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Beteiligung an der Erarbeitung des Kiezblock-Konzepts für den Antonkiez

Das Bezirksamt verfolgt eine schrittweise Umsetzung der flächenhaften Beruhigung des Kfz-Verkehrs zur Förderung einer vielfältigeren Nutzbarkeit des Straßenraums in den Wohnkiezen im Bezirk Mitte.

Ergebnisse der Winter-Anlaufstelle im Antonkiez

Türkçe versiyon: Sonuçlar kış temas noktası.pdf & English version: results winter drop-in point.pdf

 

Langbericht Winter-Anlaufstelle Antonkiez

Zum Hintergrund:

Das Bezirksparlament, die BVV Mitte, hat am 07.06.2023 beschlossen, die verkehrliche Situation im Antonkiez neu zu ordnen

Ziel des Beschlusses ist es, den Verkehr insgesamt zu beruhigen und sicherer zu gestalten. Damit soll auch die Lebensqualität für die Anwohner*innen zwischen der Müller-, Schul-, und Reinickendorfer sowie der Lindower Straße erhöht werden. 

Karte zum Antonkiez

Um dies zu gewährleisten, soll der Antonkiez in die Kiezblock-Planungen des Bezirks aufgenommen werden, welche in zwei weiteren BVV-Beschlüssen konkretisiert werden. Der genaue Wortlaut der Beschlüsse kann nachgelesen werden in den Drucksachen (DS) DS 0963/VIDS 3149/V und DS 0343/VI.

Um die Neuordnung des Straßenraums möglichst genau auf bestehende Problemlagen und bisher unberücksichtigte Bedarfe von Anwohner*innen und Anlieger*innen im Antonkiez anzupassen, sollen diese schon früh Gelegenheit haben, Bedarfe, Konflikte und Lösungsansätze in die Grundlagenplanung einzubringen.

Im Rahmen der Partizipativen Begleitung der Kiezblocks-Umsetzung im Antonkiez und der Nördlichen Luisenstadt hat das Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) Potsdam dazu am Dienstag, den 09.01.2024 die erste Vor-Ort-Beteiligung im Planungsgebiet Antonkiez in Kooperation mit dem Bezirksamt Mitte (BA) durchgeführt. Die Informationen der Winter-Anlaufstellen ergänzen die bereits bekannten Konzepte organisierter Anwohner*innen-Initiativen (z.B. der Kiezblock-Initiative Antonkiez) und die Melde- und Beschwerdelage im Bezirksamt und werden als weitere Datengrundlage für die Erarbeitung eines ersten Kiezblock-Konzepts genutzt.

Die Beiträge sind auf einer Online-Karte für alle zugänglich aufbereitet dokumentiert: http://u.osmfr.org/m/989223/

 

Zur Beteiligungsmethode: 

Um eine möglichst breite Beteiligung zu ermöglichen war das Team bei winterlicher Witterung dafür von morgens 11:00 bis 15:00 Uhr und von 15:30 bis 18:00 abends an mehreren Standorten im Kiez mit einem mobilen Info- und Beteiligungsangebot zum Thema “Verkehr im Kiez - Was läuft gut? Wo gibt’s Probleme?” unterwegs. 

Das Beteiligungsformat der Winter-Anlaufstelle wurde zuerst im Planungsraum der Nördlichen Luisenstadt erprobt und hatte sich hier bereits unter eisigen Temperaturen bewährt. Als wichtige Anpassung wurde das Team diesmal durch eine Sprachmittlerin ergänzt, um eine gleichbleibend hohe Beteiligungsqualität auch für Menschen zu ermöglichen, die eine Migrationsgeschichte haben und deren Alltagssprache nicht deutsch ist. 

Denn ein zentrales Ziel der Anlaufstelle war es, besonders auch die Menschen zur Teilnahme einzuladen, die sonst nicht an Beteiligungsformaten teilnehmen, die auch nicht schon Teil einer Initiative sind oder anderweitig ihre Meinung einbringen. Dafür sollte die Beteiligung direkt vor Ort, im Alltag der Kiezbewohner*innen stattfinden und schnell zu erledigen sein. Wichtig war es dafür auch, dass alle befragten Personen sich zufällig, spontan und auch ohne Vorbereitung beteiligen konnten. Auf eine Vorab-Information wurde daher bewusst verzichtet. 

mobile Anlaufstelle im Antonkiez

Die beiden Standorte Gerichtsstraße gegenüber vom Park und an der wichtigsten Ost-West-Achse des Kiezes sowie der Standort nahe der Wedding-Grundschule an der Ecke Anton-/Ruheplatzstraße bildeten einen ausreichenden Schnitt durch das große Projektgebiet. Der geplante dritte Standort am QM-Büro/Stadtplatz hätte ggf. noch weitere Hinweise zu der Situation in den Nord-Ost- (Nauener Platz) und Süd-Ost-Teilen (Nettelbeckplatz) ermöglicht, die jedoch aus der Arbeit des Quartiersmanagements ergänzt werden können. Insgesamt ist die Beteiligung mit über 70 beteiligten Personen sehr rege gewesen, dabei war die Altersverteilung sehr unterschiedlich. 

Die Wetterbedingungen waren bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sehr herausfordernd, die Beteiligung ist unter diesen Umständen außerordentlich gut und z.T. auch sehr ausdauernd gewesen. Heißer Apfelsaft und Tee trugen zum guten Austausch bei. 

Viele befragte Personen schätzten sich selbst erst als nicht kompetent genug ein, um etwas beitragen zu können. Nur zum Teil war dies gekoppelt mit sprachlichen Hemmschwellen. Eine erneute und positiv bestärkende Ansprache, bei Sprachbarrieren auch auf Englisch und z.T. anderen Sprachen, ermöglichte dann häufig doch noch Beteiligung – besonders wertvoll war dabei auch die Sprachmittlung einer als türkisch/kurdisch gelesenen Person im Team. Der damit einhergehende Vertrauensvorschuss ermöglichte es mehren Personen, dass sie sich das erste Mal in ihrem Leben beteiligten. Sehr vielen Dank, dass Sie mitgemacht haben! Teşekkür ederim! Erneut konnten oft auch Angehörige oder Passant:innen durch spontane Übersetzung aushelfen – auch dafür vielen Dank! In sehr wenigen Fällen war eine Beteiligung aufgrund anderer Sprachbarrieren nicht möglich.

 

Zu den Ergebnissen:

Über 80% aller Teilnehmenden gaben an, bisher nicht an Beteiligungsformaten teilgenommen zu haben. Umso bemerkenswerter ist die hohe Qualität und Sachlichkeit der Beiträge zu dem medial und politisch oft sehr polarisiert wirkenden Themenfeld „Verkehr“. Der überwiegende Teil der Beiträge war konstruktiv und konkrete Problemlagen ließen sich auf der Karte oft gut verorten. Alle Beiträge sind auf dieser Online-Karte aufbereitet dokumentiert. 

Online-Karte mit Beiträgen

Fast spiegelbildlich zu der Situation in der Nördlichen Luisenstadt dominierten in den Beiträgen auch im Antonkiez die vielfältigen, konkret verortbaren Gefährdungen für Fußgänger*innen. Dabei kommen vor allem die Bedarfe von (Schul‑)Kindern und älteren Menschen nach Aussage vieler Beteiligten aktuell besonders zu kurz: 

Die vielen im Kiez abgestellten Autos verdecken die Sicht an Kreuzungen, so dass Kinder nicht sicher queren können. Um den Kiez herum werden die Querungen bzw. die Situation auf den Hauptverkehrsstraßen als chaotisch und für Kinder nicht zumutbar kritisiert. Eltern gaben an, ihre Kinder aus Angst vor dem Verkehrschaos mit dem Auto zur Schule bringen – mit dem Resultat: Elterntaxis die in zweiter Reihe oder letzter Lücke zwischen schon falschparkenden Autos halten und für ihre Kinder das beste wollen, gefährden alle anderen Kinder. Generell sind die Schulwegsicherheit und sichere Wege für weniger durchsetzungsstarke Menschen ein großes Thema.

Besonders gefährlich sind einzelne, gegen die Fahrtrichtung durch die Einbahnstraße rasende Autofahrende vor der Wedding-Grundschule. Starke Kritik gibt es auch an der Einrichtung der beiden Langzeit-Baustellen in der Antonstraße als Angsträume mit großer Barrierewirkung.  

Ein weiteres Thema mit großer Bedeutung ist die Verwahrlosung des öffentlichen Raums: Mehrfach genannt wurde die Nähe zum Leopoldplatz mit seiner Drogenproblematik, mit dem Hinweis auf einen Korridor zum Park am Urnenfriedhof, welcher z.T. zum Schlafen, als Lager und  generell zur Müllablagerung auch durch Anwohnende und als „letzter Freilauf für Hunde im Kiez“ genutzt werde. Die Verwahrlosung von Menschen und Raum macht vielen Menschen zu schaffen. Vor allem ältere Menschen sind aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität auf die Nutzung des öffentlichen Raums in ihrem nahen Wohnumfeld angewiesen und wünschen sich die früher dagewesenen Bänke als Treffpunkte zurück.

Rollstuhlfahrerin beteiligt sich an der Anlaufstelle

Wie in der Luisenstadt sagen selbst autofahrende Befragte, dass „einfach alles voll mit Autos“ ist, es „zu viele Autos für zu wenig Parkplätze“ gibt und die Situation für Autofahrende genauso wie für alle anderen sehr schlecht sei – die Schließung des Karstadt-Parkhauses in Kombination mit der Umgestaltung der Müllerstraße verschärft die Situation nach Ansicht mehrerer Befragter weiter – andere fragen, ob diese als Kiezgarage nachgenutzt werden kann. 

Es gibt jedoch auch herausragende, positive Beispiele, an denen sich bei einer Umgestaltung orientiert werden soll: vielfach genannt wird der neugestaltete Park am Max-Josef-Metzger-Platz, der als drogenfrei und für viele offen wahrgenommen wird – nur Grillplätze könnte es noch geben. Überwiegend herausragend wird auch die Fahrradstraße Triftstraße inkl. der neu angelegten Verweilräume an der Tegeler Straße bewertet. Im Radverkehr wurden zwei besonders prioritäre Orte genannt: zum einen das kleine Stück der Maxstraße mit besonders schlimmen Kopfsteinpflaster, zwischen Scherer- und Antonstraße, zum anderen ist die für Kfz-Fahrende nicht ersichtliche Freigabe der Einbahnstraße in der Adolfstraße gefährlich.

Zur konkreten Gestaltung von Straßen für Aufenthalt wurde der Wunsch nach Entsiegelung und Begrünung geäußert, wobei Möglichkeiten zur Bewässerung fehlen. Mehr Raum für Spiel und Sport für Kinder und Erwachsene wurde angesprochen, rückte jedoch vor den Themen der Verkehrssicherheit immer wieder in den Hintergrund. Vor allem eine Umgestaltung des Raumes vor der Wedding Grundschule wird vielfach angesprochen. Von einer Lehrerin wurde auch die existierende Kooperation mit dem Bezirksamt für eine Spielstraße hervorgehoben. Infobedarf zu Vorhaben oder Beschlüssen des Bezirksamts wurden nur sehr punktuell und häufig erst im Gespräch geäußert.

Schulkinder beteiligen sich an der Anlaufstelle

 

Danksagung & Weitere Informationen:

Wir bedanken uns beim Stadtteilbüro Friedrichshain und der Anlauf- und Koordinationsstelle für öffentliche Räume (AKöR) für die logistische und konzeptionelle Unterstützung bei Vorbereitung und Durchführung, bei Eda Koca für die hilfreiche Sprachmittlung sowie bei allen Teilnehmenden für ihre wertvollen Hinweise und die konstruktive Mitwirkung! 

Alle Beiträge der Winter-Anlaufstelle finden Sie in der Online-Karte (http://u.osmfr.org/m/989223/)

Die Partizipative Begleitung der Kiezblocks-Umsetzung im Antonkiez und in der Nördlichen Luisenstadt wird unterstützt durch Mittel einer Förderung des Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV). Das Projekt wird gemeinsam vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) Potsdam, dem Bezirksamt Mitte von Berlin und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg (UMM) durchgeführt. 

Mehr Infos zum Projekt finden Sie auf der Website des RIFS und Infos + FAQ zu Kiezblocks in Berlin-Mitte auf der Website des Bezirksamtes.