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Digitalstrategie für die Öffentlichen Bibliotheken Berlins

Grundvoraussetzungen

Ein gemeinsames digitales Netz der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (unabhängig vom Berliner Landesnetz) stellt eine unverzichtbare Basisfunktion der Öffentlichen Bibliotheken dar und muss ungeachtet der jeweiligen inhaltlichen Profilierung einzelner Bibliotheken an allen Standorten mit gleich hoher und gleichbleibender Qualität für die öffentlichen Arbeitsplätze angeboten werden. Für die Weiterentwicklung digitaler Angebote ist es unverzichtbar.

Im Zusammenhang mit der Einrichtung des gemeinsamen Bibliotheksnetzes sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

Bandbreitenerhöhung

Die Anbindung aller bibliothekarischen Standorte per Glasfasernetz und damit eine Bandbreitenerhöhung für den Zugang zum Internet auf mindestens 1Gbit/s

Vereinheitlichung der technischen Ausstattung

Die Ausstattung der Standard-Publikumsarbeitsplätze („Bibliotheks-PC“) sowie ihrer Peripheriegeräte (Drucken, Scannen) sollte in allen Bibliotheken des VÖBB einem einheitlichen Standard folgen. Darüber hinaus ist die Einführung eines einheitlichen, niedrigschwelligen Authentifizierungsverfahrens vorzusehen.

Internetzugriff

An jedem Standort sind WLAN-Strukturen vorzusehen, die zum einen die Nutzung publikumseigener Geräte zulassen und zum anderen die Anbindung der bibliothekseigenen Publikumsarbeitsplätze per WLAN ermöglichen (sofern keine adäquate Festverkabelung verfügbar ist).

Netzverwaltung und zentrale Administration der Publikumsplätze

Eine zentrale Administration eines digitalen Berliner Bibliotheksnetzes und seiner Komponenten (Router, Server) sowie der dezentralen Geräte („Bibliotheks-PC“) ist geboten. Zudem sollte eine zentrale Softwareverteilung und Fernwartung angeschlossener Peripherie vorgesehen werden, um die bezirkliche und örtliche IT-Administration zu entlasten.

Die zentralen Funktionen zur Administration des Netzes und der dezentralen Geräte sollten aus Gründen der Kompetenzbündelung beim Verbundservicezentrum des VÖBB (VSZ) angesiedelt werden.

Regelmäßige Erneuerung von Hard- und Software

Auf fiskalischer Ebene sind wegen der ständigen technischen Fortentwicklung und wegen des zu erwartenden hohen Auslastungsgrades regelmäßige Erneuerungszyklen einzuplanen.

 

Bibliothekarische IKT und Angebote weiterentwickeln

Die oben genannten IKT-Grundvoraussetzungen stellen die oberste Priorität dar, um einen Qualitätsfortschritt an der Schnittstelle zum Publikum der Bibliotheken erzielen zu können. Darüber hinaus sind die nachfolgend aufgeführten publikumsrelevanten Themenkomplexe prioritär zu bearbeiten:

Erleichterung des Zugriffs

  • Erneuerung des Library Management Systems (LMS) als zentralem Verwaltungsinstrument zur effektiven Steuerung aller bibliothekarischen Ressourcen (Daten aus dem Ausleihverfahren und der Medienverwaltung, Mediennachweis und anderer Ressourcen, Verwaltung von E-Content und E-Publikationen, Leihgeräte, Raumressourcen etc.)
  • Weiterentwicklung bzw. Erneuerung des bestehenden Discovery Systems und Integration aller bereitgestellter Medienarten in einem Discovery-Index
  • Ggfs. Aufbau eines gemeinsamen Index wissenschaftlicher und öffentlicher Bibliotheken
  • Weiterentwicklung bzw. Erneuerung des OPAC und der Webseite (Schwerpunkt responsives Webdesign und die Integration weiterer Dienstleistungen der Bibliotheken z.B. eines Buchungssystems für Veranstaltungen und Arbeitsplätzen)
  • Multifunktionale Bibliotheks-App einschließlich Buchungstool (für z.B. Programme, Veranstaltungen, Ressourcen) und digitalem Leitsystem zur Hinführung zum faktischen Medienstandort

Verbesserung von Zugänglichkeit und Selbstbedienungsfunktionalitäten

  • Modernisierung der RFID-Infrastruktur
  • Einrichtung von Open Libraries

 Eröffnung kreativer Chancen

  • multifunktionale Arbeitsplätze für das Bibliothekspublikum (Makerspaces, audio-visuelle Arbeitsumgebungen, Lernumgebungen und -werkstätten)

Bereitstellung von geschützten digitalen Kommunikationsmöglichkeiten

  • Publikums-Cloud
  • kollaborative Tools
  • Plattformen für Citizen Science
  • Kommunikationsplattformen
  • Bürger*innenterminals

 

Digital Empowerment für Nutzende und für Bibliotheken

Das Thema Bibliotheken in der digitalen Stadt muss als strategisches Thema vom VÖBB weiterverfolgt und ausgebaut werden. Die Öffentlichen Bibliotheken Berlins sollten sich auch weiterhin aktiv dafür einsetzen, vor allem auch Menschen ohne oder nur mit geringen Vorkenntnissen und Zugangsmöglichkeiten eine digitale Teilhabe zu ermöglichen, denn die Unterstützung beim Erlernen neuer, digitaler Kulturtechniken ist für viele Menschen notwendig.

Mögliche Bausteine dafür sind:

  • Ein berlinweites Modell zur Vermittlung von Digital Literacy in der Kooperation mit Kindertagesstätten, Schulen und Einrichtungen/Anbietern aus der Erwachsenenbildung
  • Ein Modellset von Präsentations- und Veranstaltungsformaten im Bereich Informations- und Medienkompetenz im Digitalen Raum für die Arbeit mit Bürgerinnen und Bürgern – nicht zuletzt, um sie darin zu unterstützen, Fake News und Hassreden in den sozialen Medien zu erkennen. In diesem Kontext erscheinen auch regelmäßige Kooperationen mit anderen medien- und politikpädagogischen Einrichtungen auf Landes- und Bundesebene zielführend, wie z.B. mit Wikimedia, der Medienanstalt Berlin Brandenburg, Stiftungen zur Digitalen Bildung oder auch der Bundes- und Landeszentrale für Politische Bildung.
  • Die Einrichtung von „Bürger*innenterminals“: Städtische Versorgungsunternehmen, Banken, Versicherungen und Behörden verlangen zunehmend Online-Transaktionen zur Verwaltung alltäglicher Prozesse. Daher braucht es eine gute Infrastruktur, um allen Teilen der Bevölkerung unabhängig von Einkommen und Bildung die Durchführung von Online-Transaktionen zu ermöglichen. Unterschiedliche Studien und Untersuchungen zeigen, dass derzeit nach wie vor ca. 25 % der Bevölkerung aus verschiedenen Gründen nicht oder nur unzulänglich in der Lage sind, in der Online-Kommunikation zu agieren.[47] Daher bedarf es Konzepte für die Teilhabe jener Menschen, denen – aus welchen Gründen auch immer – kein souveräner Umgang mit digitaler Kommunikationstechnik möglich ist. An den sogenannten Bürger*innenterminals helfen Bibliotheksmitarbeitende diesen Menschen, sich auf den Online-Portalen zurechtzufinden und die dort angebotenen Dienstleistungen zu nutzen. Ein Pilotprojekt zur Erprobung dieses neuen Services wird bereits durch den Senat unterstützt und in Kooperation mit der Technologiestiftung Berlin umgesetzt.

Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung ist die Befähigung der Mitarbeitenden zur Vermittlung digitaler Kompetenzen sowie zur Durchführung geeigneter Programme und Angebote. Im VÖBB sollte ein Programm zur kontinuierlichen Weiterbildung auf dem Sektor der Medien- und Informationskompetenzvermittlung im Sinne einer umfassend verstandenen Digital Literacy konzipiert und dauerhaft implementiert werden. Partnerschaften zu gewinnen und dauerhafte Kooperationen mit sozialräumlich relevanten, digitalaffinen Akteuren einzugehen, wird hierfür als weiterführend angesehen.

 

„Digitale Welten“

Das verstetigte Projekt „Digitale Welten“, das schwerpunktmäßig die Verfügbarkeit von digitalen Publikationen (E-Books, E-Paper, E-Zines, Musik, Filme, Nachschlagewerke, Datenbanken, Sprachlernprogramme) für die Berliner Öffentlichen Bibliotheken und deren Publikum ermöglicht, markiert einen bedeutenden Schritt bei der Modernisierung des inhaltlichen Angebotes. Darüber hinaus muss der VÖBB die konsequente Weiterentwicklung seines Angebotes anstreben und, soweit urheberrechtlich zulässig, digitalen Content auch aus eigenen Sammlungen heraus generieren und zugänglich machen.

Zusätzlich zu den gemeinsamen und zentral gebündelten Angeboten der „Digitalen Welten“  sollten die einzelnen Mitgliedsbibliotheken des VÖBB auch erhöhte Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, um eigene, insbesondere bezirksbezogene oder kiezspezifische Angebote entwickeln zu können: z.B. digitale Bürgerarchive (in Kooperation mit den Bezirksarchiven) oder Sammlungen von Citizen Science Erkenntnissen mit lokal-historischem Bezug, literarischen, filmischen und musikalischen Werken von bezirklichen Künstlerinnen und Künstlern und jungen Talenten etc.

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[47] Vgl. hierzu z.B.  D 21 Digitalindex (Initiative D21: D21 Digitalindex 2018/2019, https://initiatived21.de/app/uploads/2019/01/d21_index2018_2019.pdf, Zugriff am 28.05.2020.) Eine repräsentative Umfrage von Bitkom anlässlich des Digitaltags 2020 geht davon aus, dass zwar 74 Prozent „technische Geräte wie Smartphone oder Computer bedienen und nutzen können, solange keine Fehler oder unerwartete Ereignisse auftreten – aber jeder Vierte (23 Prozent) beherrscht das nicht. Sechs von zehn Bundesbürgern (61 Prozent) finden online in der Regel die Informationen, die sie suchen. 37 Prozent gelingt das nicht. Wiederum 60 Prozent können Programme und Apps installieren, der übrige Teil (37 Prozent) scheitert daran.“ (bitkom: Jeder Dritte scheitert bei der Internetrecherche, Pressemitteilung, https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Jeder-Dritte-scheitert-bei-der-Internetrecherche, Zugriff am 28.5.20)