Es gehört zum Wesen der bibliothekswissenschaftlichen und bibliothekspraktischen Fachcommunity darüber zu diskutieren, wie Öffentliche Bibliotheken auf die sich ändernden Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Bürgerinnen und Bürger eingehen können. Diese Diskussionen haben mit der Etablierung des Internets und der fortschreitenden Digitalisierung an Intensität zugenommen.[5] Offensichtlich ist, dass Öffentliche Bibliotheken Konzepte benötigen, die zu dem qualitativen und quantitativen Bedarf ihrer Nutzenden und ihres jeweiligen Bezugsraums passen und regelmäßig weiter zu entwickeln sind. Die Bedarfe verändern sich und werden nicht zuletzt von gesellschaftlichen Megatrends beeinflusst. Megatrends sind langfristige und tiefgreifende Veränderungen der Gesellschaft, die uns heute schon prägen und in Zukunft noch weiter prägen werden.
In diesem Kapitel werden fünf für Bibliotheken bedeutsame gesellschaftliche Megatrends vorgestellt und aus diesen abgeleitet, auf welche Bedarfe der Gesellschaft Bibliotheken eingehen müssen und was sie dafür benötigen. Der Medienwandel als weitere für Bibliotheken bedeutsame Entwicklung wird vorweg erläutert.
Die Bedeutung des Medienwandels für Bibliotheken
Bücher und andere physische Medien prägen die gewachsene gesellschaftliche Kultur und gehören in Öffentlichen Bibliotheken traditionell zu den wichtigsten Angeboten. Der durch die Digitalisierung vorangetriebene Medienwandel und die zunehmende Medienvielfalt wirken sich auch auf das Angebot von Bibliotheken aus. Das Informations- und Medienverhalten der Menschen ändert sich. Dementsprechend werden konventionelle Medien in einigen Segmenten weniger nachgefragt, digitale Angebote zunehmend bevorzugt.[6] Gleichzeitig hat der physische Ort Bibliothek zum Lernen und Treffen gegenüber der reinen Medienausleihe an Bedeutung gewonnen. Das gibt Öffentlichen Bibliotheken die Chance, eigene digitale Angebote zu entwickeln und diese mit traditionellen Angeboten kreativ zu verbinden.
Eine vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels veröffentliche Studie aus dem Jahr 2018 zeigt den Medienwandel auf: Während 2013 noch 38 Prozent der Befragten erklärten, täglich oder mehrmals wöchentlich ein Buch in die Hand zu nehmen, waren es 2017 nur noch 32 Prozent. Die Zahl der Buchkäuferinnen und -käufer ging in diesem Zeitraum in allen Altersgruppen zurück. Im selben Zeitraum nahm die Internetnutzung in allen Altersgruppen zu.[7] Gleichwohl gibt es unter den 12- bis 19-Jährigen einen seit rund 20 Jahren konstant bleibenden Anteil regelmäßig Lesender von rund 40%.[8]
Es lassen sich aktuell keine sicheren Prognosen zur künftigen Nachfrage nach Büchern und physischen Medien in öffentlichen Bibliotheken ableiten. Die Erhaltung wichtiger Buchbestände, die Beobachtung der Entwicklungen auf dem Medienmarkt und die Erarbeitung von Bestandsprofilen und Medienkonzepten, die die Rolle des Buches berücksichtigen, sind jedoch wichtige Aufgaben für eine zukünftige kontinuierliche Bibliotheksentwicklung. Konzeptionelle Ansätze könnten z.B. in spezifischen Schwerpunkten der Bibliotheken oder in Spezialprofilen im Sinne von „Literatheken“[9] für einzelne Standorte bestehen, die ein begleitendes Programm aus literarischen Veranstaltungen, Leseförderaktivitäten, Lesezirkeln und Schreibkursen (Creative Writing) bieten.
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[5] Zum Beispiel: f/21: Bibliothekswelten im Umbruch, Berlin, 2016; Institut für Demoskopie Allensbach: Die Zukunft der Bibliotheken in Deutschland, 2015; Lankes, David: Atlas of new librarianship, Cambridge, Massachusetts, MIT Press, 2016; für wissenschaftliche Bibliotheken siehe Knoche, Michael: Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft, Göttingen, Wallenstein, 2017.
[6] Die Verschiebungen in der Nachfrage von konventionellen Medien und digitalen Angeboten fallen dabei in Abhängigkeit von den verschiedenen Mediensegmenten, aber auch zwischen den unterschiedlichen Bibliothekssparten und ganz wesentlich auch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen in durchaus unterschiedlichen Größenordnungen aus.
[7] Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Buchkäufer – quo vadis?, 2018.
[8] Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: JIM-Studie 2018: Jugend, Medien, Information – Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger.
[9] Thorhauge, Jens: Identitätsfindung zwischen Literathek, Aktivithek und Online-Bibliothek, in: Petra Hauke (Hrsg.): Öffentliche Bibliotheken 2030, Bad Honnef, 2019.