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Stadt statt A 104 – AIV fordert Abriss der gesamten ehemaligen A 104

Stadt statt A 104 – AIV fordert Abriss der gesamten ehemaligen A 104 in Berlin / Modellprojekt des zukünftigen Stadtumbaus möglich

Weitere Informationen zur A 104: Die Hochstraße A 104 über dem Breitenbachplatz wurde am 11. Juni 1980 eingeweiht. Die massive Betonkonstruktion zerstörte den 1921 bis 1925 in Süd- West-Richtung zwischen Friedenau und Dahlem angelegten Breitenbachplatz, eine der bedeutendsten Platzanlagen der Weimarer Republik in Berlin. An diesem einst besonders schönen Platz steht unter anderem das Knappschaftsgebäude des Architekten Max Taut. Der durch die Stadtautobahn angelockte Autoverkehr hat den Platz in einen Verkehrskreisel verwandelt und die Parkanlage zwischen den U-Bahn Eingängen abgesperrt.

Wegen dieser stadtzerstörenden Wirkung und weil die Hochstraße keine Funktion mehr hat, gibt es seit Jahren aus dem kommunalpolitischen Bereich die Forderung nach dem Abriss. Das forderte schon bei der Einweihung 1980 die Bürgerinitiative Westtangente und seit 2012 die Bürgerinitiative Breitenbachplatz mit ihrem jüngst verstorbenen Vorsitzenden Ulrich Rosenbaum. Die Betonbauwerke sind überdies marode geworden, weshalb eine Richtungsentscheidung zwischen Sanierung oder Abriss unmittelbar fallen muss.

Im Juni 2019 übernahmen die Abriss-Position mit Ausnahme der AfD sämtliche Fraktionen der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Zuerst in einem Antrag der oppositionellen CDU formuliert, wurde das von der rot-rot-grünen Koalition übernommen. Gegenstand des Antrags der Koalition war aber nicht der Abriss, sondern eine Aufforderung an den Senat, „im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zu untersuchen, unter welchen städtebaulichen, verkehrlichen, ökologischen und finanziellen Rahmenberechnungen der Rückbau der Autobahnbrücke und die Neugestaltung des Breitenbachplatzes möglich ist.“

Obwohl es um eminente Fragen der Stadtentwicklung geht, wurde eine Machbarkeitsstudie nicht etwa von der Stadtentwicklungsverwaltung, sondern von der von den Grünen geführten Verkehrsverwaltung in Auftrag gegeben.

Der Abriss der Brücke über den Breitenbachplatz setzt (eigentlich) voraus, dass die gesamte Stadtautobahn zwischen Hohenzollerndamm und Schlossstraße in den Blick genommen wird. Durch die begrenzte Sichtweise der Bürgerinitiative auf den „Rückbau“ der Autobahnhochstraße wird aber das eigentliche Problem des Autoverkehrs auf dem verbleibenden Abschnitt des Stadtautobahnabzweiges A 104 zwischen Hohenzollerndamm und Schlossstraße / Westtangente ausgeklammert.

Mit der Machbarkeitsstudie beauftragt wurde die Ingenieursgesellschaft Hoffmann-Leichter mit dem Unterauftragsnehmer „Gruppe Planwerk“. Das Ergebnis soll im Juni 2021 vorliegen. Bei der Untersuchung wird zwar auch die Nicht-Nutzung des Tunnels als Teil der Autobahnüberbauung betrachtet. Die nicht mehr verkehrsnotwendige gesamte ehemalige A 104 ist aber kein Gegenstand stadt- und verkehrspolitischer Betrachtungen. Das ist jedoch als Grundlage für eine Mobilitätswende notwendig. Der Abzweig Wilmersdorf ist ein Stück gebauter West-Berliner Stadtpolitik der geteilten Stadt. West-Berlin, Partnerstadt von Los Angeles, setzte auf ein Stadtautobahnsystem in Form von Ringtangenten. Dazu gehörten, ganz im Bild der ungeteilten Stadt gedacht, der Ring parallel zur S-Bahn (A 100) und die vier Tangenten (West, Nord, Süd und Ost). Sie sollten die nun in Ost-Berlin gelegene Innenstadt einfassen. Ein besonderes Netzteil dieser autogerechten Stadtlandschaft bildet der Abzweig Wilmersdorf, über den man besonders schnell mit dem Auto über die Westtangente in das damalige neue Verwaltungszentrum West-Berlin am Fehrbelliner Platz gelangen sollte. Auf den Bau der West-, Süd- und Osttangente wurde in den 1970-iger und 1980-iger Jahren verzichtet. Die Realisierung des Abzweiges Wilmersdorf vom Breitenbachplatz zur Westtangente wird 1978 gestoppt. Damit existiert hier nach über 40 Jahren Baustopp und vor allem nach der Wiedervereinigung mit dem historischen Zentrum ein Fragment der autogerechten Leitbildvorstellungen des West- Berliner Senats.

Nur eine Mobilitätswende kann verhindern, dass diese Fragmente der gebauten Utopie der autogerechten Stadt mit ihren Stadtautobahnhochstraßen und Zufahrtsrampen (nicht nur) erhalten bleiben. Zudem besteht die Gefahr, dass die Autobahnbauwerke als gebaute Dokumente West-Berliner Stadtzerstörung durch eine millionenschwere Sanierung wieder jahrzehntelang erhalten werden müssen. Die mit der Autobahnplanung entstandenen Denkmale „Schlange“ und der „Bierpinsel“ können auch ohne sie gut bestehen.

Der Termin der Vorlage des Gutachtens (Juni 2021) bedeutet, dass die naheliegende Entscheidung über den Abriss der Hochstraße auf einen Zeitpunkt nach den Abgeordnetenhauswahlen (September 2021) verschoben wird. Die Chance einer neuen Nutzung und Gestaltung der ehemaligen Autobahntrasse wird so unnötig verzögert.

Tobias Nöfer erstellt am
Referenznr.: 2021-12088

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