranstaltungen und Arbeitsplätze)

Publikumsperspektive

  • verbesserte Zugangsbedingungen, z.B. durch die Nutzung der Open Library Technologie
  • umfassend ausgestattete und barrierefrei nutzbare digitale Arbeitsplätze und die Möglichkeit zur bequemen Buchung von Raum, Veranstaltungen und Ressourcen
  • umfassend ausgelegte App für mobile Geräte, die den Zugriff auf alle E-Medien des VÖBB zulässt und als digitales Leitsystem bis zum Regal fungiert

Digitalisierung und Bestandserhaltung

  • mittelfristige Schaffung eines gemeinsamen Kompetenzzentrums der wissenschaftlichen und der öffentlichen Bibliotheken für die Digitalisierung und Bestandserhaltung

 

Digital Empowerment: Digital Literacy und digitale Teilhabe

Der bibliothekarische Anspruch der Kompetenzvermittlung begreift Digital Literacy als die Befähigung zu einer umfassenden Medien- und Informationskompetenz, die die kritische Bewertung von Internetinhalten und den souveränen Umgang mit digitalen Medien einschließt[45]. Sie setzt die digitale Teilhabe im Sinne einer gleichberechtigten Teilnahme aller Bevölkerungsgruppen an der digitalen Gesellschaft voraus. Die Öffentlichen Bibliotheken Berlins verstehen sich als wichtige und zentrale Akteure in der Gesellschaft, um digitale Teilhabe für alle Berlinerinnen und Berliner zu ermöglichen.

Digitale Teilhabe und Digital Literacy lassen sich unter einer Aufgabenstellung subsumieren – unter der des Digital Empowerment. In diesem Zusammenhang müssen sich entsprechende Angebote der Bibliotheken sowohl auf die Bereitstellung digitaler Technologien (der Hardware, der Software, der Medieninhalte) als auch auf die Vermittlung der Fähigkeit, diese Technologien in all ihren Facetten zu nutzen, beziehen. Dabei geht es gerade für Bibliotheken auch um die Verbindung des digitalen und des physischen Raums.

Bibliotheken genießen ein besonderes Vertrauen in der Öffentlichkeit[46] und können als niedrig-schwellige, kommerzfreie Orte digitale Chancengleichheit fördern.

Grundlage einer aktiven, erweiterten Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeit an der digitalen Gesellschaft durch die Öffentlichen Bibliotheken ist die Sicherstellung nutzerfreundlicher, zeitgemäßer und regelmäßig erneuerter und weiter entwickelter digitaler Angebots- und Nutzungsumgebungen in den Bibliotheken.

Schwerpunkte aus dem Beteiligungsprozess hierzu sind:

  • Barrierefreiheit aller E-Angebote im Netz
  • multifunktionale und multimediale Ausstattung der Publikumsarbeitsplätze: Drucken im Netz, Scanner, Digitalkameras, Video-Conferencing u.ä.
  • weitere Ausstattungen wie 3D-Drucker, VR-Technologie, Drohnen und Roboter einschließlich der notwendigen Steuersoftware je nach örtlichem Konzept
  • Ergänzung des E-Medien-Angebots des VÖBB um weitere digitale Angebote für Nutzerinnen und Nutzer, wie z.B. eine VÖBB-Cloud zur sicheren und geschützten Datenablage
  • Vorhalten von Plattformen zum kollaborativen Arbeiten und Austauschen von Bildern, Kalendern und anderen Inhalten im geschützten Raum; digital unterstützte Arbeitsumgebungen für Citizen Science-Projekte
  • Aufbau einer gemeinsamen Plattform der wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken zu Digital Literacy und Citizen Science, um Synergien des Gesamtangebots in den Berliner Bibliotheken besser nutzen zu können. Sichtung der vielfältigen Programme und Angebote im Bereich der Digital Literacy, Identifizierung von Lücken und Verdichtung zu einem kooperativen Angebot der wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken

 

Fazit: Die Berliner Öffentlichen Bibliotheken benötigen eine Strategie für die digitale Modernisierung

Damit die Öffentlichen Bibliotheken Berlins als Begleiterinnen des medialen Wandels und als Orte der digitalen Teilhabe fungieren können, muss künftig an jedem Standort eine verlässliche technische Infrastruktur auf dem aktuellen Stand der Technik vorhanden sein.

Die im Beteiligungsprozess erarbeiteten zahlreichen wesentlichen Maßnahmen verdeutlichen den immensen Handlungsdruck bezüglich einer zügigen informationstechnischen Ertüchtigung und Modernisierung der Öffentlichen Bibliotheken Berlins. Der derzeit an verschiedenen Stellen erlebbare Modernisierungsstau ist möglichst parallel abzuarbeiten. Für ein abgestimmtes und planvolles Vorgehen bedarf es hierfür einer Digitalstrategie für die Öffentlichen Bibliotheken Berlins.

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[39] Ständige Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Öffentlichen Bibliotheken Berlins: Arbeitspapier zur Weiterentwicklung der strategischen Handlungsfelder des VÖBB, unveröffentlichtes Arbeitspapier, 2018. Als strategische Handlungsfelder werden darin beschrieben:

  • Moderne Informations- und Medienversorgung / Basiskompetenzen Lesen und Lernen
  • Digitale Teilhabe
  • Bürger*innenbeteiligung
  • Bibliotheken als Orte zum Wissen teilen.

[40] So hat auch die Europäische Kommission seit 2016 ihr Kompetenzkonzept unter dem Oberbegriff „Digcomp 2.0. The Digital Competence Framework for Citizens“ entwickelt und 21 Kompetenzen in fünf Bereichen beschrieben, die mit den Sektoren „Information and Data Literacy“ sowie „Communication and Collaboration“, also grundlegenden Kompetenzen der informationellen Nutzung und technischen Beherrschung, beginnen. (Vuorikari, Riina et al.: DigComp 2.0: The Digital Competence Framework for Citizens, Luxembourg Publication Office of the European Union, 2016.).

[41] Verwaltungsvereinbarung zur Organisation und Finanzierung des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins vom 05.08.2004, Abgeordnetenhaus von Berlin, Drs.15/3045.

[42] Ein Online Public Access Catalogue ist ein öffentlich zugänglicher Online-Bibliothekskatalog, der die Bestände der Bibliothek elektronisch nachweist und heute auch über das Internet zugänglich ist.

[43] Informationen zum EFRE-geförderten Projekt RFID für die Öffentlichen Bibliotheken Berlins (TENIVER) unter: https://bibliotheksportal.de/ressourcen/digitale-services/rfid-fuer-berlins-oeffentliche-bibliotheken/, Zugriff am 28.05.2020.

[44] Gesetz zur Förderung des E-Government (E-Government-Gesetz Berlin - EGovG Bln) vom 30. Mai 2016.

[45] Die britische Non-Profit-Organisation JISC (Joint Information Systems Committee), die digitale Dienstleistungen für Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen anbietet, hat 2014 sieben Elemente des Konzeptes der Digital Literacy vorgeschlagen. Hiervon wurden im Beteiligungsprozess sechs als relevant für die Rolle und Funktion der öffentlichen Bibliotheken eingeschätzt:

  1. Media Literacy – die Fähigkeit, Inhalte zu finden und zu nutzen
  2. Communication & Collaboration – Teilhabe durch Nutzung von Netzwerken
  3. Career & Identity Management – Weiterbildung, digitale Identität, Datenschutz
  4. I(nformation) C(ommunication) T(echnology) Literacy – technischer Umgang, Coding etc.
  5. Learning Skills – Lernumgebungen kennen, nutzen, weiterentwickeln
  6. Information Literacy – Informationskompetenz, d.h. die Fähigkeit, verlässliche Informationen finden und bewerten. (Killen, Claire: Enhancing the student digital experience: a strategic approach, 2015.)

[46] Nach einer repräsentativen Befragung der Berliner Bevölkerung im Jahr 2018 empfinden 90% der knapp tausend Befragten öffentliche Bibliotheken als einen vertrauenswürdigen Ort - unabhängig davon, ob sie Bibliotheken nutzen oder nicht (Pressemitteilung der ZLB: Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung in Berlin und Hamburg, 06.06.2019).

Digitalstrategie für die Öffentlichen Bibliotheken Berlins

Grundvoraussetzungen

Ein gemeinsames digitales Netz der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (unabhängig vom Berliner Landesnetz) stellt eine unverzichtbare Basisfunktion der Öffentlichen Bibliotheken dar und muss ungeachtet der jeweiligen inhaltlichen Profilierung einzelner Bibliotheken an allen Standorten mit gleich hoher und gleichbleibender Qualität für die öffentlichen Arbeitsplätze angeboten werden. Für die Weiterentwicklung digitaler Angebote ist es unverzichtbar.

Im Zusammenhang mit der Einrichtung des gemeinsamen Bibliotheksnetzes sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

Bandbreitenerhöhung

Die Anbindung aller bibliothekarischen Standorte per Glasfasernetz und damit eine Bandbreitenerhöhung für den Zugang zum Internet auf mindestens 1Gbit/s

Vereinheitlichung der technischen Ausstattung

Die Ausstattung der Standard-Publikumsarbeitsplätze („Bibliotheks-PC“) sowie ihrer Peripheriegeräte (Drucken, Scannen) sollte in allen Bibliotheken des VÖBB einem einheitlichen Standard folgen. Darüber hinaus ist die Einführung eines einheitlichen, niedrigschwelligen Authentifizierungsverfahrens vorzusehen.

Internetzugriff

An jedem Standort sind WLAN-Strukturen vorzusehen, die zum einen die Nutzung publikumseigener Geräte zulassen und zum anderen die Anbindung der bibliothekseigenen Publikumsarbeitsplätze per WLAN ermöglichen (sofern keine adäquate Festverkabelung verfügbar ist).

Netzverwaltung und zentrale Administration der Publikumsplätze

Eine zentrale Administration eines digitalen Berliner Bibliotheksnetzes und seiner Komponenten (Router, Server) sowie der dezentralen Geräte („Bibliotheks-PC“) ist geboten. Zudem sollte eine zentrale Softwareverteilung und Fernwartung angeschlossener Peripherie vorgesehen werden, um die bezirkliche und örtliche IT-Administration zu entlasten.

Die zentralen Funktionen zur Administration des Netzes und der dezentralen Geräte sollten aus Gründen der Kompetenzbündelung beim Verbundservicezentrum des VÖBB (VSZ) angesiedelt werden.

Regelmäßige Erneuerung von Hard- und Software

Auf fiskalischer Ebene sind wegen der ständigen technischen Fortentwicklung und wegen des zu erwartenden hohen Auslastungsgrades regelmäßige Erneuerungszyklen einzuplanen.

 

Bibliothekarische IKT und Angebote weiterentwickeln

Die oben genannten IKT-Grundvoraussetzungen stellen die oberste Priorität dar, um einen Qualitätsfortschritt an der Schnittstelle zum Publikum der Bibliotheken erzielen zu können. Darüber hinaus sind die nachfolgend aufgeführten publikumsrelevanten Themenkomplexe prioritär zu bearbeiten:

Erleichterung des Zugriffs

  • Erneuerung des Library Management Systems (LMS) als zentralem Verwaltungsinstrument zur effektiven Steuerung aller bibliothekarischen Ressourcen (Daten aus dem Ausleihverfahren und der Medienverwaltung, Mediennachweis und anderer Ressourcen, Verwaltung von E-Content und E-Publikationen, Leihgeräte, Raumressourcen etc.)
  • Weiterentwicklung bzw. Erneuerung des bestehenden Discovery Systems und Integration aller bereitgestellter Medienarten in einem Discovery-Index
  • Ggfs. Aufbau eines gemeinsamen Index wissenschaftlicher und öffentlicher Bibliotheken
  • Weiterentwicklung bzw. Erneuerung des OPAC und der Webseite (Schwerpunkt responsives Webdesign und die Integration weiterer Dienstleistungen der Bibliotheken z.B. eines Buchungssystems für Veranstaltungen und Arbeitsplätzen)
  • Multifunktionale Bibliotheks-App einschließlich Buchungstool (für z.B. Programme, Veranstaltungen, Ressourcen) und digitalem Leitsystem zur Hinführung zum faktischen Medienstandort

Verbesserung von Zugänglichkeit und Selbstbedienungsfunktionalitäten

  • Modernisierung der RFID-Infrastruktur
  • Einrichtung von Open Libraries

 Eröffnung kreativer Chancen

  • multifunktionale Arbeitsplätze für das Bibliothekspublikum (Makerspaces, audio-visuelle Arbeitsumgebungen, Lernumgebungen und -werkstätten)

Bereitstellung von geschützten digitalen Kommunikationsmöglichkeiten

  • Publikums-Cloud
  • kollaborative Tools
  • Plattformen für Citizen Science
  • Kommunikationsplattformen
  • Bürger*innenterminals

 

Digital Empowerment für Nutzende und für Bibliotheken

Das Thema Bibliotheken in der digitalen Stadt muss als strategisches Thema vom VÖBB weiterverfolgt und ausgebaut werden. Die Öffentlichen Bibliotheken Berlins sollten sich auch weiterhin aktiv dafür einsetzen, vor allem auch Menschen ohne oder nur mit geringen Vorkenntnissen und Zugangsmöglichkeiten eine digitale Teilhabe zu ermöglichen, denn die Unterstützung beim Erlernen neuer, digitaler Kulturtechniken ist für viele Menschen notwendig.

Mögliche Bausteine dafür sind:

  • Ein berlinweites Modell zur Vermittlung von Digital Literacy in der Kooperation mit Kindertagesstätten, Schulen und Einrichtungen/Anbietern aus der Erwachsenenbildung
  • Ein Modellset von Präsentations- und Veranstaltungsformaten im Bereich Informations- und Medienkompetenz im Digitalen Raum für die Arbeit mit Bürgerinnen und Bürgern – nicht zuletzt, um sie darin zu unterstützen, Fake News und Hassreden in den sozialen Medien zu erkennen. In diesem Kontext erscheinen auch regelmäßige Kooperationen mit anderen medien- und politikpädagogischen Einrichtungen auf Landes- und Bundesebene zielführend, wie z.B. mit Wikimedia, der Medienanstalt Berlin Brandenburg, Stiftungen zur Digitalen Bildung oder auch der Bundes- und Landeszentrale für Politische Bildung.
  • Die Einrichtung von „Bürger*innenterminals“: Städtische Versorgungsunternehmen, Banken, Versicherungen und Behörden verlangen zunehmend Online-Transaktionen zur Verwaltung alltäglicher Prozesse. Daher braucht es eine gute Infrastruktur, um allen Teilen der Bevölkerung unabhängig von Einkommen und Bildung die Durchführung von Online-Transaktionen zu ermöglichen. Unterschiedliche Studien und Untersuchungen zeigen, dass derzeit nach wie vor ca. 25 % der Bevölkerung aus verschiedenen Gründen nicht oder nur unzulänglich in der Lage sind, in der Online-Kommunikation zu agieren.[47] Daher bedarf es Konzepte für die Teilhabe jener Menschen, denen – aus welchen Gründen auch immer – kein souveräner Umgang mit digitaler Kommunikationstechnik möglich ist. An den sogenannten Bürger*innenterminals helfen Bibliotheksmitarbeitende diesen Menschen, sich auf den Online-Portalen zurechtzufinden und die dort angebotenen Dienstleistungen zu nutzen. Ein Pilotprojekt zur Erprobung dieses neuen Services wird bereits durch den Senat unterstützt und in Kooperation mit der Technologiestiftung Berlin umgesetzt.

Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung ist die Befähigung der Mitarbeitenden zur Vermittlung digitaler Kompetenzen sowie zur Durchführung geeigneter Programme und Angebote. Im VÖBB sollte ein Programm zur kontinuierlichen Weiterbildung auf dem Sektor der Medien- und Informationskompetenzvermittlung im Sinne einer umfassend verstandenen Digital Literacy konzipiert und dauerhaft implementiert werden. Partnerschaften zu gewinnen und dauerhafte Kooperationen mit sozialräumlich relevanten, digitalaffinen Akteuren einzugehen, wird hierfür als weiterführend angesehen.

 

„Digitale Welten“

Das verstetigte Projekt „Digitale Welten“, das schwerpunktmäßig die Verfügbarkeit von digitalen Publikationen (E-Books, E-Paper, E-Zines, Musik, Filme, Nachschlagewerke, Datenbanken, Sprachlernprogramme) für die Berliner Öffentlichen Bibliotheken und deren Publikum ermöglicht, markiert einen bedeutenden Schritt bei der Modernisierung des inhaltlichen Angebotes. Darüber hinaus muss der VÖBB die konsequente Weiterentwicklung seines Angebotes anstreben und, soweit urheberrechtlich zulässig, digitalen Content auch aus eigenen Sammlungen heraus generieren und zugänglich machen.

Zusätzlich zu den gemeinsamen und zentral gebündelten Angeboten der „Digitalen Welten“  sollten die einzelnen Mitgliedsbibliotheken des VÖBB auch erhöhte Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, um eigene, insbesondere bezirksbezogene oder kiezspezifische Angebote entwickeln zu können: z.B. digitale Bürgerarchive (in Kooperation mit den Bezirksarchiven) oder Sammlungen von Citizen Science Erkenntnissen mit lokal-historischem Bezug, literarischen, filmischen und musikalischen Werken von bezirklichen Künstlerinnen und Künstlern und jungen Talenten etc.

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[47] Vgl. hierzu z.B.  D 21 Digitalindex (Initiative D21: D21 Digitalindex 2018/2019, https://initiatived21.de/app/uploads/2019/01/d21_index2018_2019.pdf, Zugriff am 28.05.2020.) Eine repräsentative Umfrage von Bitkom anlässlich des Digitaltags 2020 geht davon aus, dass zwar 74 Prozent „technische Geräte wie Smartphone oder Computer bedienen und nutzen können, solange keine Fehler oder unerwartete Ereignisse auftreten – aber jeder Vierte (23 Prozent) beherrscht das nicht. Sechs von zehn Bundesbürgern (61 Prozent) finden online in der Regel die Informationen, die sie suchen. 37 Prozent gelingt das nicht. Wiederum 60 Prozent können Programme und Apps installieren, der übrige Teil (37 Prozent) scheitert daran.“ (bitkom: Jeder Dritte scheitert bei der Internetrecherche, Pressemitteilung, https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Jeder-Dritte-scheitert-bei-der-Internetrecherche, Zugriff am 28.5.20)

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