Regelungsinhalte eines Bibliotheksgesetzes
Betrieb von Bibliotheken als gesetzliche Aufgabe
Bibliotheken ermöglichen als offen zugängliche Bildungs- und Kultureinrichtungen den freien Zugang zu Information und Wissen und damit einen informierten demokratischen Diskurs. Mithin sind sie für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Berliner Bezirken sowie für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit des Landes Berlin von besonderer Bedeutung. Als Einrichtungen mit explizit bildungs- und demokratieförderndem Auftrag kann der Betrieb der öffentlichen Bibliotheken nicht als eine unter vielen freiwilligen Aufgaben von konjunkturellen Schwankungen abhängig sein, sondern muss vielmehr als Pflichtaufgabe des Landes und der Bezirke festgeschrieben werden.
Aufgabendefinition und Leistungsversprechen der Berliner Öffentlichen Bibliotheken
Die Öffentlichen Bibliotheken Berlins sind
- Orte des freien Informations- und Medienzugangs und eines vielfältigen Angebotsspek-trums
- Orte der lebenslangen Bildung und des gemeinsamen Lernens
- Willkommensorte, barrierefrei, einladend und geschützt
- Orte für Vernetzung, gesellschaftliche Beteiligung, Inspiration und den kreativen Austausch
- Ankerpunkt für die digitale Souveränität und digitale Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen
- wichtige Akteure, Partner und Infrastrukturen bei der Stärkung von sozial benachteiligten Quartieren
- vernetzt in einem starken und leistungsfähigen Verbund, der aufgrund der kreativen Vielfalt seiner Mitglieder ein hohes Innovationspotenzial hat
Stellung des Öffentlichen Bibliothekswesens
In der Kultur- und Bildungslandschaft der Metropole Berlin nehmen die Öffentlichen Bibliotheken eine zentrale Rolle als Servicestruktur des Bildungssystems vom frühkindlichen Lernen über die schulische und berufliche Bildung bis zum nicht-formalen, selbstorganisierten Lernen für alle Generationen ein. Die Leistungsfähigkeit der Bibliotheken ist ein Erfolgsfaktor für alle Bildungsanstrengungen Berlins. Diese Position und ihre Stellung als Orte der interkulturellen wie auch intergenerationalen Begegnung und Kommunikation bilden die Grundlage für ein grundsätzliches Kooperationsgebot mit Kindertagesstätten, Grund- und Sekundarschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, bezirklichen Jugend- und Kultureinrichtungen, Senioreneinrichtungen, etc. Zugleich bildet es die Grundlage für eine verstärkte Zusammenarbeit des Öffentlichen Bibliothekswesens mit anderen Bibliotheken in Berlin und im Umland.
Kooperative Steuerung des Bibliothekswesens
Mit dem Zukunftspakt Verwaltung haben Senat und Rat der Bürgermeister eine neue Grundlage für die gesamtstädtische Verwaltungssteuerung beschlossen. Die kooperative Steuerung über Zielvereinbarungen betrifft auch den Bibliotheksbereich, für den nähere Bestimmungen in einem Bibliotheksgesetz getroffen werden könnten.
Zusammenwirken der bezirklichen Bibliotheken in einem Verbund mit der ZLB
Der historisch gewachsenen Berliner Verwaltungsstruktur ist es geschuldet, dass sich das System der Öffentlichen Bibliotheken Berlins aus einer bereits gesetzlich als selbstständige Stiftung organisierten Zentral- und Landesbibliothek sowie zwölf ebenfalls eigenständigen bezirklichen Bibliothekssystemen von unterschiedlicher Leistungsfähigkeit zusammensetzt. Seit dem Beginn der Projektphase im Jahr 1995 wirken die bezirklichen Bibliotheken und die ZLB gemeinsam im VÖBB zusammen. Aus dem zunächst rein technischen Katalogisierungs- und Ausleihverbund hat sich im Laufe der Jahre ein Serviceverbund entwickelt, der gemeinsame, bezirksübergreifend zum Einsatz kommende Services entwickelt und umgesetzt hat. Die stärker inhaltliche Ausrichtung der Zusammenarbeit im Verbund und die Orientierung an gemeinsamen Servicestandards mit einer gemeinsamen Verbundphilosophie gilt es durch eine gesetzliche Grundlegung zu stärken.
Kooperationen mit den Akteuren der Stadtgesellschaft
Die Berliner Zivilgesellschaft ist vital und dynamisch. Der Trend zu verstärkter Partizipation und Selbstorganisation ist ungebrochen. Bibliotheken können die Partnerinnen der Stadtgesellschaft sein - auf der Grundlage des vorgeschlagenen Investitionsprogramms und daher einer verstärkt auch wieder lokalen Präsenz als Expertinnen ihres Umfeldes und mit dem dezidierten Anspruch, Raumprovider und Forum der Gesellschaft des Ortsteils bzw. Kiezes zu sein. Der Ausbau von Beziehungen in den zivilgesellschaftlichen Raum – als zweites Standbein neben der Kooperation mit den öffentlich getragenen, meist bildungsorientierten Institutionen – ist Ausdruck des Wandels der Bibliotheken zum Dritten Ort.
Qualitätskriterien
Seit Jahrzehnten arbeiten die Bibliotheken bundesweit daran, ihre Leistungen und Angebote unter Qualitätsgesichtspunkten zu entwickeln. Auf der Basis älterer Initiativen befragen die Öffentlichen Bibliotheken Berlins seit 2014 in einem Projekt gemeinsam regelmäßig ihre Nutzerinnen und Nutzer danach, wie hoch die Zufriedenheit ist, welche Leistungen verbessert werden können und welche Anregungen bestehen.[73] Diese Anstrengungen sollten, ähnlich wie die Qualitätsarbeit in den Musik- und Volkshochschulen, eine gesetzliche Grundlage erhalten, auf deren Basis die Zusammenarbeit mit dem Bereich Nutzungsforschung bei der Stiftung für Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung systematisch weiterentwickelt und ausgebaut wird.
Fixierung von Standards in Flächen und Personal
Qualität drückt sich jedoch bezogen auf die Aufgabenzuschreibung auch in Standards aus, die Grundlage der Arbeit der Bibliotheken sind. Zugleich ist es mit Blick auf die durch den Senat beschlossene Strategie zur integrierten Infrastrukturplanung der sozialen und grünen Infrastruktur (SIIP) ohnehin notwendig, konkrete Richt- und Orientierungswerte für Bibliotheksflächen festzulegen. Nur so wird gewährleistet, dass Bibliotheken bei Flächensicherungsmaßnahmen und Flächenplanungen in den Bezirken konsequent mitgedacht und mitgeplant werden.
Als Dienstleistung im Bereich der Daseinsvorsorge ist die Qualität zugleich direkt abhängig von der Personalausstattung. Damit hier in Zukunft nur nach sorgfältiger Abwägung der Folgen und auf Basis eines parlamentarischen Willensbildungsprozesses Abstriche vom erforderlichen Stellenbestand vorgenommen werden dürfen, sollte entsprechend dem Vorgehen in anderen Bereichen auch ein Mindest-Personalschlüssel gesetzlich fixiert werden.
Fortbildung und Personalentwicklung
Die Themen Personalqualifizierung und Personalentwicklung sind für ein innovationsfreudiges und agil mit Änderungsanforderungen umgehendes öffentliches Bibliothekssystem von hoher Bedeutung und sollten daher entsprechend gewürdigt werden.
Bibliotheksentwicklungsplanung als Daueraufgabe
Die Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung wie auch der technologischen Entwicklung erfordert es, dass sich die Bibliotheken permanent mit den an sie gerichteten Anforderungen auseinandersetzen und sowohl die Aufgabendefinition und das Leistungsversprechen der Bibliotheken als auch die Qualitätskriterien und die Umsetzung der gemeinsamen Standards kontinuierlich evaluiert und fortgeschrieben werden. Die Bibliotheksentwicklungsplanung muss daher als eine Daueraufgabe mit verpflichtenden Evaluations- und Überarbeitungszyklen verstanden werden.
Die mit dem vorliegenden Bericht abgeschlossene Phase des partizipativen Prozesses der Bibliotheksentwicklungsplanung sollte als Auftakt für eine notwendigerweise fortzuschreibende Bibliotheksentwicklungsplanung des Landes Berlin verstanden werden, die im Rahmen einer zyklischen Überarbeitung und Fortschreibung in den kommenden Jahren auch diejenigen Aspekte stärker in den Blick nimmt, die im Rahmen der ersten Phase noch nicht fokussiert betrachtet werden konnten. Es sollte ein vierjähriger Evaluations- und Fortschreibungszyklus der gesamtstädtischen Bibliotheksentwicklungsplanung angestrebt werden.
Die Bezirke sollten ihrerseits verpflichtet werden, auf der Grundlage der gesamtstädtischen Entwicklungsplanung, der Bevölkerungsprognose sowie des Monitorings Soziale Stadtentwicklung für den jeweils eigenen Bezirk bezirkliche Bibliotheksentwicklungspläne aufzustellen und diese kontinuierlich fortzuschreiben.
Bibliotheksbericht
Das vorliegende Rahmenkonzept für die Entwicklung der Berliner Öffentlichen Bibliotheken ist im Rahmen eines partizipativen Prozesses entstanden. Die Öffentlichkeit hat somit einen besonderen Informationsanspruch darauf, regelmäßig darüber unterrichtet zu werden, wie die weitere Entwicklung verläuft, welche der empfohlenen Maßnahmen umgesetzt werden, welche Ergebnisse erzielt wurden und welche weiteren Schritte gegangen werden müssen. Gesetzlich sollte daher die Erstellung eines strategisch angelegten Qualitäts- und Leistungsentwicklungsberichts für das Berliner Bibliothekswesen festgelegt werden. Dieser gegenüber den normalen Jahresberichten der Bibliotheken erheblich ausführlichere Report, der neben den Leistungsdaten auch Entwicklungschancen, besondere Herausforderungen und Risiken aufzeigt, kann auch dem Abgeordnetenhaus von Berlin, das den Senat zur Erstellung des aktuellen Entwicklungskonzepts aufforderte, als Grundlage für Debatten und eigenen Entwicklungsimpulse dienen. Hierfür wird ein vierjähriger Berichtszeitraum vorgeschlagen.
Gremium zur Einbindung anderer Verwaltungen
Mit Blick auf den erheblichen Zeitraum zwischen den Qualitäts- und Leistungsentwicklungsberichten für das Berliner Bibliothekswesen und die Erfahrungen, die im aktuellen Prozess und bei anderen Verfahren gesammelt wurden, sollte ein ständiges Beratungsgremium für die Bibliotheksentwicklung installiert werden. Seine Aufgaben, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise sowie die Leitung auf Staatssekretärsebene sollten in einem Bibliotheksgesetz festgelegt werden.
Bibliotheksneubau- und -erweiterungsprogramm (BIENE)
Nicht zuletzt wäre ein Bibliotheksgesetz, nicht nur angesichts der sich abzeichnenden aktuellen finanziellen Herausforderungen, auch der richtige Ort, um das in Kapitel 10 umrissene mittel- bis langfristige Investitionsprogramm zu beschreiben und zu fixieren. Hierzu gehört die Definition der finanziellen Höhe ebenso wie die Beschreibung der geplanten Maßnahmen und das Verfahren der Anpassung und Aktualisierung. Das Investitionsprogramm, dessen Umsetzung und Erfolg über viele Jahre und mehrere Legislaturperioden hinweg große politische Entschlossenheit voraussetzt, den gewählten Schwerpunkt des Bibliothekswesens beizubehalten, erhält dadurch eine Grundlage, die tagespolitischen Beeinträchtigungen weniger ausgesetzt ist und zugleich eine klare Kontrolle und gute Messbarkeit besitzt.
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[73] Für einen Überblick über das Projekt „Nutzungsmonitoring in Öffentlichen Bibliotheken“ (NuMoB), das 2014 aus Mitteln des EFRE ab 2014 realisiert wurde, siehe VÖBB: Jahresbericht 2014, S. 8-10.