Allgemeine Gedanken eines Anwohners in der Simon-Dach-Str.
Schönen guten Tag,
ich wohne seit über 15 Jahren in der Simon-Dach-Straße, anfangs zwischen Grünberger und Kopernikusstraße, mittlerweile zwischen Kopernikusstraße und Revalerstraße.
Ich möchte hier meine Erfahrungen und Beobachtungen schildern und vermutlich einen Gegenpol zu den vorgestellten Plänen darstellen. Ich bewege mich durch die Stadt und den Kiez zu Fuß, mit dem Rad und mit dem Auto. Ich besitze einen eigenen PKW, ein eigenes Fahrrad und eine Monatskarte. Ich kenne hier junge Leute, ältere Personen, Gewerbetreibende und Mitbürger mit Kindern. Ich bin weder arm noch reich, habe keine Eigentumswohnung, wohne aber auch nicht auf der Straße. Ich denke, ich verkörpere eher einen durchschnittlichen Anwohner im Kiez, anstatt durch extreme Positionen oder Lebensumstände aufzufallen.
Mir ist bewusst, dass der Umgang mit Verkehr nicht immer einfach ist und an vielen Stellen auch nicht immer fair. Ich bin aber auch so realistisch, dass ich weiß, dass man in einer Großstadt mit hohem Verkehrsaufkommen rechnen muss und dass wir hier nicht auf dem Land leben. Unfälle, Konfliktsituationen und Verteilungskämpfe sind zu erwarten und gelebte Realität. Die folgenden Punkte spiegeln einen Teil meiner Beobachtungen wider und sollen alle Beteiligten ansprechen:
Informationskampagne:
Die Art und Weise, wie die Anwohner an den Maßnahmen "beteiligt" werden, halte ich für mangelhaft. Ich möchte hier niemandem etwas unterstellen, aber vielleicht ist der Mangel an Informationen auch gewollt. Möchte man eigentlich gar nicht, dass alle Anwohner eine Stimme bekommen, oder ist man einfach unfähig zu kommunizieren? Es kann einfach nicht sein, dass so tiefgreifende Änderungen nicht per Aushang und/oder Brief mitgeteilt werden und die Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Zwei Beispiele dazu:
-
Diese "Beteiligungsplattform", das Forum und die Vor-Ort-Termine habe ich als Anwohner nur zufällig entdeckt, weil mein Handy mir einen Artikel einer Berliner Zeitung zum Lesen vorgeschlagen hat. Ich bin mit dem Internet aufgewachsen, sitze täglich auch Stunden vor dem PC und habe kein Problem damit, mich in einem Forum anzumelden, um meine Meinung zu äußern. Die geringe Anzahl an Beiträgen hier, verglichen mit der Anzahl der Anwohner im Kiez, verdichtet aber die Vermutung, dass diese Beteiligungsplattform ein Schattendasein fristet und sich nur Bürger hierher verirren, die eine Agenda verfolgen und viel Zeit mitbringen.
-
Der Umbau der Revaler Straße war zum Beispiel schon lange geplant. Entsprechende Informationen dazu, Fehlanzeige. Kurzfristig wurden auf der kompletten Straße Halteverbotsschilder aufgestellt und die Anwohner vor vollendete Tatsachen gestellt. PKWs wurden abgeschleppt und die Straße zur Einbahnstraße umdeklariert. Hier hätte man doch wenigstens mal informieren können, was wann geplant ist, oder?
Meiner Meinung nach (IMHO):
Die meisten meiner Beobachtungen beziehen sich auf den künstlich verknappten Parkraum, der nur zu mehr Konflikten, Frust und noch mehr Stress bei allen Beteiligten führt. Für mich sind das ideologische Maßnahmen, die an der Realität vorbeizielen. Das ist kein Miteinander, sondern ein Gegeneinander, und so kommen wir nicht voran. Dabei werden Gelder verschwendet, die an anderen Stellen viel besser eingesetzt werden könnten. Statt einem verdreckten Parklet auf der Straße, könnte man auch einen Spielplatz sanieren.
Kampf gegen das Auto:
Bleiben wir beim Beispiel Revaler Straße. Noch vor ein paar Wochen konnten hier Autos auf beiden Seiten der Straße parken, auf der einen Seite längs, auf der anderen Seite quer in vor nicht allzu langer Zeit neu gestalteten Parkbuchten. Dazu gab es zwei breite Fahrspuren für Fahrräder und PKW in beide Richtungen. Auf beiden Seiten befanden sich breite Gehwege, teils mit Außengastronomie. In Zukunft, und das kann ich nur durch Beobachtung abschätzen, denn es gibt ja keine Informationen dazu, werden wohl alle ca. 100 Parkplätze in der Revaler Straße wegfallen. Dafür werden Fahrradstreifen und Poller auf dem Boden installiert, die von Rollstuhlfahrern und Co nicht überwunden werden können und Lieferzonen eingerichtet, die niemand dort benötigt. Autos sollen aus dem Stadtbild verschwinden.
Ich fahre gerne Fahrrad, nutze es auch für den täglichen Weg zur Arbeit. Ich finde es auch gut, dass Fahrradfahrer sicherer durch die Stadt kommen sollen. Was ich aber nicht verstehe, ist der blinde Aktionismus, mit dem hier scheinbar vorgegangen wird. Das Auto ist und bleibt ein Teil des Stadtlebens, insbesondere für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen auf ein Auto angewiesen sind. Den Platz für Autos einfach immer weiter zu reduzieren, ohne Alternativen anzubieten oder den öffentlichen Nahverkehr signifikant zu verbessern, führt zu nichts, außer mehr Stress und Aggression.
Durchgangsverkehr
Den größten Teil des Verkehrs nehme ich in den Feierabendstunden zwischen 18 und 20 Uhr wahr. Zu dieser Zeit kommen viele Anwohner nach Hause, oder Gäste begeben sich in den "Ausgehbezirk", um zu essen und zu trinken. Dann wird gehupt, gewendet, rangiert und auch ab und an lautstark diskutiert. Die Menschen suchen in der Regel einfach einen Parkplatz. Je einfacher sich das gestaltet, desto weniger Stress gibt es auf der Straße. Wenn aber nicht gerade Sommerferien sind oder Weihnachtszeit herrscht, fährt man gerne 20 Minuten im Kreis – natürlich durch die Nebenstraßen. Besonders angespannt ist die Lage dann, wenn, wie jetzt, die Revalerstraße gesperrt ist. Nicht nur, dass die Parkplätze fehlen, auch die Libauer Straße, Simon-Dach-Straße und Dirschauer Straße sind jetzt Sackgassen. PKW fahren in die Straße ein, müssen am Ende wenden und wieder zurückfahren. Chaos und Hupkonzerte sind vorprogrammiert.
Meiner Meinung nach müsste der Aufschrei der Bewohner an den Hauptstraßen jetzt auch viel größer sein, als er ist. Der Bezirk verlagert den kompletten Verkehr auf die großen Straßen und nimmt so lange Staus und Behinderungen billigend in Kauf. Die wenigsten Menschen in dieser Stadt fahren zum Spaß Auto, und daher muss sich meiner Meinung nach der Verkehr auch auf Nebenstraßen verteilen können. Und wer kein Auto hat: Jeder von uns hat schon mal ein Taxi gerufen, oder? Den Verkehr vor der eigenen Haustür zu unterbinden bedeutet immer, dass der Verkehr woanders langfließen muss. Wenn der Verkehr nicht mehr durch die Libauerstr. fahren kann, fährt er halt durch die Simon-Dach-Str. und so weiter. Jeder will Pakete, volle Supermarktregale, Taxi fahren, bestellt bei Liferando oder Amazon. Nur den Verkehr vor der eigenen Haustür, den will keiner. Das finde ich sehr egoistisch.
Straßenreinigung
Die Parkplatzsituation wird in der Simon-Dach-Straße künstlich verschlechtert. Im Bereich zwischen Grünberger Straße und Kopernikusstraße wurde ein komplettes Halteverbot eingerichtet – für jeden Dienstag zwischen 07 und 10 Uhr, im Bereich zwischen Kopernikusstraße und Revaler Straße donnerstags zwischen 07 und 10 Uhr. Der Grund ist, dass die Straßen in dieser Zeit gereinigt werden sollen. Natürlich macht es keinen Sinn, den Dreck wie Pizzakartons, zerbrochene Flaschen, Erbrochenes und Sperrmüll vom Wochenende vier Tage liegen zu lassen, um ihn dann donnerstags halbherzig zu beseitigen. Wenn schon sauber gemacht wird, dann bitte montags. Ein Nebeneffekt ist natürlich, dass am Abend zuvor niemand in der Straße parken will, weil er sonst am nächsten Morgen womöglich abgeschleppt wird. Man musste das Halteverbot ja unbedingt um 7 Uhr beginnen lassen, wenn viele noch nicht auf dem Weg zur Arbeit sind.
Fußgängerzonen
Der Sinn von Fußgängerzonen erschließt sich mir noch nicht vollständig. Am Boxhagener Platz ist der Gehweg so breit, dass hier am Wochenende sogar Markt stattfinden kann. In der Simon-Dach-Straße befinden sich nur noch "Malle-Restaurants" mit hunderten von Tischen und Stühlen auf dem Gehweg. Statt die Anwohner mit PKWs zu drangsalieren, sollte man vielleicht mal die Zustände auf dem Gehweg entschärfen, indem man den Gewerbetreibenden nicht erlaubt, 5 Meter Außengastronomie aufzustellen. Ich kann es kaum erwarten, bis der komplette Straßenbereich zur Freifläche für das Feiervolk wird und die Leute sich wie auf der Admiralsbrücke zusammenrotten. Vielleicht engagieren wir dann wieder Pantomimen, um für Ruhe zu sorgen.
Maßnahmen, die ich mir wünsche:
- Fußwege sanieren, zum Beispiel auf der Revaler Straße auf der RAW-Seite, Dirschauer Straße.
- Bessere Fußgängerüberwege an Libauer, Simon-Dach - Wühlisch für das Feier-Volk
- E-Roller auf Gehwegen verbieten, Carsharing einschränken. Hier verdienen private Wirtschaftsunternehmen Geld indem sie ihre Produkte kostenfrei auf öffentlichen Grund abstellen. Im gesamten Stadtgebiet stehen und liegen diese Fahrzeuge kreuz und quer im Weg.
- Kopfsteinpflaster entfernen, um die Befahrbarkeit mit dem Rad zu verbessern.
- Regelmäßige und gründliche Reinigung durch die BSR. Oft liegt Dreck und Sperrmüll wochenlang auf der Straße.
- Sicherheitsdienst oder Streifen, die zwischen 22 und 6 Uhr im Kiez unterwegs sind. Hier wird jede Nacht randaliert, gebrüllt und zerstört.
Fazit:
Mein Eindruck ist, dass es einen Plan gibt, den Verkehr im Kiez massiv zu reduzieren, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Betroffenen werden dabei nicht mitgenommen, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt. Dass es vielleicht auch andere Möglichkeiten gibt, den Verkehr zu regeln und dabei ein Miteinander aller Verkehrsteilnehmer zu fördern, scheint nicht bedacht zu werden.
Wir können nicht alle in Luftpolsterfolie eingepackt durch die Gegend laufen, und wir können auch nicht alle Gefahren im Straßenverkehr eliminieren. Wir können jedoch sozialverträgliche Maßnahmen ergreifen, die echte Lösungen anstreben und dabei die Verkehrssicherheit für die 'schwächeren' Verkehrsteilnehmer im Blick behalten.
So wie es momentan läuft, schafft man keine lebenswerte Umgebung, sondern nur mehr Probleme für die, die hier leben und arbeiten müssen. Ein Dialog auf Augenhöhe sieht anders aus.
Vielleicht haben Sie ja andere Erfahrungen gemacht oder sehen die Dinge anders. Ich bin gespannt auf Ihre Sichtweise und Argumente.
Viele Grüße aus der Simon-Dach-Straße!