Erläuterungsbericht
- Ein Erklärvideo zum Planungsentwurf sowie die Präsentationspläne zum Download finden Sie auf der Projektwebsite zum städtebaulichen Werkstattverfahren HIER. (externer Link)
Grünes Herz für das alte Eisen
Wie viele europäische Städte bewegt sich auch Berlin an der Grenze zwischen „Stadt“ und „Infrastruktur“. Historisch gesehen ist die Berliner Eisenbahn ein zentraler Bestandteil der Entwicklung der gesamten Stadt. Die intensive Veränderung der Verkehrsflächen hat zu zahlreichen Flächen an der Schnittstelle zwischen Urbanität und Infrastruktur geführt. Diese Gebiete, die meist durch Rückseiten und schlechte Verbindungen gekennzeichnet sind, stellen heute einen großen Wert der Stadt dar. Im gegenwärtigen Kontext der wachsenden Stadt, bieten diese Flächen eine einzigartige Chance für die innerstädtische Verdichtung und sind die ideale Leinwand für ein Neudenken von Urbanität. Die Köpenicker Gleisharfe ist unser Vorschlag für ein neues Köpenick, das lebendig und vielfältig ist, seinem Kontext und seiner Geschichte treu bleibt, aber auch ehrgeizig, experimentell und nachhaltig auf dem Weg vom zu einem neuen grünen Herz ist.
ZEITLOSER URBANISMUS
Die Köpenicker Gleisharfe ist ein Quartier für die Zukunft, das auf soliden und zeitlosen städtebaulichen Prinzipien beruht. Gerade in der Robustheit des klassischen Stadtgefüges findet dieses neue Stück Berlin Raum für Innovationen.
Fußgängerzentriert: Wie viele erfolgreiche europäische Städte stellt die Köpenicker Gleisharfe die Fußgänger in den Mittelpunkt. Ihre Straßen und öffentlichen Räume sind in erster Linie für Menschen und nicht für Infrastruktur ausgelegt.
Grün: Die Köpenicker Gleisharfe ist ein Quartier, das auf reichhaltigen Grünstrukturen aufgebaut ist. Ihr Grundgerüst besteht darin, bestehende Grünstrukturen aufzuspüren und zu stärken. Ob großzügige Parkanlagen, üppige Boulevards, gemütliche Innenhöfe oder lebendige Dachbegrünungen - das Leben in der Gleisharfe dreht sich um Grün und Natur.
Block: Die Köpenicker Gleisharfe ist eine Hommage an den urbanen Block der europäischen Stadt. Seine klare städtebauliche Struktur und die starke Definition von öffentlichem und privatem Raum bilden ein stabiles Rückgrat für die zukünftige Entwicklung. Durch die Kombination mit zeitgenössischen Typologien und Architekturen entsteht eine spannende und widerstandsfähige Urbanität.
DIE KÖPENICKER GLEISHARFE BAUT AUF ÖFFENTLICHE RÄUME
Die Köpenicker Gleisharfe stellt die Fußgänger und den öffentlichen Raum in den Mittelpunkt. Hier bilden Landschaft und öffentliche Räume die organisierende Struktur des Konzepts. Die öffentlichen Räume des neuen Stadtteils gehen über die umgebenden Infrastrukturen und Barrieren hinaus und verbinden sich mit der Stadt.
DIE GRÜNEN WEICHEN
Inspiriert von der bestehenden Struktur verwandeln die grünen Keile die typische Linearität der Eisenbahn in ein System von linearen Parks. Jede Linie reagiert auf die spezifischen Standortbedingungen, um eine Vielzahl von linearen Parks mit unterschiedlichen Funktionen im Herzen des Plans zu schaffen.
DER DEICH-PARK
Der im Norden gelegene Deichpark ist die wichtigste Grünfläche und der zentrale öffentliche Raum. Er dient der Schallabschirmung von der Bahn, aktiviert gleichzeitig die Bahnkante und verbindet großräumige Landschaftselemente. Der Deichpark wird das urbane und aktive Pendant zur Mittelheide nördlich der Bahnlinie sein. Er erweitert das grüne Netz Berlins bis in den Bahnhof Köpenick und bietet einen einzigartigen aktiven Grünraum. An der Schnittstelle von Industriekultur, Ökologie und urbanem Leben entstanden, verbindet der Deichpark diese drei Komponenten zu einem kontextgerechten, aber auch zukunftsweisenden Grünraum. Es handelt sich nicht um einen klassischen "Green Commons"-Park, sondern um eine urbane Wildnislandschaft, ein ökologisches und erholsames Wahrzeichen in Berlin. Der Deichpark verbindet sich entlang der Bahnlinie und bietet optimale und ununterbrochene Bewegungsmöglichkeiten für Radfahrer und Fußgänger. Er nutzt die Topographie, um mit dem Stadtgefüge zu interagieren und einzigartige Bedingungen für Erholung, Bewegung und Spiel zu schaffen.
DIE KLIMASTRASSE
Die Klimastraße ist die niedrig gelegene zentrale Verkehrsader des Gebiets, die das Oberflächenwasser sammelt und puffert und gleichzeitig den umliegenden Blöcken eine üppige Wohnqualität bietet. Die Klimastraße ist an ihren Enden mit der Schule und dem städtischen Kai in der Werksiedlung verankert, wo sie lebendige öffentliche Räume für Spiel und Interaktion markiert. In der Mitte interagiert sie mit dem Sportcluster und bildet einen üppigen urbanen Schwamm.
DER BOULEVARD
Der Boulevard ist die Straße, die unter der Bahnlinie verläuft und die Seelenbinderstraße mit dem Stellingdamm verbindet. Der Boulevard fungiert in erster Linie als optimal gestaltete infrastrukturelle Verbindung zwischen Nord und Süd und bietet eine gut funktionierende Verbindung für den Autoverkehr durch das Gelände. Gleichzeitig wird durch eine sorgfältige Planung optimaler Raum für Grün- und Fahrradverbindungen geschaffen.
SPORT UND BEWEGUNG IM MITTELPUNKT
Das Herz des Parks vereint alle Aspekte von Bildung, Sport und sozialem Leben in der Stadt. Anstelle des klassischen städtischen Platzes, der stark von der kommerziellen Entwicklung abhängt und in gewisser Weise als Konkurrenz zu dem bereits bestehenden Zentrum in der Nähe des Bahnhofs Köpenick gesehen werden kann, schlägt die Gleisharfe ein komplementäres Zentrum vor. Ein Zentrum, das das städtische Leben nicht von einem Ort zum anderen verlagert und dabei die bestehende Urbanität schwächt, sondern sie stärkt. Einzigartige programmatische Synergien zwischen der Sporthalle, dem Park, dem Sozialtrakt, dem Mobilitätszentrum und dem Sportplatz bilden zusammen mit dem Clubhaus die Zutaten für ein urbanes Zentrum, in dem sich alles um aktive Bewegung und Sport dreht. Die Gestaltung des öffentlichen Raums stimuliert und stärkt dies, indem sie Räume für Tribünen, kleine Versammlungen, informellen Sport und Spiel bietet, während sich die Gebäude großzügig öffnen, um das Innenprogramm in den öffentlichen Raum zu erweitern und ihn zu beleben.
DER BAHNHOF IST DER PARK UND DER PARK IST DER BAHNHOF
Die Köpenicker Gleisharfe nutzt das neue Programm und seine öffentlichen Räume, um den Bahnhof völlig neu zu definieren. Indem wir den Deichpark für die Bahn öffnen, schaffen wir zusammen mit den neuen Funktionen eine andere Art von Bahnhof. Von einem statischen Gebäude zu einem lebendigen Bahnhofspark!
Im Mittelpunkt unseres Vorschlags steht die Geste, die beiden Seiten des Bahnhofs Köpenick durch ein Netz öffentlicher Räume nahtlos zu verbinden. Der Deichpark südlich der Bahnlinie lenkt die Fußgänger- und Fahrradströme zu den beiden Zugängen und integriert Bahnhofseinrichtungen wie Fahrradabstellplätze, Kiss-and-Ride-Anlagen in die Parkstruktur. Der Zugang zum Bahnhof wird so zu einem Spaziergang im Park.
KONTEXTUELLE URBANITÄT / WACHSENDE STADT
Damit Berlin die Entwicklung seiner Gebiete erfolgreich umsetzen kann, braucht es ein zusammenhängendes und kontextbezogenes Stadtgefüge. Die Gleisharfe verwandelt eine ansonsten isolierte grüne Insel in eine hochgradig kontextuelle Urbanität. Jedes Viertel in Gleisharfe ist von seiner Umgebung inspiriert und bietet eine zeitgenössische Interpretation, die sich in die neue Entwicklung hinein erstreckt. Die neuen Stadtteile werden nicht auf das Gelände projiziert, sondern entstehen aus dem Kontext heraus.
NEUE MOBILITÄT
Die Gleisharfe ist ein Maßstab für ein zukünftiges und fußgängerfreundliches Quartier in Berlin. Mobilität ist hier mehr als Infrastruktur. Es ist ein Ökosystem, das sein eigenes Mobilitätskonzept mit flexibler Infrastruktur und fahrrad- und fußgängerfreundlicher Infrastruktur kombiniert. Die Grünkeile bieten sichere und aufregende Fahrrad- und Fußgängerrouten, die mit allen wichtigen sozialen Infrastrukturen verbunden sind. Eine zentrale Mobilitätsdrehscheibe in Kombination mit dezentralen Fahrradabstellplätzen bildet das Rückgrat des Mobilitätskonzepts.
NACHHALTIGKEITSKONZEPT
Das Projekt schafft ein Arbeitsumfeld und Lebensraum, der den wandelnden und flexiblen Bedürfnissen der Nutzer*innen gerecht wird. Zugleich soll ein ressourcenschonender Lebensraum entstehen, der sich vor dem Hintergrund des Klimawandels positiv auf die Umwelt auswirkt. Ermöglicht wird dieses Zusammenspiel durch den integrativen architektonischen Ansatz der Varianz an gebautem Raum im Verbund mit der Vernetzung und Einbindung der Umgebung in das Gesamtkonzept. Nutzerinnen und Nutzer werden durch vielfältige Angebote im gebauten Raum zusammengebracht. Es gilt eine hohe Lebensqualität mit einer positiven Auswirkung auf die natürliche Umwelt zu verknüpfen. Biodiversität, Kreislaufwirtschaft, CO2 Neutralität sind hier die Stichworte. Neben den klassischen Themen wie Energieversorgung, Mobilität, Infrastruktur, werden zusätzliche Aspekte wie Baumaterialien mit deren Rezyklierbarkeit, die Qualität des Außenraums unter Berücksichtigung der Artenvielfalt und nicht zuletzt die Flexibilität der gebauten Umwelt berücksichtigt.
Thermischer Komfort im Außenraum
Die Blockbebauung wird gezielt mit Luftschneisen ausgestattet und durch Begrünung mit Schattenplätzen versehen. Poröse Oberflächen lassen Regenwasser versickern, speichern Wasser und tragen über Verdunstungskälte positiv zum Stadtklima bei. Die hellen Oberflächenmaterialien begünstigen eine Reflexion der Solarstrahlung und tragen so, gemeinsam mit den begrünten Dächern und Parkflächen zu einem verbesserten Mikroklima im Sommer bei.
Die Hauptverbindungen und Kleinquartiere sind optimiert angeordnet, so dass eine gute Durchlüftung gewährleistet wird. Die Blockränder weisen unterschiedliche Höhen auf, die eine Besonnung der Gebäudefassaden im Blockinneren auch im Winter ermöglichen.
Materialien
Die Auswahl der Materialien orientiert sich an den gesamtökologischen Kriterien an grauer Energie, der lokalen Herkunft und Verfügbarkeit, der Haltbarkeit und vor allem auch an den Anforderungen in Bezug auf Schadstoffemission während der Lebensdauer und der Entsorgung. Zielsetzung muss die Optimierung des Bauwerks über den gesamten Lebenszyklus sein, um den Energie- und Ressourcenverbrauch zu minimieren, die Umweltbelastungen zu verringern und damit die der Gesamtwirtschaftlichkeit zu verbessern.
Energieversorgung
Die Hüllflächen der Gebäude und die Anlagentechnik sind auf den Niedrigstenergiestandard ausgelegt. Die Fassaden begünstigen passive und aktive Solarenergienutzung und eine ausgezeichnete Tageslichtversorgung. Das Ziel des Energiekonzeptes ist eine klimaneutrale Wärme- und Stromversorgung. Das gesamte Gebiet wird über ein kaltes-Nahwärmenetz versorgt. Die Energiequelle bildet dabei ein geothermisches System, deren Erdbohrungen in einzelnen Feldern angelegt sind. Die zentrale Versorgungstechnik wird dabei in der Aufschüttung des Parks in Richtung der Gleise vorgesehen. In Kombination mit dezentralen Wärmepumpenlösungen werden die einzelnen Gebäude und Blöcke mit Niedertemperaturwärme und Kälte versorgt. Die Wärme- und Stromversorgung erfolgt mit einer Kombination aus Wärmepumpen und Photovoltaik. Für eine CO2-neutrale Energieversorgung werden PV-Kollektoren auf den Dächern und teilweise an exponierten Fassaden vorgesehen.
VERKEHRSKONZEPT
Die Ostumfahrung wird als "Boulevard" in das städtebauliche Gefüge integriert. Sie verbindet den Brandenburg Platz mit dem Knotenpunkt auf der Nordseite des Bahnhofs Köpenick, wo sie auf die Westumfahrung trifft und die Verkehrsbeziehungen nach Osten und Norden fortsetzt. Alle weiteren neuen Straßen, mit Ausnahme des Gewerbeloops im Osten, sind als befahrbare Wohnwege vorrangig für den Fuß- und Radverkehr konzipiert.
Die zentrale Lage des Quartiers zwischen den Bahnhöfen Köpenick und Hirschgarten, bietet ideale Voraussetzungen für eine auf Rad- und Fußverkehr orientierte Erschließung. Um ergänzende Verkehrsangebote anzubieten, wird der ÖPNV eng im Gebiet geführt, ein Busverkehr mit zwei Haltestellen im Zuge der Ostumfahrung sowie Mobilitätsstationen an denen Lastenräder, Elektroräder und Elektro Carsharing vorgehalten wird, ergänzen das System. Die Mobilitätsstationen sind kleinräumig entlang der Wohnbereiche angeordnet.
Die Seelenbinderstraße wird zu einer südlich des neuen Siedlungskerns und des Finanzamts verlaufenden zusätzlichen Hauptroute des Radverkehr aufgewertet. Der Gewerbeloop erschließt den überwiegend gewerblichen Teil und die nachfolgenden Straßen Richtung S-Bahnhof Hirschgarten.
Für alle Wegebeziehungen wird es Mobilitätsangebote geben, die den Bedarf einfach und sicher mit eigener Kraft oder unter Einbeziehung umweltschonender Hilfsmittel und vorrangig vernetzt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln abdecken. Dazu wird auf Fahrräder, Sharing-Fahrzeuge, Bus und Bahn auf kurzen Wegen komfortabel, sicher und schnell zugegriffen werden können.
Hierfür ist ein gestuftes System an Abstellanlagen für das eigene Rad ebenerdig im Haus und am Arbeitsplatz und anderen Zielen vorgesehen.
Die Kfz-Erschließung ordnet sich – nach dem Motto „Sowohl als auch – doch keinesfalls mehr als nötig und verträglich“ – auf einem angemessenen Niveau ein. Die zentrale Quartiersgarage nördlich des Brandenburgplatzes übernimmt den Hauptanteil der privaten Stellplätze für die Wohnungen und wird ergänzt um die Anlagen im Osten und im Norden an der Wilhelm-Leistner-Straße.
Ein dichtes Netz an barrierefreien Fußwegen verbindet die halbprivaten Innenräume der Blöcke mit den anderen Nutzungen im Quartier. Spezielle Kinderwege vernetzen die zahlreichen Spiel- und Aufenthaltsbereiche.