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Hochhausentwicklungskonzept

Hochhauskonzept City West

210517 Anregungen und Kommentar Hochhausplanung City West Berlin

KEES CHRISTIAANSE

 

Sehr geehrte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen,

 

im Rahmen des von Ihnen angebotenen Beteiligungsverfahrens würde ich Ihnen gerne meine Anregungen zum Entwicklungskonzept City West erläutern. Die Inhalte des Entwicklungskonzeptes kann ich weitgehend nachvollziehen. Allerdings habe ich eine andere Meinung zum Hochhausentwicklungskonzept. Ich beschränke mich hier auf städtebauliche und weniger auf soziale, programmatische und wirtschaftliche Aspekte.

 

Als Architekt und Stadtplaner habe ich im internationalen Kontext mehrere Masterpläne mit einem substanziellen Hochhausanteil erstellt und mehrere Hochhäuser realisiert. Ich komme aus Rotterdam, wo man keine grossen Berührungsängste mit Hochhäusern hat.

 

Für die Firma Signa habe ich eine Studie zu möglichen Hochhausentwicklungen auf der Karstadtparzelle am Kurfürstendamm durchgeführt und im Baukollegium vorgestellt, wo die Ergebnisse der Studie abgelehnt wurden. Als Mitglied des Baukollegiums war ich für dieses Projekt in den Ausstand getreten. Es ist gut, dass das möglich ist, und es ist auch gut, dass Mitglieder des Baukollegiums unterschiedliche Meinungen über fachliche Angelegenheiten haben.

 

Meiner Meinung nach gibt es städtebaulich-typologisch verschiedene Hochhaustypen. Es gibt u.a. Hochhauskonzentrationen an zentralen Lagen (z.B. Londoner City), Grosswohnsiedlungen in der Peripherie (Marzahn), einzelne Hochhäuser im Stadtgewebe (z.B. Deutsche Rentenversicherung Hohenzollern Damm) , gezielte Hochpunkte oder Ensembles an neuralgischen Punkten (z.B. Ernst Reuterplatz), inzwischen wieder einen Trend zu peripheren Hochhäusern ( z.B. Edge East Side Tower), und Hochhausketten (z.B. an attraktiven Wasserfronten).

 

Die City-West kann in diesem Sinne als Hybrid zwischen einer zentralen Hochhauskonzentration und gezielten Hochpunktensembles betrachtet werden. Offensichtlich gibt es wirtschaftliche Kräfte für eine Verdichtung mit Hochhäusern in dieser Zentralität, welche durch zentrale Einrichtungen und eine gute ÖPNV-Anbindung ein typisches TOD (Transit Oriented Development) bildet. Andererseits gibt es in Berlin traditionell eine behördliche Gegensteuerung gegen “anarchistische” Hochhauskonzentrationen. Im Idealfall führt dies zu einem produktiven “Contrôle et Laissez-faire” zwischen Entwicklungsdruck und Regulierung, eine Art Freiheit in Gebundenheit, worauf auch viele meiner städtebaulichen Masterpläne basieren.

 

Die hybride Hochhauskonstellation im Gebiet um Bahnhof Zoo und Breitscheidplatz weist  meiner Meinung nach ein Ungleichgewicht im Contrôle et Laissez-faire auf. Die beiden Türme Park One, auch Zoo-Fenster genannt, und Upper West erzeugen eine Asymmetrie innerhalb der Sanduhr-förmigen Konfiguration, die einerseits von der Hardenbergstrasse-Budapesterstrasse und andererseits von der Kurfürstendamm-Tauenziehenstrasse gebildet wird, mit dem Breitscheidplatz und der Gedächtniskirche als Kern und dem Turm des Europazentrums als “Stopper”.

Zwar tritt das Park One Gebäude durch seine Turm-Scheibenform mit dem Hutmacherhaus in Dialog, die drei Gebäude bilden aber weder ein in sich vollständiges Ensemble, noch sind sie gut lesbar als gezielt positionierte Solitäre.

Die Unvollständigkeit und Asymmetrie des Ensembles zeigen sich deutlich in den Perspektiven in Ost- und Westrichtung entlang dem Kurfürstendamm. Ein zusätzlicher Hochpunkt auf der Karstadtparzelle am Ku’damm als Pendant zum Upper West, Park One und Hutmacherhaus würde  das Ensemble bogenförmig fortschreiben und die Symmetrie im städtebaulich sehr spannenden Sanduhr-Gerüst wieder herstellen, was sich auch positiv auf die städtebauliche Einrahmung der Gedächtniskirche auswirken würde.

 

Die Perspektive vom Ku’damm in Richtung Osten wird weiter problematisiert durch die Situation am Kranzlereck. Die Gegenüberstellung vom Swisshotel, Dorint Hotel, Allianz Haus und der Glasscheibe des Kranzlerecks bilden eine Art disharmonisches Ensemble mit einem störenden Einfluss auf den lokalen Massstab und das Verhältnis zu den Türmen. Diese sind einerseits viel höher als die umliegende Gründerzeitbebauung, und andererseits wirken sie durch das Höhe-Breite Verhältnis massiv und klotzig. Das Swisshotel präsentiert sich dabei eher als Sockel eines (fehlenden) Turms und weniger als eigenständiger Baukörper. Ein Hochhausprojekt auf der Karstadtparzelle würde die Störung dieser Perspektive korrigieren.

 

Eine weitere Anregung betrifft das Gebiet Hirschallee - TU-Berlin Campus – Ernst Reuterplatz. Meine Empfehlung hier ist, diese Gebiete insgesamt unter einem Hochhaus-Konzept zusammen zu fassen, anstat wie jetzt vorgeschlagen in vier Kategorien zu unterteilen.

Als ehemaliger TU-Berlin Professor erachte ich es als wichtig, dass die beiden Campushälften nördlich und südlich der Strasse des 17. Juni möglichst unter einem gemeinsamen städtebaulichen Konzept weiterentwickelt werden – auch mit klaren Fussgängerverbindungen -, damit der städtebauliche Zusammenhang weiter gestärkt wird.

Meines Erachtens gibt es keine städtebaulichen Gründe, das Hirschalleegebiet städtebaulich anders zu behandeln. Es wäre besser, wenn Campus und Hirschallee als Kontinuum gelesen würden.

Der Ernst Reuterplatz bildet einerseits ein wichtiges Erbe und ein typisches städtebauliches Ensemble eines neuralgischen Knotens. Andererseits ist er auch eine überdimensionales städtebauliches Relikt der autogerechten Stadt. Da das Telefunkenhaus mittlerweile zur TU-Berlin gehört, hat der Ernst Reuterplatz zudem eine repräsentative Funktion für die Hochschule inne.  Ich bin daher der Meinung, dass der Ernst Reuterplatz nicht “eingefroren” werden sollte, sondern eine angemessene Transformation und Verdichtung – auch mit höheren Häusern – verdient.

Ein gutes Hochhauskonzept ist hier angemessener als beim Hirschallee Gelände, das relativ versteckt liegt.

 

Dann noch eine Anregung für das Gebiet östlich des Breitscheidplatzes, das in der Plankarte mit Hochhauskategorien als “Eignungsbereich für ergänzende Hochpunkte” angedeutet wird.

Hier kann man sich in meiner Vision eine Deregulierung vorstellen, wobei Hochpunkte erlaubt sind, so lange sie keine Beeinträchtigung in der Form von Verschattung, Licht und Sonne, Wind, etc erzeugen. Eigentlich gemäss dem Berliner Hochhausleitbild, aber mit präzise formulierten Befreiungen, die ein Quartier mit vielen Hochpunkten schafft, welche keine riesigen Solitäre bilden, sondern eine Art Hochhauslandschaft mit einer kräftigen städtebaulichen Kohärenz.

 

Zum Schluss, nach meiner Erfahrung wird im deutschsprachigen Raum beim Stakeholder Management zu viel gestritten und zu wenig bilateral kommuniziert und abgestimmt. In den Niederlanden vermeiden wir diese extreme Polarisierung erfolgreich indem wir mit einander “poldern”, bis wir einen Kompromiss haben.

 

Mit freundlichen Grüssen

Kees Christiaanse

 

 

 

 

 

kees erstellt am
Referenznr.: 2021-11933

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