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Rahmenkonzept für die Bibliotheksentwicklungsplanung Berlin

Kommentierung und Diskussion

abgeschlossen
Kommentierphase
Kommentieren von Text und einzelnen Absätzen. Um eine breitere öffentliche Diskussion des Rahmenkonzepts zu ermöglichen, wird der Beteiligungszeitraum für die Kommentierung und Diskussion um zwei Wochen, bis einschließlich 11. Oktober 2020, verlängert.

Gesellschaftliche Megatrends mit besonderer Bedeutung für Bibliotheken

Es gehört zum Wesen der bibliothekswissenschaftlichen und bibliothekspraktischen Fachcommunity darüber zu diskutieren, wie Öffentliche Bibliotheken auf die sich ändernden Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Bürgerinnen und Bürger eingehen können. Diese Diskussionen haben mit der Etablierung des Internets und der fortschreitenden Digitalisierung an Intensität zugenommen.[5] Offensichtlich ist, dass Öffentliche Bibliotheken Konzepte benötigen, die zu dem qualitativen und quantitativen Bedarf ihrer Nutzenden und ihres jeweiligen Bezugsraums passen und regelmäßig weiter zu entwickeln sind. Die Bedarfe verändern sich und werden nicht zuletzt von gesellschaftlichen Megatrends beeinflusst. Megatrends sind langfristige und tiefgreifende Veränderungen der Gesellschaft, die uns heute schon prägen und in Zukunft noch weiter prägen werden.

In diesem Kapitel werden fünf für Bibliotheken bedeutsame gesellschaftliche Megatrends vorgestellt und aus diesen abgeleitet, auf welche Bedarfe der Gesellschaft Bibliotheken eingehen müssen und was sie dafür benötigen. Der Medienwandel als weitere für Bibliotheken bedeutsame Entwicklung wird vorweg erläutert.

Die Bedeutung des Medienwandels für Bibliotheken

Bücher und andere physische Medien prägen die gewachsene gesellschaftliche Kultur und gehören in Öffentlichen Bibliotheken traditionell zu den wichtigsten Angeboten. Der durch die Digitalisierung vorangetriebene Medienwandel und die zunehmende Medienvielfalt wirken sich auch auf das Angebot von Bibliotheken aus. Das Informations- und Medienverhalten der Menschen ändert sich. Dementsprechend werden konventionelle Medien in einigen Segmenten weniger nachgefragt, digitale Angebote zunehmend bevorzugt.[6] Gleichzeitig hat der physische Ort Bibliothek zum Lernen und Treffen gegenüber der reinen Medienausleihe an Bedeutung gewonnen. Das gibt Öffentlichen Bibliotheken die Chance, eigene digitale Angebote zu entwickeln und diese mit traditionellen Angeboten kreativ zu verbinden.

Eine vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels veröffentliche Studie aus dem Jahr 2018 zeigt den Medienwandel auf: Während 2013 noch 38 Prozent der Befragten erklärten, täglich oder mehrmals wöchentlich ein Buch in die Hand zu nehmen, waren es 2017 nur noch 32 Prozent. Die Zahl der Buchkäuferinnen und -käufer ging in diesem Zeitraum in allen Altersgruppen zurück. Im selben Zeitraum nahm die Internetnutzung in allen Altersgruppen zu.[7] Gleichwohl gibt es unter den 12- bis 19-Jährigen einen seit rund 20 Jahren konstant bleibenden Anteil regelmäßig Lesender von rund 40%.[8]

Es lassen sich aktuell keine sicheren Prognosen zur künftigen Nachfrage nach Büchern und physischen Medien in öffentlichen Bibliotheken ableiten. Die Erhaltung wichtiger Buchbestände, die Beobachtung der Entwicklungen auf dem Medienmarkt und die Erarbeitung von Bestandsprofilen und Medienkonzepten, die die Rolle des Buches berücksichtigen, sind jedoch wichtige Aufgaben für eine zukünftige kontinuierliche Bibliotheksentwicklung. Konzeptionelle Ansätze könnten z.B. in spezifischen Schwerpunkten der Bibliotheken oder in Spezialprofilen im Sinne von „Literatheken“[9] für einzelne Standorte bestehen, die ein begleitendes Programm aus literarischen Veranstaltungen, Leseförderaktivitäten, Lesezirkeln und Schreibkursen (Creative Writing) bieten.

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[5] Zum Beispiel: f/21: Bibliothekswelten im Umbruch, Berlin, 2016; Institut für Demoskopie Allensbach: Die Zukunft der Bibliotheken in Deutschland, 2015; Lankes, David: Atlas of new librarianship, Cambridge, Massachusetts, MIT Press, 2016; für wissenschaftliche Bibliotheken siehe Knoche, Michael: Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft, Göttingen, Wallenstein, 2017.

[6]  Die Verschiebungen in der Nachfrage von konventionellen Medien und digitalen Angeboten fallen dabei in Abhängigkeit von den verschiedenen Mediensegmenten, aber auch zwischen den unterschiedlichen Bibliothekssparten und ganz wesentlich auch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen in durchaus unterschiedlichen Größenordnungen aus.

[7] Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Buchkäufer – quo vadis?, 2018.

[8] Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: JIM-Studie 2018: Jugend, Medien, Information – Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger.

[9] Thorhauge, Jens: Identitätsfindung zwischen Literathek, Aktivithek und Online-Bibliothek, in: Petra Hauke (Hrsg.): Öffentliche Bibliotheken 2030, Bad Honnef, 2019.

Megatrends für Bibliotheken

Unabhängig von raumbezogenen und zielgruppenbezogenen Fragen sind für jedes Bibliothekskonzept gesellschaftliche Megatrends[10] zu beachten, die die Bedürfnisse und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger wie auch der Bibliotheksnutzenden auf längere Sicht prägen werden.

Digitale Gesellschaft – Die Bibliothek bietet digitale Infrastrukturen für Medienversorgung und Vermittlung von Kompetenzen.

Angesichts der Digitalisierung (fast) aller Informationen und gesellschaftlichen Infrastrukturen muss sich jede Bibliothek darauf einstellen, dass das Vorhandensein von und der Umgang mit einer aktuellen digitalen Infrastruktur und digitalen Medien sowie die dafür erforderlichen, permanent weiter zu entwickelnden digitalen Kompetenzen des Bibliothekspersonals zwingende Voraussetzungen der Bibliotheksarbeit sind. Bücher und andere physische Medien sind bedarfsgerecht vorzuhalten. Es ist jedoch von einem weiteren Rückgang der Nachfrage auszugehen.

Diverse Gesellschaft – Die Bibliothek hat Strategien für den Umgang mit Diversität.

Angesichts der wachsenden Diversität der Gesellschaft und weiterhin zu erwartender schneller Veränderungsprozesse muss sich jede Bibliothek regelmäßig der Frage stellen, für welches Spektrum an Zielgruppen und Bedürfnissen sie ihr Angebotsprofil entwickelt. Sie muss zudem über Kompetenzen für den Umgang mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Verhaltensweisen ihres Publikums verfügen.

Wissensbasierte Gesellschaft – Die Bibliothek ist Partnerin für das lebenslange Lernen.

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Lese-, Medien- und Informationskompetenz sowie einer aktuellen Allgemeinbildung und laufender Fortbildung müssen Bibliotheken ihre niedrigschwellige und kostenfreie Arbeit in diesen Bereichen ausbauen. Sie sind die geeigneten öffentlichen Einrichtungen, um das lebenslange, selbstorganisierte Lernen durch geeignete Medien und Lernorte zu unterstützen und damit ebenso eine besonders geeignete Einrichtung, um die Bürgerinnen und Bürger auf ihrem Lebensweg in einer sich wandelnden Gesellschaft zu unterstützen.

Diskursive Gesellschaft – Die Bibliothek ist Plattform der informierten Demokratie.

Der fast jederzeitig mögliche Zugriff auf das Internet über mobile digitale Endgeräte wie Smartphones, Notebooks, Tablets etc. erleichtert es, sich politisch zu informieren. So informiert sich ein Drittel der Jugendlichen im Alter von 14 bis 24 Jahren täglich und fast drei Viertel mindestens einmal in der Woche auf Nachrichtenseiten bzw. über Nachrichten-Apps und diskutieren ihre Informationen im persönlichen Gespräch mit Freunden und Familie.[11]

Diese Kommunikationsmöglichkeiten der virtuellen Welt bringen neue gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Die öffentliche Meinungsbildung wird mittlerweile durch die Kommunikation innerhalb des Internets maßgeblich beeinflusst. Einerseits entstehen dort neue Zugänge zu Informationen und Wissen sowie die Möglichkeit zum herrschaftsfreien Diskurs. Andererseits bieten sie antidemokratischen sowie menschenverachtenden Ideen und Weltsichten eine Plattform und bringen latente Gruppen mit diesen Ansichten zusammen. Fake News und Hassrede in den sozialen Medien stellen eine reale Gefahr für die Demokratie dar, weil Menschen sich aus der öffentlichen Kommunikation zurückziehen und ihre Meinung nicht mehr frei äußern.

Bibliotheken sind mit ihren physischen Räumen und virtuellen Angeboten besonders geeignete öffentliche Einrichtungen, um gerade solchen Gefahren zu begegnen, indem sie die zwingend notwendige Öffentlichkeit bewahren und das Interesse der Menschen am demokratischen Diskurs unterstützen.[12]

Nachhaltigere Gesellschaft – Die Bibliothek unterstützt die Agenda 2030

Mit 17 Zielen zur Nachhaltigkeit verabschiedeten die Vereinten Nationen 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Zielsetzung dabei ist es, die globale Zukunftssicherung gleichermaßen sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten.[13] Öffentliche Bibliotheken können dabei ihre Stärken als traditionell nachhaltig arbeitende Einrichtungen – der Zugang zu und das Teilen von Information, Wissen und Infrastruktur – einsetzen. Gleichzeitig müssen sie ihre Qualitäten als attraktiver Ort für alle Bürgerinnen und Bürger weiter ausbauen und dabei gute Beispiele für einen nachhaltigeren Alltag setzen: z.B. durch gezielte Informations- und Medienangebote, durch Kooperation mit Nachhaltigkeitsakteuren sowie durch eine ökologische Beschaffungspraxis und ökologisches Bauen und Sanieren.[14]

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[10]  Einen Überblick über gesellschaftliche Megatrends bieten etwa das Zukunftsinstitut (https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends, Zugriff am 20.05.2020) oder der Bericht des VDI Technologiezentrums zu gesellschaftlichen Veränderungen 2030 (Zweck, Axel et al.: Gesellschaftliche Veränderungen 2030. VDI Technologiezentrum (Hrsg.), https://www.bmbf.de/files/VDI_Band_100_C1.pdf, Zugriff am 20.05.2020).

[11] Vodafone Stiftung Deutschland GmbH / Infratest Dimap: Alles auf dem Schirm? Wie sich junge Menschen in Deutschland zu politischen Themen informieren, 2019.

[12]   So können sich 69% der Berlinerinnen und Berliner und 65% der Hamburgerinnen und Hamburgern den Besuch von Veranstaltungen zur politischen Bildung in der Bibliothek vorstellen (Ramboll: Bevölkerungsbefragung zur Nutzung und den Einstellungen gegenüber öffentlichen Bibliotheken in Berlin und Hamburg, 2018, unveröffentlichte Präsentation).

[13] Die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen sind hier abrufbar: https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals, Zugriff am 20.05.2020.

[14] Deutscher Bibliotheksverband: Bibliotheken und Nachhaltigkeit. Praktische Beispiele zum Beitrag von Bibliotheken zu den Nachhaltigkeitszielen. (https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/publikationen/200429_dbv-Flyer_Web-Ansicht_150dpi.pdf, Zugriff am 22.05.2020).

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