Kein Kiez. Kein Autobahnzubringer. Aber lebenswert und urban und wieder ein Platz
Ekkehard Brunn
27.1.2021
Variante 1.A-II: Kein Kiez. Kein Autobahnzubringer. Aber lebenswert und urban und wieder ein Platz
Stellungnahme im Rahmen der Bürgerbeteiligung zur Verkehrsführung Breitenbachplatz
A
Es geht nicht um den Abriss einer Brücke, sondern um die Wiederherstellung des Breitenbachplatzes
Wesentliche Hindernisse für eine Wiederherstellung des Platzes sind
1 die Zweiteilung des Platzes durch die Hochbrücke und ihren Auffahrten in ein eher respektableres Weststück und ein städtebaulich wertloses Oststück
2 die monströse Disproportionalität von riesiger Betonmasse und feingliedrigen, denkmalgeschützten Bauten.
3 der mangelnde Zusammenhalt von Platzrand nord und süd, dem Platzinneren sowie den Zufahrten ost und west:
also von der Platzrandbebauung mit Wohnungen und Geschäften an der Südseite und der Nordseite, von der Erholungsfläche im Inneren sowie den zwei städtebaulich gestaltlosen Reststraßenstücken Südwestkorso im Osten und Anfang Schorlemerallee im Westen.
Anders ausgedrückt:
die beiden "Backen" des Platzes,
der "Kern" des Platzes sowie
die "angeflanschten" zwei Reststücke
werden als 5 getrennte städtebauliche Räume wahrgenommen.
Der Breitenbachplatz zerfällt in 4 Seitenstücke und die Mitte.
4 die Führung des Durchgangsverkehrs von Berlin und Umland süd und südwest von und nach Berlin Mitte über Altensteinstraße, Englerallee, Anfangsstück Schorlemerallee, Breitenbachplatz und Stadtautobahn.
Vom Verkehrsfluss her gesehen besteht ab Englerallee mit abknickender Vorfahrt zum Anfangsstück Schorlemerallee und über den Breitenbachplatz hinweg ein flüssiger Autobahnzubringer.
5 der lukrative Besatz an Gesundheitsdienstleistern von Augenheilkunde über Orthopädie bis Bestattung. Es fehlt der Babyausstatter -was eine deutliche Aussage über die primäre Kundschaft macht.
6 die Unwirtlichkeit des Platzes mit den absterbenden Kastanien, dem deplatzierten Spielplatz, dem mangelnden Zugang und dem umspülenden Verkehr,
also der mangelnden Aufenthaltsqualität
Ergebnis:
der Breitenbachplatz erfüllt kein Kriterium eines urbanen Platzes:
-->der historische Platz
1 ist zweigeteilt statt ein Gesamtplatz
2 ist architektonisch seines Gesamtbildes beraubt
3 zerfällt städtebaulich in 5 Restflächen
4 wird als Durchgangsstraße benutzt,
5 ist gewerblich einseitig genutzt
6 lädt nicht zum Verweilen ein
B
Zur Wiederherstellung des urbanen Breitenbachplatzes ist es zwingend erforderlich:
1 die Hochbrücke zurückzubauen um die Zweiteilung rückgängig zu machen
2 damit auch die Bebauung des Platzes von dem Übermaß des Betons zu befreien
3 die 5-Teilung des Platzes aufzuheben: durch Sichtachsen, Querwege, zusammengehöriger und einheitlich erlebbaren Gesamtbepflanzung von Südwestkorsostück im Osten, Mittelstreifen Schorlemerallee ab Englerallee im Westen, Nord- und Südseite des Platzes und der Innenfläche.
4 die Verkehrsführung ist allerdings eine überörtliche städtebauliche Entscheidung: Kein Durchgangsverkehr bedeutet Kiez. Überörtlicher Verkehr bedeutet: alles wie bisher!
-->dazu unten meine Stellungnahme zu den Varianten
5 eine gewerbliche Umnutzung kann man nur erhoffen. Aber ohne eine Überörtlichkeit wird sich der Charakter der Gesundheitsdienstleistung erhalten, weil dies ein örtlicher Bedarf ist
6 eine Aufenthaltsqualität kann nur mithilfe eines gewissen Maßes an überörtlichem Flair erwartet werden.
C
Die Varianten der Verkehrsführungen
Vorbemerkung
Hier muss zuallererst der Charakter des Breitenbachplatzes erkannt werden, wie geplant und geworden:
Variante 3 macht den Platz zum Mittelpunkt eines Kiezes, Variante 1.A-II behält den durchbrausenden, überörtlichen Verkehr bei.
Der Breitenbachplatz war aber historisch nie ein Rüdesheimer Platz oder ein Ludwig-Barnay-Platz, er war seit dem Bau der künstlerisch durchgestalteten U-Bahn für das betuchte westliche Publikum in Richtung KaDeWe ein überörtlicher, zentraler Platz mit Bus, Bahn, Taxen.
Der Breitenbachplatz sollte auf der Linie Argentinische Allee-Schorlemerallee-Südwestkorso-Kaiserallee (Bundesallee) einen Mittelpunkt geben. Zudem war er mit acht Einmündungen wie ein Straßenstern konzipiert.
Das war kein ruhiger Park, sondern ein Platz, der die Stadt in die vornehmen Wohngebiete in Dahlem öffnete: ab dem man über die Schorlemerallee aus der Stadt in das Grün flaniert, ab dem die Straßen Mittelstreifen mit Baumbestand haben und ab dem die großstädtische Blockrandbebauung mit Mietwohnungen in die offene Villenbebauung mit Privateigentum übergeht.
Ein Kiezplatz war der Breitenbachplatz nicht.
Aus heutiger Sicht wäre ein Kiezcharakter auch nicht wieder zu erreichen, falls man das wollte. Der Verkehrsfluss kann nicht über Umwege in andere Straßen abgeleitet werden.
Im Gegenteil: der überörtliche Verkehr muss ab Englerallee bis Schildhornstraße und Südwestkorso abgebremst werden, entschleunigt werden, damit die Aufenthaltsqualität wiedergewonnen wird, man den Platz wieder queren kann und auch wieder Interessierte, Kunden, Gaststättenbesucher von bisschen außerhalb "hängen" bleiben. Und der Verkehr sich aufteilt.
So vergangen das heute klingen mag: der "Schlecker" in der heutigen "Tagesbar" hatte zum Anhalten und Einkaufen geführt (die Kunden standen immer in meiner Einfahrt in der Spilstraße 9.)
--------> Variante 3:
--------> Ich halte aus Sicht des Erhalts bzw. der Wiedergewinnung des historischen urbanen Charakters des Breitenbachplatzes die Variante 3 für ungeeignet.
Variante 2.A-I
Diese Variante erschließt sich mir nicht.
Tunnel nur in eine Richtung? Und der Verkehr der anderen Richtung geht wo entlang? Innsbrucker Platz?
Ein Radweg durch den Tunnel, aber wohin? Rechts und links kann man ohne dunklen Tunnel ja vorbeiradeln.
Eine Busspur trotz des im Tunnel immer flüssigen Verkehrs? Stau ist erst in der Schildhornstraße und am Hohenzollerndamm oder bei der Auffahrt zur Stadtautobahn!
Irgendwie ist mir das städtebaulich verknotet gedacht. Der PKW-Verkehr muss auch gewährleistet sein, so wie die anderen Verkehre. Wir sind nicht in einer Innenstadt.
Ich bin der Meinung, dass der Durchgangsverkehr entschleunigt, gespurt, mit Anhaltereizen gestaltet werden muss.
--------> Variante 2.A-I
--------> Ich halte die Variante 2.A-I mit zuviel Detailproblemen befrachtet und städtebaulich für zu kleinteilig.
Variante 1.A-II
Bei dieser Variante würde der erwünschte überörtliche Verkehr nicht abgedrängt, sondern durch Fahrbahneinschränkung, Radwege auf den jetzt zweiten Spuren -wie schon bei Südwestkorso und Englerallee- , Tempo 30, erheblich entschleunigt.
Das würde zu einer Aufspaltung des eiligen Durchgangsverkehrs und des angemessenen Durchgangsverkehrs führen. Die Hastigen die Stadtautobahn entlang, die mal Einkaufenden oder örtlich Interessierten hier entlang.
Bedingung ist die radikale Entschleunigung. Dann wird der Platz wie ein Platz kreuz und quer genutzt, dann halten PKW mal an, dann ist das Verkehrsgebrause abgeschwächt.
Man kann das heute schon beobachten, wenn auf der Nordseite der Lieferverkehr die zweite Spur besetzt und nicht schneller als 30 gefahren werden kann. Und wenn vom Trödelmarkt her zum Bäcker gequert wird.
--------> Die Variante 1.A-II ist aus dieser Sicht optimal:
-->der Platz wächst wieder zusammen,
-->der örtliche und örtlich interessierte Verkehr tuckert so durch,
-->der schnelle überörtliche Verkehr bleibt auf der Stadtautobahn,
-->Brücke und Beton sind weg,
-->die Schlangenbader Ab- und Auffahrten bleiben bestehen
-->der Platz kann mit Wegen und Sichtachsen in alle Richtungen erlebt und gequert werden
-->man verweilt an jedem Punkt mit dem Gefühl eines Platzes von Bebauung bis Bebauung, mit einer Begrenzung ringsum
-->die Gestaltung mit Grün und Wegen kann von Platzrand bis Platzrand gezogen werden, von Südwestkorso bis Englerallee, von Nordseite bis Südseite.
-->man darf hoffen, dass dann wieder Kundschaft und Besucher und Anwohner verweilen, die eher andere Bedürfnisse an das Gewerbe herantragen als zurzeit.
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NB:
der Unterschied zur historischen städtebaulichen Situation ist, dass man bei dieser Variante 1.A-II beibehält , dass das Anfangsstück der Schorlemerallee städtebaulich zwischen die Englerallee und den Breitenbachplatz eingebunden bleibt, so wie heute der Hauptverkehr geht und so wie die historische Bebauung und der Gewerbebesatz anzeigen..
Eine nicht repräsentative Umfrage hat ergeben, dass Anwohner ganz überwiegend davon ausgehen, dass die Schorlemerallee sowieso erst ab der "Versuchssiedlung Schorlemerallee" beginnt, also erst ab der Kreuzung mit Spilstraße/Englerallee in Richtung Dahlem zur Probielskiallee....
Dass die Korso-Apotheke Schorlemerallee Nr.1 ist, sehen Viele mit Erstaunen auf den Kassenbons.
Zu deutlich schwingt sich der Mietgeschoßbau der denkmalgeschützten Blockrandbebauung des Breitenbachplatzes in geschlossener Bauweise in die Spilstraße hinein und zu deutlich beginnt die private Einfamilienhausbebauung ab Spilstraße/Englerallee mit den weißen Häusern der Versuchssiedlung Schorlemerallee.
Ab dort beginnt heute der Mittelweg der Fliederallee, hier starten die Spaziergänger, und Jogger/innen, hierher wechseln die Kids auf ihren Rädern vom Radweg zwischen die beiden Baumreihen in Richtung Domäne Dahlem und Grunewald.
Ich sehe das täglich aus meinem Büro.
Ekkehard Brunn
Dr.-Ing. Stadtplaner
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