Hosoya Schaefer Architects AG, Zürich und Agence Ter.de GmbH, Karlsruhe
Städtebauliches Konzept
Leitidee
Die Stadtlagune Westkreuz ist ein kontinuierlicher Freiraum, in den kompakte Stadtkörperinseln eingefügt sind. Der LandArtPark als vernetzende Mitte wird ein Attraktor für ganz Berlin.
Projektbeschreibung
Das Konzept: Stadtlagune Westkreuz
Kompakte, dichte Stadtkörper als inselartige Strukturen mit verschatteten Freiräumen und einer kleinteiligen Nutzungsmischung – wie die Stadt Venedig - stehen im Kontrast zu großen, grünen Freiräumen – in Venedig das Wasser. Dies erzeugt einen spannenden räumlichen Kontrast und bietet eine Stadtstruktur, die besonders gut auf den Klimawandel eingeht.
Der zusammenhängende Freiraum fungiert als Schwamm für die Quartiere und führt nicht nur bei Regen Wasser. Dieses wird im Sinne der Lagune auch erlebbar, genutzt und inszeniert.
Der zusammenhängende Freiraum ist ermöglicht eine optimale klimatische Durchlüftung und lässt die Kaltluftschneise frei.
In der Lagune gibt es eine eigene Art, sich fortzubewegen – wie in Venedig mit dem Boot, bewegt man sich in der Stadtlagune mit dem Fahrrad oder kleinen autonomen Sammeltaxis, die nicht auf dem Stadtstraßennetz fahren, sondern die Fahrradinfrastruktur mitnutzen (sog. „Lagunenmobilität“). Kommt man in den Quartieren an, muss man wie in Venedig auf die Lagunenmobilität umsteigen.
Vernetzungen und Brücken erhalten eine besondere Bedeutung – die Erschließung muss sehr gezielt die Inseln vernetzen. Die Wege werden zu einer stadträumlich und naturräumlich inszenierten Raumabfolge, Brücken werden zu Aufenthaltsorten, notwendige Böschungskörper zu Landschaftsdünen, Sonnenwiesen oder Spielparadiesen aufgewertet.
Das Thema Stadtlagune wird auch atmosphärisch genutzt – so gibt es in den Quartieren auch Stadtstrände, Stege und Terrassen, die sich zum Freiraum hin orientieren.
1. Klima und Umweltschutz
Unsere Konzeption der Stadtlagune zielt darauf ab, in allen Disziplinen wie Freiraum, Mobilität, Stadtstruktur und Gebäudeausstattung einen positiven Beitrag zu Klimaschutz zu leisten. Kompakte Baustrukturen parallel zu den wesentlichen Frischluftkorridoren oder punktuell gesetzte gut durchlüftete Hochpunkte bilden die Basis dafür. An Westkreuz und Messe schirmen Gebäude Hot Spots von Autobahn und anderen Verkehrsflächen von der rückwärtigen Bebauung ab. Der Erhalt von Bestandsbäumen (Reitschulareal) und die Neupflanzung großkroniger Baumgruppen (Güterbahnhof) führt zu Verschattung von Wegen sowie Aufenthaltsflächen. Zusammen mit Versickerungsflächen und Fassadenbegrünung schaffen wir hier Cool Spots zum Verweilen und Erholen für Mensch und Tier.
Anfallendes Regenwasser wird dezentral versickert. Multicodiert können diese Flächen auch gleichzeitig Spiel- und Pflanz- oder Gemeinschaftsflächen (essbare, spielbare und integrativ soziale Stadt) sein. Da die Wohnblöcke nicht unterbaut sind, bleibt ausreichend Raum für Versickerung und großkronige Bäume. Am stark versiegelten LogPoint wird das anfallende Regenwasser gesammelt und für die hauseigene Gewächshausproduktion auf dem Dach genutzt.
Flora, Fauna Habitate Der Idee der Stadtlagune sind kleine und größere Quartiersinseln, die von Parkanlagen, Grünflächen und Infrastrukturtrassen umflossen werden. Die Vielfalt an offenen und baumbestandenen Grünflächen innerhalb und außerhalb dieser Quartiersinseln bietet Räume für eine Vielfalt unterschiedlicher Pflanzen- und Tierarten. Die miteinander verbundenen, begrünten Freiflächen sind hochdurchlässig und bilden zusammen mit den weiten Unterführungen und den Gleistrassen ökologische Korridore. Diese Orte sind auch informell nutzbar, „wilde“ Flächen am Gleis (wie das Bestandswäldchen zwischen Westkreuz und Friedhof) bleiben erhalten und sind Teil der Quartiere.
2. Bebauung und Nutzungen in den Teilquartieren
Stadtinseln Westkreuz und Gartenquartier Witzleben Das Westkreuz ist Berlin: immer in Bewegung – mal auf dem Radschnellweg und mal in der Laube verweilend, global denkend aber im eigenen Kiez glücklich. Und so vielfältig wie der Berliner Alltag sind die lauten und leisen, schnellen und langsamen, grünen und urbanen Orte am Westkreuz. Direkt am Bahnhof steht das vertikale Quartier – eine innovative Mischung von Nutzungen und sozialen Schichten in Hochhäusern, wie man sie sonst nur in bestehenden urbanen Stadtquartieren findet. Dieses ist das Sprungbrett in die umliegenden Quartiere und in den erweiterten Westkreuzpark und stets belebt. Das Quartier Witzleben kann ergänzt werden und erhält gemeinsam nutzbare Freiräume, grüne Gemeinschaftshöfe mit Gewässer und Gärten. Hier wird gewohnt, entlang der Autobahn jedoch auch in neuen Bürotypologien gearbeitet, viele Kreative kommen aufgrund der Nähe zum ICC. Optional kann auf eine Bebauung entlang des Bestandes verzichtet werden und die bestehenden Gärten erhalten werden.
Der LandArtPark Die Inseln des Sports zwischen Lagunenquartier und Westkreuz sind bis spät in den Abend für alle Altersklassen attraktiv, das Fitness mit Späti hat sogar 24 Stunden auf. Ganzjährig und wetterunabhängig sind auch die Sport- und Freizeitflächen unter der Autobahn nutzbar, eine Laufstrecke führt Jogger durch das Areal. Von der Passerelle Westkreuz hat man einen guten Überblick über Straßen, Bahn und LandArtPark, der Flächen zur künstlerischen Aneignung, aber auch kulturellen Betätigung bietet. Touristen zieht es hierher, sie wollen das ICC-Kulturzentrum mit dem ungewöhnlichen Park unter der Autobahn entdecken – schon nach kurzer Zeit als avantgardistischer Stadtraum auf dem Cover des Lonely Planet zu finden. Messebesucher oder Reisegruppen kommen, die extra diesen sehr speziellen Ort erleben wollen und um den partizipativen Teil des Parks auszuprobieren. Hier ist Kunst nicht steril, sondern hands-on. Es ist erstaunlich, wie wenig man unten im Park und unter den Brücken aufgrund der Senklage noch vom Verkehr mitbekommt. Für Ruhesuchende ist der Ort eher nichts – außer man hat gerade seine Noise-Cancelling Headphones zur Hand, dann kann man an heißen Tagen auch mal im Schatten der Brücke chillen. Auch von den neuen Hotels am ICC kommen vor allem abends Gäste in den Park, der Sundowner im Wintergarten des Land Art Center ist nicht nur für den Ausklang von Ausstellungen und Messebesuch sehr beliebt. Im Artist Village können schon die Kleinsten sich selbst künstlerisch-handwerklich betätigen, und auch bekanntere Künstler schlagen hier ihre temporäre Werkstatt auf und lassen sich von diesem infrastrukturgeprägten, ungewöhnlichen Ausstellungsort inspirieren. Künstler, die sich mit Geräuschen beschäftigen, überlagern ihre Werke mit dem leichten Rauschen der Autobahn…
Messe Süd Der Rand zur Messe wird gefestigt mit Messe-affinen Nutzungen in grossen Baukörpern. Neben der Messe dienendem Gewerbe, Büros und Hotel können in den Bauten automatisierte, sichtbare Produktion und Logistik untergebracht werden. Der Raum vor der AVUS-Tribüne wird zu einer großen multifunktionalen Fläche, ihr Charakter als Asphaltfläche erhalten. Der Freibereich des LogPoint ist diejenige Fläche, die zuletzt – bei voller Auslastung – genutzt wird; andernfalls steht sie als Veranstaltungsort, z.B. für ein Oldtimer-Treffen, zur Verfügung.
Lagunenquartier Güterbahnhof Der große Grünzug Canal Verde des dichten Lagunenquartiers mit seiner kleinteiligen Bebauung – eine echte 5-Minuten-Stadt - lockt nicht nur ganztags alle Altersklassen vor die Häuser, sondern bringt auch bis in die Abendstunden viele aus den Nachbarkiezen durch das Grün in das neue Quartier zu Schule, Friseur, Arzt, Quartierszentrum oder dem Nahversorger. Kitas, Cafés und verschiedene lokale Initiativen finden sich hier auch. Die große Sonnenwiese im Osten lockt vor allem ab dem Nachmittag viele auch Arbeitende in den Park. Der große UCC-HUB im Süden ist im Alltag kaum als Störung wahrnehmbar, vor allem die dortigen Dachgärten und mit Promenade und Blick ins grüne Grunewald erfreuen sich großer Beliebtheit. Gärtnern mit Ausblick hat es nicht überall.
Waldquartier Güterbahnhof Das Waldquartier Reitschule mit viel Baumbestand in den waldartigen Höfen ist ein erstaunlich ruhiger Ort, in dem es sich in teils experimentellen Wohnformen gut leben lässt: Schnell mit Bahn, Rad oder zu Fuß zu Arbeit, Schule oder zum Einkaufen, nach am Grunewald und den Seen und Sportanlagen der Nachbarschaft. Viele nutzen die Spielangebote in direkter Nachbarschaft. Auto- und Bahnverkehr sind im Quartiersinneren kaum mehr hörbar, man wohnt individuell umgeben von schönen alten Bäumen. Verkehrte Welt: Unten wird - hinter der Lärmschutzwand – in großen Gartenhäusern oder Terrassenhäusern gewohnt, darüber wird in flexiblen (Heim-)Büros gearbeitet.
3. Mobilität und Infrastruktur
Zentrales Element der Vernetzung ist die neue Westkreuzpasserelle, die Fußgänger und Radfahrer vom Westkreuz aus entlang der S-Bahn-Gleise nach Südwesten bis zum Quartier Güterbahnhof führt und entlang dieser Achse in alle Richtungen weiterverteilt. Nach Nordwesten thront sie über dem LandArtPark mit Abgängen direkt in den Park.
Fahrradrouten Heute werden bereits übergeordnete Fahrradschnellrouten beidseits des Areals geplant – eine entlang des Eichkampquartiers, die andere führt durch Grunwald. Der Fokus für das Areal liegt daher in der Quervernetzung dieser Verbindungen sowie in der lokalen Erreichbarkeit und Vernetzung.
Lagunenmobilität Die Stadtlagune weist ein eigenständiges Netz für die „Lagunenmobilität“ auf. Zusätzlich zu Fußgängern und Rad verkehren hier zukünftig autonome Kleinfahrzeuge wie kleine Shuttlebusse, die aufgrund ihrer Größe (geringe Last, Breite und Durchfahrtshöhe) dieses separate Netz nutzen können und wesentlich direkter ihr Ziel erreichen können.
Die autonomen Fahrzeuge sollen besonders alten Menschen dienen, können jedoch auch von anderen Personen genutzt werden. Vorgeschlagen werden kleine „On-demand“-Haltestellen (ähnlich wie ein Liftsystem), bei besonderen Einschränkungen (z.B. mit Behindertenausweis) kann man auch an der Haustür abgeholt werden.
Die Reichweite der Fahrzeuge ist auf die Stadtlagune begrenzt – das System dient zur Bewegung im Quartier und zum Erreichen der S-Bahn-Haltestellen. Zusätzlich ist es denkbar, die angrenzenden Quartiere Grunwald und Eichkamp miteinzubeziehen.
Das Lagunenquartier kann mit seinen Versorgungseinrichtungen auch den unterversorgten Quartieren Eichkamp und Grunwald dienen. Umgekehrt gewinnen die Restaurants und Läden im Lagunenquartier zusätzliche Gäste. Je eine zusätzliche Verbindung wird vorgeschlagen. Nach Grunwald kann diese auch von der Lagunenmobilität genutzt werden.
Modell
Gesamtansicht
Blick Richtung Norden
Blick Richtung Süden