No Poller, no pain!
Meine Gedanken (die von vielen meiner Nachbarn und den Beteiligten einer gerade in Gründung befindlichen Anwohnerinitiative Spandauer Vorstadt geteilt werden) zu Kiezblocks per se und der besonderen Situation in der Spandauer Vorstadt:
Das Problem mit undisziplinierten Verkehrsteilnehmern (Autofahrer, Radfahrer) besteht überall in den Städten Europas. Eine Verpollerung halten wir für einen Aktionismus, der nicht zu Ende gedacht wurde und nicht nachhaltig ist. Dadurch wird der Verkehr nur umgeleitet und Anwohnerinnen, Anwohner, Lieferanten, Dienstleister... zu vermehrten Irrfahrten und Umwegen zwingt.
Generell ist die Unterscheidung in Anwohnerverkehr und Durchfahrtverkehr nicht ausreichend und verwässert das Thema.
Die dritte Kategorie ist aus unserer Sicht äusserst relevant und wird leider nie (vielleicht bewusst?) diskutiert: der Dienstleistungsverkehr. Dieser trägt im erheblichen Masse im Kiez zum Verkehrsaufkommen bei, jedenfalls sehr viel mehr als der gelegentliche Anwohner- und Durchfahrtverkehr.
Zum „Dienstleistungsverkehr“ zählen wir Entsorger (BSR, ALBA, Brettschneider, Berlin Recycling), Polizei, Feuerwehr (fast ausschliesslich in Einsatzfahrten mit Blaulicht und Sirene unterwegs), Notarztwagen und Krankenwagen, aber auch Kurierdienste wie DHL, Hermes, Amazon (diese werden durch den Onlinekauf der Anwohnerinnen und Anwohner offenbar gern und vermehrt genutzt). Hinzukommen Taxis, Lebensmittel-Lieferdienste wie Flaschenpost, Getränke Hoffmann, Rewe, Bringmeister, Märkische Kiste, Biogemüse aus Brodowin.
Nicht zu vergessen sind die diversen Getränkegrosshändler, die die zahlreichen gastronomischen Betriebe in den Hackeschen Höfen, in der Sophienstrasse, in der Auguststrasse, in der Gipsstrasse beliefern.
Selbstverständlich sind wir alle für eine Verkehrsberuhigung in der Stadt und in unserem Kiez Spandauer Vorstadt, aber wir kennen unseren Kiez und bevorzugen maßvolle Regulierungen.
Diese Massnahmen halten wir für mittelfristig wirksam, wie z.B:
1. Bodenwellen (auch „schlafender Polizist“ genannt), z.B. 2 x Gipsstrasse, 2 x Sophienstrasse (am Anfang), 2 x Auguststrasse im Galerienbereich, sowie 2 x Auguststrasse am Gipspark
2. Durchgängig Tempo 30 in den Nebenstrassen der Spandauer Vorstadt (gern vor Schulen mit Geschwindigkeitshinweisen 10km auf der Strasse), Tempo 10 Schilder sind lt. Strassenverkehrsordnung unzulässig – OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2019, Az. 1 B 16.17
3. Sporadische Verkehrskontrollen (Polizei/Radteam Ordnungsamt Berlin Mitte)
4. Blitzer Anhänger wochenweise
5. Zebrastreifen oder auch blinkende Tempohinweise an neuralgischen Punkten
Auf dem X-Kanal der ehemaligen Stadträtin Almut Neumann entdeckte ich in ihrem letzten Newsletter den Hinweis, dass es ja ca 10 Mitarbeiter des Ordnungsamtes Mitte gibt, die mit einem Fahrrad den Bezirk befahren. Da hätten wir doch gleich mal eine praktikable Lösung, um auf bestimmte Verkehrsteilnehmer einzuwirken, die sich undiszipliniert verhalten. Einsatzorte wären z.B. POI wie Lokale, Kindergärten, Grundschulen und das Feierfreudige Publikum am Gipspark.
Frau Neumann behauptete auch in einem Facebook Post, dass der Bereich Tucholskystrasse/Auguststrasse ein Unfallschwerpunkt sei. Dem ist nicht so. Die statistischen Landesämter betreiben eine interaktive Karte, mit der, jährlich aktualisiert, die polizeilich erfassten Unfälle an dezidierten Orten aufgeführt sind. Für den Bereich Tucholskystrasse waren es im Jahre 2022: 3 polizeilich erfasste Unfälle, in der Linienstrasse dagegen 15!
Vorschlag: Vor Kindergärten und Schulen wäre es zielführend, wenn es Menschen gäbe, die sich zu Beginn und Ende der Unterrichtszeiten als „Schülerlotsen“ engagieren würden, also eigentlich 2x am Tag. Ich möchte definitiv kein Bashing gegenüber Arbeitsuchenden betreiben, aber unter diesen gibt es eine Anzahl von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen (z.B. Alter, gesundheitliche Gründe) dem Arbeitsmarkt nicht voll oder garnicht zur Verfügung stehen. Es wäre doch ein Pilotprojekt wert, diesen Menschen auf Aufgabe (z.B. als Schülerlotse) zu geben, die Ihnen Wertschätzung und ein kleines Einkommen gibt. Hier sollten für solch ein Projekt Gespräche mit dem Jobcenter Mitte geführt werden, GF Lutz Mania.
Dies hätte den angenehmen Nebeneffekt, dass die Kinder behutsam, aber auch konsequent, an das Verkehrsgeschehen gewöhnt werden. Auch die Lehrerschaft ist aufgefordert, die Schulkinder nach Schulschluss vor die Eingangstür zu begleiten, damit sie nicht, wie ich vor der Grundschule in der Gipsstrasse immer wieder beobachten kann, vor dem Haupteingang herumtoben.
Aus vielerlei Gründen halte ich die Modal-Poller-Sperre Tucholsky/Ecke Auguststrasse, sowie jegliche weitere angedachte Poller-Sperrung in der Auguststrasse im Kiez (z.B. auf den Seiten 14 , 15, 16, 17 der Präsentation) für kontraproduktiv. Was sagt eigentlich der Denkmal- und Milieuschutz dazu?
Diese Modal- und sonstigen Sperren werden rechtlich zu prüfen sein. Ob sie vor der Kammer des VG standhalten ist nach meiner Meinung zweifelhaft – aber ich bin ja kein Jurist.
Die Idee einer mit Pollern gesperrten Fussgängerzone Koppenplatz ist gefährlich und zu überdenken. Der Koppenplatz wird nach meiner Beobachtung weniger als Abkürzung für den Durchgangsverkehr genutzt, da die zweifache Querung der Linienstrasse für den Durchgangsverkehr lästig ist und vermieden wird.
Eine Momentaufnahme vom 27.4.24:
Ich sass über 1 Stunde bei der Biobäckerei Tillmann, direkt am Koppenplatz. Um 14:15 fuhr ein Polizei Bulli mit Blaulicht von der Auguststraße links Richtung Koppenplatz. 5 Minuten später fuhr vom Koppenplatz ein Polizei Kombi geradeaus Richtung Hedwig Krankenhaus. um 15:15 kam ein Krankenwagen vom Hedwig und fuhr Richtung koppenplatz, Linienstrasse, Torstrasse. Alle drei Fahrzeuge waren im Einsatz mit Blaulicht und Sirene unterwegs. Dies war eine Momentaufnahme zum Thema geplante Verpollerung und Fußgängerzone am Koppenplatz.
Mit Schlüssel zu öffnende (und zu schliessende) Poller kosten Zeit und sind in Notfällen keine Lösung. Möchte die Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger, der neue Stadtrat Christopher Schriner und die Verwaltung die Verantwortung dafür übernehmen, dass Menschen durch die zeitliche Verzögerung in Gefahr geraten oder sogar sterben?
Ähnlich sieht es, nicht nur für Notarztwagen und Polizei im Einsatz, sondern auch für Pflegedienste, Lieferanten, Dienstleister, Kurierdienste, Entsorgungsbetriebe, Handwerker aus. Wenn diese aus dem Bereich der Torstrasse Richtung innerer Teil des Kiezes zu fahren haben, kämen sie weder über den Koppenplatz noch über die Tucholskystrasse ans Ziel und müssten grosse Umwege fahren (Torstrasse > Rosenthaler oder Torstrasse > Friedrichstrasse > Oranienburger). Die Krausnickstrasse und Grosse Hamburger sind zusätzlich problematische Engpässe, die nur langsam zu befahren sind.
Wir geben zu bedenken, dass Tag für Tag Dialysepatienten per Taxi oder Krankenwagen zur Behandlung ins Hedwig Krankenhaus gebracht und wieder abgeholt werden. Sie erreichen das Krankenhaus und die Stationen über den Haupteingang in der Grossen Hamburger und nicht über die Notaufnahme via Krausnickstrasse. Auch ältere Besucher und Patienten haben den Haupteingang zu nutzen.
Vor kurzem hörte ich, dass das Ordnungsamt Berlin-Mitte (Herr Sasse) die Parkraumüberwachung ab 1.1.2025 neu organisieren möchte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Teams Parkraumüberwachung sollen am Samstag nur bis 21:00 Dienst absolvieren, an Sonn- und Feiertagen nicht! Das würde bedeuten, dass Autofahrer von ausserhalb in diesen Zeiten in der Zone 29 parken können, ohne befürchten zu müssen, wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden. Dies würde die Parkmöglichkeit für die Anwohnerschaft erheblich beeinträchtigen.
Ach ja, zu den „undisziplinierten“ Verkehrsteilnehmern zähle ich auch Fussgänger, die ohne nach rechts oder links zu blicken, auf ihr Smartphone schauend, einfach über die Straße laufen. Z.B. Hackescher Markt und Rosenthaler Strasse. Aber daran gewöhnt man sich als Anwohner und verhält sich entsprechend vorsichtig.
Ich wohne nun schon seit 26 Jahren in “meinem“ Kiez, sehe die Veränderungen, manche sagen fortschreitende Gentrifizierung, die Neubauten mit Tiefgaragen, den Verkehr – aber auch Menschen, die hier leben. Mit vielen komme ich ins Gespräch, weil man sich gelegentlich unterhält. Mein Jack Russel war und ist häufig ein willkommener Grund, mit anderen Hundehaltern zu kommunizieren.
Ich werde die Beobachtungen und die Kommunikation mit den Bürgern, auch über einen Blog und die anderen Social Media Kanäle weiter kommunizieren und intensivieren. Über die rechtliche Einschätzung und Klagen mögen sich die Juristen in der Nachbarschaft kümmern.