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Ein gesamtstädtisches Bibliotheksentwicklungskonzept für Berlin

Öffentliche Bibliotheken sind mediengeprägte Bildungs-, Kultur- und Begegnungsorte, die jeder Bürgerin und jedem Bürger barrierefrei und entgeltfrei selbstorganisierte Bildungsprozesse und eine kulturelle Freizeitgestaltung ermöglichen. Aufgrund ihrer thematisch breit angelegten Angebote und ihrer flexiblen Arbeitsweise können sie schneller als andere Bildungs-, Kultur- und soziale Einrichtungen auf aktuelle Bedarfe der Stadtgesellschaft reagieren und damit auch zur Orientierung in gesellschaftlichen Veränderungssituationen beitragen.

Die Öffentlichen Bibliotheken Berlins sind mit rund 9,5 Mio. Besuchen pro Jahr die meistbesuchte Bildungs- und Kultureinrichtung der Stadt. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 3,75 Mio. im Jahr 2018 entspricht das durchschnittlich etwa 2,5 Besuchen je Einwohnerin und Einwohner im Jahr. Die Bibliotheken sind damit integraler Bestandteil des täglichen Lebens der Berlinerinnen und Berliner und damit schon heute ihr „Dritter Ort“[1]. Sie realisieren vielfältige Angebote, u.a. in den Bereichen Sprach- und Leseförderung sowie Medienkompetenzerwerb. Mehr als 426.000 Bürgerinnen und Bürger nahmen 2018 an entsprechenden Veranstaltungen teil, darunter etwa 165.000 Kinder und Jugendliche. Rund 11.700 Mitarbeitende aus Schulen und Kindertageseinrichtungen sind als Bibliotheksnutzende registriert. Die Webseite des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) zählte im Jahr 2018 ca. 21,3 Mio. Besuche.[2]

Diese Zahlen belegen, dass die Öffentlichen Bibliotheken Berlins bereits heute die Entwicklung und Stärkung der Berliner Stadtgesellschaft in vielfältiger Weise unterstützen. Sie eröffnen ein breites und niedrigschwellig zugängliches Angebotsspektrum, das alle Bürgerinnen und Bürger adressiert – gleich welcher Altersgruppe, kulturellen Herkunft und Milieus – und ermöglichen so kulturelle, soziale und digitale Teilhabe generationenübergreifend und gemeinwohlorientiert. Angesichts der hohen Dynamik technologischer wie auch gesellschaftlicher Entwicklung sind sie dabei permanent gefordert, ihre Angebote und Services in enger Orientierung an den sich ändernden Bedarfen der Metropole Berlin und ihrer Einwohnenden auszurichten und weiterzuentwickeln.

Vor diesem Hintergrund hat das Berliner Abgeordnetenhaus den Senat im September 2018 beauftragt, im Rahmen eines partizipativen Verfahrens unter Beteiligung der Bezirke ein Bibliotheksentwicklungskonzept für die Metropole Berlin zu erarbeiten. Dieses soll als Rahmenkonzept für die gesamtstädtische Bibliotheksentwicklung Vorschläge für die Arbeit und die zukunftsorientierte Entwicklung der Berliner Öffentlichen Bibliotheken als Kultur- und Bildungseinrichtungen der wachsenden Metropole formulieren sowie einen Zeit- und Maßnahmenplan für die Entwicklungsaufgaben der kommenden Jahre bereitstellen.

Der beteiligungsorientierte Prozess zur Erarbeitung des Rahmenkonzeptes fand im Zeitraum April 2019 bis Juni 2020 statt.

Etwa zwei Drittel der Mitarbeitenden der Berliner Öffentlichen Bibliotheken, Vertreterinnen und Vertreter der wissenschaftlichen Bibliotheken sowie des Kooperativen Bibliotheksverbundes Berlin Brandenburg (kobv), erwachsene wie auch jugendliche Nutzende und verschiedene interessierte gesellschaftliche Initiativen haben in unterschiedlichen Formaten an der Erarbeitung mitgewirkt. Neben der Senatsverwaltung für Kultur und Europa waren zudem die Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung, die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in den Prozess involviert.

Die formale Steuerung und Gesamtverantwortung für den Erarbeitungsprozess wurde durch den Steuerungsausschuss, zusammengesetzt aus Vertreterinnen und Vertretern der Gremien des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB)[3], der Senatsverwaltung für Kultur und Europa sowie der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek (ZLB), wahrgenommen.

Die Kommission zur Bibliotheksentwicklungsplanung, in der u.a. alle Bezirke mit den für Weiterbildung und Kultur verantwortlichen Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträten sowie den Fachbereichsleitungen Bibliotheken, die kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher aller im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen, die inhaltlich assoziierten Senatsverwaltungen, der Landesverband Berlin im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv), die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung sowie der Hauptpersonalrat des Landes Berlin vertreten waren, begleitete den Prozess und kommentierte die im laufenden Prozess präsentierten Zwischenergebnisse.

Entwicklung, Moderation und Auswertung der partizipativen Formate sowie die Bereitstellung fachlichen Inputs für den Steuerungsausschuss und die Kommission erfolgten durch die Beratungsgruppe Bibliotheksentwicklung Berlin[4]. Ein Pool profilierter deutscher und europäischer Expertinnen und Experten brachte im Rahmen des Prozesses Impulse aus der aktuellen Bibliotheksentwicklung in die Arbeit der Facharbeitsgruppen ein.

Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der damit einhergehenden physischen Distanzregeln ab März 2020 konnte der beteiligungsorientierte Prozess nicht in der vorgesehenen Form mit den geplanten rahmenden Veranstaltungen zum Ende gebracht werden. Um jedoch den Abschluss des sehr konzentrierten Erarbeitungsprozesses nicht in unvorhersehbarem Ausmaß aufzuschieben, wurde für die Diskussion des auf der Fachebene fertiggestellten Rahmenkonzeptes – das aufgrund der Prozesshaftigkeit einer Entwicklungsplanung de facto als konzeptueller Auftakt einer kontinuierlichen gesamtstädtischen Bibliotheksentwicklungsplanung zu verstehen ist – das Beteiligungsportal des Landes Berlin, meinberlin.de, genutzt.

Das vorliegende Rahmenkonzept für die Berliner Bibliotheksentwicklungsplanung stellt unter Berücksichtigung aktueller fachlicher Vergleichswerte einen Referenzrahmen zur Verfügung, der als Orientierung für notwendige Entwicklungsschritte des Öffentlichen Bibliothekswesens in Berlin dienen soll. Die Aktualität dieses Rahmens und seine Konkretisierung durch geeignete Maßnahmen sind vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und (medien-)technologischen Entwicklung und der wachsenden Stadt regelmäßig zu überprüfen und fortzuschreiben. Ebenso ist die Umsetzung empfohlener und gemeinsam zwischen dem Land und den Bezirken zu vereinbarender Maßnahmen regelmäßig zu evaluieren.

Ziel des vorliegenden Rahmenkonzeptes für die Entwicklung der Öffentlichen Bibliotheken Berlins ist es, strukturiert aufzuzeigen, welche Beiträge die Öffentlichen Bibliotheken in der wachsenden und sich permanent entwickelnden Metropole Berlin für die Resilienz der Stadtgesellschaft leisten können und wie sie mit einer entsprechend angepassten Ressourcenausstattung in weit umfassenderem Maße als bisher zu einer gelingenden Umsetzung der aktuellen gesamtstädtischen Strategien (Berlin 2030, Smart City Berlin) und einer Reihe weiterer grundlegender politischer Konzepte für Berlin beitragen können.

Das Rahmenkonzept benennt inhaltlich-programmatische, technologische, personelle, ausstattungsseitige, räumliche und organisatorische Rahmenbedingungen, die es herzustellen gilt, damit die Öffentlichen Bibliotheken Berlins ihrem besonderen Leistungsanspruch gegenüber der Berliner Bevölkerung gerecht werden und mit ihren vielfältigen Angeboten und Möglichkeiten eine breite Teilhabe der Berlinerinnen und Berliner an der technologischen wie auch der gesellschaftlichen Entwicklung gewährleisten können.

Mit Blick auf eine künftig noch stärkere Zusammenarbeit mit weiteren Bibliothekssparten definiert das Rahmenkonzept gemeinsame Aufgabenbereiche der öffentlichen und der wissenschaftlichen Bibliotheken Berlins, die im Rahmen einer zyklischen Fortschreibung der Bibliotheksentwicklungsplanung in den kommenden Jahren durch Maßnahmen konkretisiert werden sollen. Ebenso muss auch die Entwicklung der Zusammenarbeit mit Schulbibliotheken in einem nächsten Schritt und auf Basis eines gesamtstädtischen Schulbibliothekskonzeptes erfolgen.

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[1] Der von dem US-amerikanischen Soziologen Ray Oldenbourg (1989) entwickelte Begriff des „Dritten Ortes“ meint neben dem ersten Ort des eigenen Zuhauses und dem zweiten Ort der Arbeitswelt oder Ausbildungsstätte einen öffentlicher Ort, an dem Menschen zusammenkommen und sich wohl fühlen. Ursprünglich waren damit z.B. Cafés oder Einkaufszentren gemeint als neutrale, einladende, leicht zugängliche Orte, an denen ein informelles Zusammenkommen und der Austausch untereinander möglich sind. Auch Bibliotheken verstehen sich in zunehmendem Maße als Dritte Orte, indem sie sich als Orte der (informellen) Begegnung, der Inspiration, des Lernens und der Bildung positionieren, womit die Aufenthaltsqualität in den Fokus gerät.

[2] Die aufgeführten Zahlen sind dem Jahresbericht des Verbunds der Öffentlichen Bibliotheken Berlins 2018 entnommen.

[3]  Entsprechend der 2004 geschlossenen Verwaltungsvereinbarung zur Organisation und Finanzierung des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins zwischen dem Land Berlin, den zuständigen Stadträtinnen und Stadträten der Bezirke und der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (Abgeordnetenhaus Berlin, Drs.15/3045), sind dies

  • die Verbundkonferenz als höchstem Entscheidungsgremium im VÖBB
  • die Ständige Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Berliner Öffentlichen Bibliotheken (Stäko) als Fachgremium.

[4] Vgl. die Angaben hierzu im Impressum.