Kapitel 5: Prozessmodell
Einleitung
Durch Governance und Modelle zum Umsetzungsprozess, sollen ein eigenständiges Arbeiten von projektbasierten Teams erprobt und agile Entwicklungsprozesse ermöglicht werden. Teams werden nach Projektbedarf geformt und stärken so das ressort- und ebenenübergreifende Arbeiten in der Verwaltung.
Je nach Reifegrad eines Projekts bzw. einer Idee oder Problembeschreibung erfolgt die Planung und Umsetzung nach einem verschiedenen Muster.
- Planung einer Maßnahme - Vorprozess: Nach Entscheidung auf der strategischen Ebene, ob ein Problem behoben oder eine Idee realisiert werden soll, wird ein “Vorprozess” gestartet. Dieser bindet alle beteiligten Akteur:innen ein und hilft, das Maßnahmenumfeld zu erkunden und zu definieren. Am Ende soll dabei ein Mandat zur Umsetzung erteilt werden.
- Umsetzung einer Maßnahme - Begleitprozess: Wenn eine Maßnahme bereits in ihren Anforderungen, den beteiligten Akteur:innen und hinsichtlich ihrer Finanzierung definiert ist, bietet der Werkzeugkasten der Strategie “Gemeinsam Digital: Berlin” einen Begleitprozess an. Dieser Begleitprozess ist ein Angebot, welches auf die Anforderungen von Maßnahmen angepasst wird, sich jedoch an jeweils ähnlichen Prozessschritten und Prinzipien (“Prinzipien für gute Praxis”) orientiert.
Das Prozessmodell ermöglicht Akteur:innen mit Checklisten, Formaten und Unterstützungsangeboten die Bedingungen für erfolgreiche Maßnahmen gemeinsam herzustellen. So steht zu Beginn ein:e Initiator:in und am Ende ein Umsetzungsteam mit Mandat, Ressourcen, konsolidierten Anforderungen und klarem Problembewusstsein.
Planung einer Maßnahme - Vorprozess
Der Vorprozess soll helfen, eine Maßnahme zu definieren, bevor sie umgesetzt wird. Er hilft dabei, Klarheit zu schaffen und ein Mandat zur Umsetzung zu ermöglichen. Mehrere aufeinander aufbauende Bausteine sind das Rückgrat des Prozesses und bilden jeweils verschiedene Phasen und Aufgaben in einer Maßnahme ab. Dabei setzen die durch den Prozess definierten Einheiten in der Vorplanung einer Maßnahme ein, um das Problem zu erkunden, die Aufgaben systematisch zu betrachten und in Verbindung mit anderen Vorhaben und Best Practices zu bringen. Sie integrieren auch fest die Nutzer:innenzentrierung der Umsetzungsansätze.
Die konkrete Umsetzungsarbeit der Maßnahme beginnt nach dem ersten Durchlauf des Prozesses. Zur weiteren Bearbeitung von Teilaspekten kann dieser Prozess komplett oder in Teilen wiederholt werden. Im Umsetzungsprozess sind die für die effiziente Entwicklung von Maßnahmen notwendigen Bestandteile in folgenden Einheiten abgebildet, die idealerweise jeweils als kompakte Veranstaltung konzipiert werden:
- Zunächst wird der Rahmen für ein Vorhaben gesetzt. Dies beinhaltet die Zusammenführung von eventuell bereits vorhandener Projektansätzen sowie ressort- und ebenenübergreifender Arbeit. Der Maßnahmenumfang wird festgelegt und erste zentrale (transformatorische) Fragestellungen werden identifiziert. Damit beginnt das Vorhaben, in der gesamten Komplexität sichtbar zu werden.
- In einem weiteren Schritt wird in Bezug zu Maßnahmenumfang und Fragestellungen externes und internes Wissen zusammengeführt, um sicherzugehen, dass die richtigen Fragen gestellt und das Vorhaben in seiner Komplexität und den Abhängigkeiten möglichst weit verstanden wird.
- In einem Format der ressort- und ebenenübergreifenden Zusammenarbeit kann das Vorhaben auf Basis einer vorbereiteten Struktur formuliert und die Umsetzungsvorbereitung gemeinsam gestaltet werden. Dafür ist es notwendig, dass sich bereits zu diesem Zeitpunkt ein Umsetzungsteam (Projektteam) formt.
- Um die Umsetzung beginnen zu können, muss an dieser Stelle ein Mandat für die notwendigen Ressourcen erteilt werden. Das Mandat wird durch die politischen Leitungen der beteiligten Verwaltungen erteilt und etabliert das Umsetzungsteam auch formell.
- Über den gesamten Prozess hinweg wird mittels analoger und digitaler Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung sichergestellt, dass die breite Öffentlichkeit in die Entwicklung der Maßnahme einbezogen wird.
Diese Einheiten werden je nach Komplexität und Projektumfang einmalig, nur teilweise oder mehrmals durchlaufen. Wie in den konkreten Bausteinen methodisch gearbeitet wird, ist je nach Maßnahme zu bestimmen. Dabei ist auch zu beachten, dass sich die Anforderungen im Fortschritt der verschiedenen Umsetzungsphasen stark unterscheiden (s.o.).
Um die Umsetzung der Maßnahme konsistent darzustellen und in der Stadt transparent zu machen, werden die Ergebnisse in einer für diesen Prozess entwickelten Form dokumentiert. Diese Form ist für die öffentlich finanzierten Maßnahmen obligatorisch, um die Voraussetzungen für das gemeinsame Lernen zu schaffen.
Umsetzung einer Maßnahme - Begleitprozess
Für alle Maßnahmen, die in die Umsetzung gehen, gibt es einen Begleitprozess. Er stellt ein Angebot für Projektverantwortliche dar und richtet sich individuell nach den Bedürfnissen der Akteur:innen. Für diesen gibt es unterschiedliche Unterstützungsangebote, die auf bestehenden und noch zu entwickelnden Materialien und Ansätzen aufbauen. Als methodische Hilfestellung für die konkrete Umsetzung der Maßnahme dient beispielsweise das Handbuch für öffentliches Gestalten. Konkrete Materialien für einzelne Arbeitsschritte befinden sich aktuell in der Ausarbeitung.
Die Umsetzung einer Maßnahme besteht aus unterschiedlichen Phasen, wobei die einzelnen Prozessschritte und Werkzeuge je nach Größe und Umfang der Maßnahmen im Detail ausgestaltet werden. Gemeinsam ist allen Projekten, dass sie den Begleitprozess mit einer Phase der Demonstration beginnen, in der prototypisch ein erster Ansatz entwickelt, gebaut und getestet wird. In einer weiteren Phase geht das Umsetzungsteam dazu über, ihr Vorgehen aus den ersten Lernerfahrungen anzupassen, den Ansatz gegebenenfalls zu erweitern und die Maßnahme zu etablieren. Bei erfolgreicher Umsetzung werden die Maßnahmen skaliert und im letzten Schritt in den Betrieb und regelmäßige Aktualisierungen übergehen. Grundlegend ist, dass alle Maßnahmen, die mit öffentlichen Geldern gefördert werden, in den öffentlichen Lernprozess einzahlen und den Prozessverlauf transparent dokumentieren (siehe Kapitel 6).
Prinzipien für die gute Praxis
In der Umsetzung von Maßnahmen sollen sich Akteur:innen an den Prinzipien für gute Praxis orientieren. Diese wurden als Teil des Strategischen Rahmens zur Ausarbeitung der Berliner Smart City-Strategie vom Berliner Senat beschlossen. In der Ausarbeitung des Begleitprozesses werden diese Prinzipien operationalisiert.
Prinzip 1: Menschenzentriert und systemisch
Die Akteur:innen achten sowohl auf menschliche Bedürfnisse, als auch auf größere Zusammenhänge. Der Schutz und die Wiederherstellung natürlicher Lebensgrundlagen sowie globale Rahmenbedingungen sind dabei besonders wichtig.
Für die Gestaltung von “Gemeinsam Digital: Berlin” sind die Bedürfnisse der heutigen Bewohner:innen maßgeblich, ohne dabei die Interessen zukünftiger Generationen zu vernachlässigen. Planungs- und Umsetzungsprozesse werden frühzeitig für die Beteiligung der Berliner:innen geöffnet.
Digitale Maßnahmen und Projekte sind nur sinnvoll, wenn sie zu einer Stadt beitragen, die für alle lebenswert ist. Dafür müssen umfassende Veränderungen - lokal und weltweit - berücksichtigt werden.
Prinzip 2: Evidenzinformiert und vorausschauend
Die Akteur:innen verwenden vorhandene Daten, Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse, um Entscheidungen im Prozess gut vorzubereiten. Sie dokumentieren ihre Entwicklungen regelmäßig und lernen aus schwierigen Situationen.
Um einzuschätzen, ob und wie Maßnahmen einen Mehrwert für die Stadt und ihre Bevölkerung erzielen, werden messbare Anhaltspunkte um langfristige soziale, ökologische und ökonomische Kenngrößen erweitert.
Verwaltung und wissenschaftliche Einrichtungen kooperieren eng, um mögliche Zukünfte zu erforschen und durch Szenarien fiktiv zu erkunden. Auf diese Weise wird ein Prozess unterstützt, bei dem “Gemeinsam Digital: Berlin” sensibel für unvorhersehbare Entwicklungen bleibt.
Prinzip 3: Problembewusst und innovativ
Die Akteur:innen beziehen verschiedene Perspektiven, Wissensquellen und Erfahrungswerte ein, um Probleme besser zu verstehen. Lösungsideen werden in mehreren Runden mit vielfältigen Akteur:innen entwickelt.
Diejenigen, die von den Problemen betroffen sind, beteiligen sich an der Entwicklung von Lösungsansätzen. Verschiedene Varianten werden im Alltag getestet, um sie besser und nachhaltiger zu machen. Eine regelmäßige Beteiligung erhöht die Akzeptanz für Veränderungen.
Dabei muss nicht immer etwas Neues entwickelt werden. Manchmal gibt es bereits gute Ideen, die adaptiert werden können, um bestehende Probleme zu lösen. Dazu tauschen wir uns mit anderen Städten in Europa und auf der ganzen Welt aus.
Prinzip 4: Verantwortungsvoll und selbstbestimmt
Die Akteur:innen sind sich ihrer Verantwortung bewusst, Technologien diskriminierungsfrei und im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen. Abhängigkeiten von einzelnen Technologien sind zu vermeiden und individuelle Bürger:innenrechte zu wahren.
Die sich daraus ergebenden komplexen rechtlichen und ethischen Fragen müssen mit der breiten Stadtgesellschaft diskutiert werden. Im Dialog können wir unsere Demokratie schützen und den dynamischen, technologischen und ökologischen Entwicklungen gerecht werden.
Digitaler Wandel wird zukunftsoffen gestaltet. Der natürliche Lebensraum soll erhalten und die Handlungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen berücksichtigt werden.
Prinzip 5: Offen und vertrauenswürdig
Offenheit und Transparenz sind Voraussetzung für Innovation. Durch die frühe und breite Kommunikation von Ideen und Projekten werden Prozesse nachvollziehbar und viele Berliner:innen können mitreden.
Der Dialog zwischen Verwaltung, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft ist wichtig, um eine wirkungsvolle Strategie entwickeln zu können und Maßnahmen wirkungsvoll umzusetzen. Zusätzlich wird ein Austausch mit anderen Städten angestrebt, um die Entwicklungen von “Gemeinsam Digital: Berlin” zu bereichern.
Die gesammelten Daten und Informationen sind für alle da. Das heißt, sie werden so kommuniziert, dass sie für die Stadtgesellschaft verständlich und zugänglich sind. Ziel ist es, voneinander zu lernen.
Prinzip 6: Wirkungsorientiert und anpassungsfähig
Die Akteur:innen hinterfragen Ergebnisse und Wirkungen von Projekten. Während der Umsetzung werden die Maßnahmen kritisch reflektiert, um systemische Wechselwirkungen im Blick zu behalten.
Technologien entwickeln sich rasant weiter. Anpassungsfähigkeit ist notwendig, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber unvorhersehbaren Entwicklungen zu erhöhen. Indem „in der Welt“ gelernt wird, kann eine Arbeitskultur entstehen, in der Mitarbeiter:innen ihre Potentiale entfalten und sich weiterentwickeln können.
Flexible Strukturen, neue Prozesse und klare Rollen ermöglichen es, mit dem hohen Tempo der Digitalen Transformation Schritt zu halten und sie trotz der Komplexität verantwortungsvoll zu gestalten.
Prinzip 7: Kooperativ und divers
Die Akteur:innen sind vielfältig und schätzen ihre unterschiedlichen Stärken. Sie arbeiten gemeinsam an einer lebenswerten Zukunft und setzen sich aktiv für die Repräsentation von Gruppen ein, die bisher strukturell vernachlässigt wurden.
In den Projekten werden die Bedürfnisse von Menschen diversen Alters, Geschlechts und Herkunft berücksichtigt. Niemand wird diskriminiert oder benachteiligt. Inklusivität bedeutet auch das Mitdenken künftiger Generationen sowie das Mitdenken von Umwelt- und Klimaaspekten. Zukünftige Generationen und andere Lebewesen können über Vertretungen einbezogen werden.
Die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Berliner:innen spiegelt sich in den Maßnahmen wider. Digitale Angebote werden möglichst niedrigschwellig und barrierefrei geplant.
Prinzip 8: Kreativ und mutig
Die Akteur:innen sind einfallsreich und mutig. Sie gehen die Arbeit in den Maßnahmen kreativ an und probieren neue Dinge aus.
Die Kombination von einfallsreichem Denken und entschlossenem Ausprobieren ist erfolgversprechend, wenn bewusst experimentiert wird. Das bedeutet, festgefahrene Denkmuster zu verlassen und neue Wege zu gehen.
Scheitern ist ein notwendiger Teil kreativer Prozesse. Um daraus zu lernen, braucht es eine geschützte Umgebung, die in den Projekten mitbedacht werden muss. Diese Herangehensweise schafft eine neue Freiheit in der Entwicklung von Maßnahmen und Offenheit für neue Ideen. Das ermutigt auch die Berliner:innen, ihrer eigenen Kreativität mehr Raum zu geben.