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Ergebnisse des Landesnetzwerks Bürgerengagement auf dessen 52. MV

Infrastruktur für Engagement

Nie war Zivilgesellschaft so wichtig!

Elemente einer Berliner Engagementstrategie

Ergebnisse der 52. Mitgliederversammlung vom 21.08.2019 / Redaktion SR 26-09-2019

 

In einem rund eineinhalbjährigen Entwicklungsprozess haben die Mitglieder und Interessierte des Landesnetzwerks Bürgerengagement Berlin über Elemente für eine Berliner Engagementstrategie beraten. Dabei waren die folgenden fünf inhaltlichen Schwerpunkte das Ergebnis und wurden am 21.08.2019 verabschiedet. Das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin ist nun bestrebt, diese Elemente an den Berliner Senat und das Abgeordnetenhaus heranzutragen.

 

  1. Beteiligung ist Engagement – Engagement ist Beteiligung! Wir fordern daher, dass in den Einrichtungen und an den Orten der Beteiligung eine demokratieförderliche und fachkompetente Unterstützung ermöglicht werden soll, die es vor Ort erlaubt, dass Betroffene oder Engagierte zu Beteiligten werden. Als Vorbild wird auf die Landesstelle für Antidiskriminierung Berlin verwiesen, wo Seminare für Multiplikator*innen und Fachinteressierte, Prozessbeteiligte etc. abfragbar sind. Wir fordern die Einrichtung einer Landesstelle für Beteiligungsformen und -strategien Berlin. Erst damit kann das Anliegen der jetzigen Koalition zur Umsetzung der Leitlinien Partizipation in allen gesamtstädtischen Diskursebenen umgesetzt und greifbar werden, und alle Menschen in der Stadtgesellschaft – ganz besonders junge – können besser einbezogen und gewürdigt werden. Im Sinne von Bildung für Demokratie in allen Teilen der Stadtgesellschaft wird ein Demokratie-Tag wie in Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit der Berliner Landeszentale für Politische Bildung sowie dem Bündnis Bildung für eine demokratische Gesellschaft vorgeschlagen.  
  2. Freiwilligenmanagement ist inzwischen eine multidisziplinäre Form des Changemanagements und der Leitung und Führung von Engagierten. Die in diesem Berufsfeld Tätigen brauchen eine angemessene Anerkennung ihres Anforderungs- und Leistungsniveaus, ausgedrückt in einer höheren tariflichen Zuordnung, das entspricht TV 11. Es ist die Aufgabe der Fachpolitik, auf diesen Zuwachs an Kompetenz und Verantwortung zu reagieren. Es gilt, die notwenige Neubewertung des Freiwilligenmanagements durch Verbesserung der Rahmenbedingungen (Einführung von Veranstaltungsbudgets, Stabsstellen auf strategischer Eben, tarifliche Anhebung) zu ermöglichen.  
  3. Freiwilligenagenturen sind die Knotenpunkte im Netz des Engagements – sie erwarten daher vor allem politische Verlässlichkeit, d.h. eine dauerhafte und stabilisierende Förderung durch das Land Berlin. Freiwilligenagenturen benötigen Standards als Form der Übereinstimmung einerseits und lokalräumliche Flexibilität ihrer Aufgaben vor Ort andererseits. Als Einrichtungen müssen sie vielfältigen Austausch mit allen anderen Akteuren praktizieren können (überbezirklich, überverbandlich), aber auch Kapazitäten und Energien für eine überbezirkliche Zusammenarbeit erhalten, also nicht nur für die lokale Arbeit budgetiert sein.  
  4. Interkulturelle Öffnung (kurz: IKÖ) ist für die Öffentliche Verwaltung eine zwingende Notwendigkeit, wenn sie die gesellschaftliche Vielfalt unserer Stadt spiegeln soll. Auch in den Organisationen der Zivilgesellschaft wird eine diversitätsoffene Haltung angestrebt. Mit IKÖ können sowohl umfassende Partizipations- und Integrationsprozesse gelingen als auch die Vielfalt in der Engagementlandschaft gefördert werden. Diversität soll als soziales Kapital verstanden und eingesetzt werden. Der Senat von Berlin wird aufgefordert, die von ihm geförderten Einrichtungen mit einem Qualitätssiegel (Selbstverpflichtung), Qualifizierungs- und Beratungsangeboten in Prozesse der IKÖ einzubinden. Es gilt die Förderung der Teilhabe von Migrant*innenorganisationen als Brücken in ihren Communities zu unterstützen sowie die Interessensvertretungen von Migrant*innen an Freiwilligendiensten auszubauen. Die Finanzierung eines Servicezentrums wird benötigt – analog der BFD-Projekte des Landes Berlin 2017-2019 – mit flankierenden Beratungen und Dienstleistungen. Durch diesen Prozess muss der Begriff der Migrant*innen und Geflüchteten im Sinne des AGG in den Hintergrund treten können, um ihre aktive Teilhabe oder ihr Engagement für die Stadtgesellschaft in den Vordergrund zu stellen. Altersgerechtigkeit und Gendergerechtigkeit sollen im Sinne der Gleichstellung realisiert und umgesetzt, und die Vereinbarkeit von Engagement und Berufstätigkeit im Sinne neuer Arbeitszeitmodelle und Freistellung durch die Politik vorangetrieben werden.  
  5. Infrastrukturförderung ist da notwendig, wo Netzwerke der Zivilgesellschaft die wichtige Zusammenarbeit zwischen den vielfältigen Akteuren und Handlungsebenen in der Stadt moderieren. Viele neue und übergreifende Entwicklungen und Synergien werden so erst ermöglicht. Das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin erfüllt diese Funktionen bereits seit 2005 aus ehrenamtlicher Kraft und sie werden immer bedeutsamer für den sozialen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit unserer Stadtgesellschaft. Es ist höchste Zeit, seine Arbeit durch finanzielle Förderung anzuerkennen und die nur z.T. bestehende Netzwerkentwicklung durch die Landesfreiwilligenagentur Berlin auf eine Vollzeitstelle auszubauen.  
  6. Das bürgerschaftliche Engagement in Berlin sollte wesentlich mehr Präsenz in der Berliner Öffentlichkeit erhalten: wir fordern mehr Sichtbarkeit der gesellschaftlichen Vielfalt, des Meinungspluralismus und der Möglichkeit zur demokratischen Teilhabe durch mehr digitale Vernetzung und die kompetente Unterstützung derselben. Ein barrierefreier und inklusiver „Berliner Digitalpakt“[1] wäre daher unsere Forderung für die Vernetzung der Bürgergesellschaft in Berlin.

 

[1] Ein Digitalpakt sollte die zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Ressourcen ausstatten, um sich digital zu vernetzen, um diese Infrastrukturen zu entwickeln, fachlich kompetent zu führen und für die Öffentlichkeit als Informations- und Teilhabe-Instrumente zu publizieren. Dabei sind digitale Barrieren zu vermeiden bzw. inklusive Web-Auftritte zu ermöglichen.

 

Carola Schaaf-Derichs erstellt am
Referenznr.: 2019-05320

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