Zum Inhalt springen

Anregungen und Kommentare zur Hochhausplanung City West Berlin, speziell unter dem Gesichtspunkt der Zukunftsfähigkeit d

Hochhauskonzept City West

Sehr geehrte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen,

sehr geehrte Damen und Herren

Ich habe das von Ihnen vorgelegte Entwicklungskonzept studiert und glaube, Ihre Argumentation korrekt nachvollziehen zu können. Als jemand, der sich mit den Nachhaltigkeitsproblemen unserer Städte und ganz besonders der Hochhausplanung City West Berlin sehr intensiv auseinandergesetzt hat, komme ich allerdings bei einer ganzen Reihe von Aspekten zu anderen Schlussfolgerungen als Sie. Dies betrifft einerseits den städtebaulichen, insbesondere den stadtgestalterischen Gesichtspunkt. Hier schließe ich mich den hier gemachten Ausführungen meines Kollegen Kees Christiaanse vollumfänglich an, führe meine Argumentation an dieser Stelle deshalb auch nicht aus.

Ich möchte Sie an dieser Stelle allerdings explizit darauf hinweisen, dass die Gesichtspunkte des nachhaltigen Bauens, die unter anderem nichts anderes bedeuten als das Schaffen der Möglichkeit, zukünftig überhaupt noch bauen zu können und die deshalb von grundlegender Bedeutung auch für unsere gesamtgesellschaftliche Situation und Entwicklung sind, nach meiner Meinung in Ihrem Konzept nur unzureichend Berücksichtigung finden.

Im Gegensatz zu bisherigen Vorgehensweisen erfordert Städtebau in der Zukunft eine wesentlich deutlichere Berücksichtigung der für die Errichtung der Gebäude, insbesondere aber auch der für die Errichtung der Infrastruktur, also der verkehrlichen wie der gesamten Ver- und Entsorgungssysteme benötigten Materialmengen. Mit diesen Materialmengen einher gehen die bei der Materialbeschaffung wie dem Bauen selbst entstehenden Emissionen, die bei Neubauten heute bereits grösser sind als die Emissionen der Gebäude während ihrer gesamten Nutzungszeit. Es geht also darum, eine Abwägung zu finden zwischen urbaner Dichte, die, im Fall nachträglich stark wachsender Städte wie Berlin, mit einer Erhöhung der Dichte nicht nur in der Horizontalen, sondern auch in der Vertikalen einhergehen muss und einem städtebaulich klugen Platzieren von Hochhäusern und Hochhausgruppen innerhalb der Stadt. Dass Hochhäuser keine per se nicht-nachhaltigen Gebäude sind, sollte dabei bekannt sein.

Ich denke, es sollte diskutiert werden, und zwar bevor eine weitere Ausdehnung Berlins entlang der großen Straßen, der S- und U-Bahnlinien in die Umgebung der Stadt hinaus weiterverfolgt wird, ob dies denn wirklich der richtige Weg ist. Wir müssen uns vor Augen halten, dass der Materialverbrauch für den Bau der Infrastruktur bei Streusiedlungen und wenig dichter Wohnbebauung nahezu doppelt so hoch ist wie der für die Errichtung der Gebäude selbst. Dasselbe gilt für die damit zusammenhängenden Emissionen, die ja nicht nur durch die europäischen Vorgaben, sondern, seit wenigen Wochen, auch durch die verschärften Vorgaben der Bundesregierung endlich in den Fokus der Betrachtungen gerückt wurden. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang im Klaren darüber sein, dass die geforderten Emissionsreduktionsziele bei weitem nicht allein durch Maßnahmen zur Energieeffizienz, das heißt durch Maßnahmen zur Reduzierung der für Heizen und die Warmwasseraufbereitung erforderlichen Energiemengen erreicht werden können. Die angekündigten Forderungen nach einer Emissionsreduktion von 55% innerhalb der kommenden 10 Jahre und weiteren 45% bis 2050 bedeuten viel mehr die Notwendigkeit, und zwar die radikale Notwendigkeit eines Umdenkens insbesondere beim Weiterbau unserer Städte. Wir müssen zukünftig mit weniger Material für mehr Menschen emissionsfrei bauen. Die Zusammenhänge zwischen Materialverbrauch, Emissionen und Energieverbrauch dürfen dabei nicht allein auf die Gruppe der Gebäude bezogen werden. Sie müssen die Infrastrukturmaßnahmen sowie das damit zusammenhängende Mobilitätsverhalten ebenfalls mit in Betracht ziehen. Nur eine hohe innerstädtische Dichte führt zu einer Abnahme des Autoverkehrs, was wiederum zu einer Abnahme der Anzahl der Parkplätze, eine Reduktion der befahrenen Straßenflächen, reduziertem Abgasausstoß und einem reduzierten Geräuschpegel in unseren Städten führt. Die vorgenannten Aspekte scheinen in der vorgelegten Planung allerdings übersehen worden zu sein.

Jedes weitere in die Umgebung Hinauswachsen bedeutet eine weitere Versiegelung von Flächen. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass diese Flächenversiegelung nicht nur zum schnelleren Abfließen von Regenwasser und damit zu einem rapiden Ansteigen der Pegel der Flüsse und zu Überschwemmungen genauso wie zu einem Absinken der Grundwasserspiegel führt, sondern dass dadurch auch ein Verlust an Grün bedingt ist und eine Externalisierung der versiegelten landwirtschaftlichen Fläche bewirkt wird. Da die Menschen zukünftig nicht weniger essen wollen als bisher, führt eine Versiegelung von Flächen in Deutschland zu Rodungen an anderen Stellen der Welt. Wälder werden gerodet, um dort diejenigen Früchte anpflanzen zu können, deren Einbaufläche bei uns verloren gegangen ist. Da beispielsweise der Boden des Urwalds in Brasilien eine um das nahezu vierfach geringere Fruchtbarkeit aufweist als deutsche Ackerböden bedeutet dies, dass das Versiegeln von einem Quadratmeter landwirtschaftlich genutzter Fläche in Deutschland zur Rodung von 4 Quadratmeter Regenwald u.Ä. an anderer Stelle dieser Erde führt. Bereits heute werden ca. 16% der gerodeten Flächen des Amazonas-Regenwaldes für das Anpflanzen von Ackerfrüchten für den europäischen Markt genutzt. Tendenz: Steigend. Dass dies so nicht länger hinnehmbar ist, ist seit langem bekannt. Dass die Stadtplanung auf diese Zusammenhänge keinerlei Rücksicht nimmt und weiterhin in großem Umfang Flächen versiegeln will, ist unverständlich.

Ich plädiere also an dieser Stelle vehement dafür, ein weiteres Hinauswachsen von Berlin in die umgebende Natur einzudämmen. Und ich plädiere dafür, die zunehmende Bevölkerung durch eine Verdichtung innerhalb der bestehenden Stadt, insbesondere aber auch durch den Bau von Hochhäusern und Hochhausgruppen aufzunehmen. Der Hochhausbau hat sich, gegenüber seinem Stand zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts umfassend weiterentwickelt. Wir verfügen über Technologien zum materialsparenden Bauen und zum energieeffizienten Betreiben von Hochhäusern. Wir verfügen über genügend Methoden zur Begrünung wie zur Energiegewinnung an den Außenflächen der Häuser selbst. Und wir verfügen über genügend architektonisches Wissen und Können, um die Aufenthaltsqualität in Hochhäusern, insbesondere aber im Straßenraum um diese Gebäude, sehr attraktiv zu gestalten.

Werner Sobek

Werner Sobek erstellt am
Referenznr.: 2021-12347

Kommentare