Ergebnisse
Radbahn U1 – eine Chance für die Mobilitätswende in Berlin
Im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz untersucht Ramboll in Zusammenarbeit mit PB Consult die verkehrstechnische Machbarkeit der Radbahn U1 im Teilabschnitt zwischen Kottbusser Tor und Oberbaumbrücke. Betroffene Personen werden in einem vierteiligen Beteiligungsverfahren eingebunden. In Interviews mit Stellvertretenden der betroffenen Anwohner:innengruppen wurden Perspektiven und Anregungen hinsichtlich der Auswirkungen der verkehrlichen Veränderungen entlang der Skalitzer Straße gesammelt. Im Sommer erfolgte zudem eine Werkstatt mit Akteursgruppen und Expert:innen, um gemeinsam Nutzungsoptionen und alternative Flächenverteilungen zu analysieren. Die hier durchgeführte Online-Beteiligung richtete sich an die breite Öffentlichkeit. In dieser wurden Nutzer:innenperspektiven aus Sicht der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden abgefragt. Die Auswertungsergebnisse der Online-Beteiligung dienen abschließend als weitere Grundlage für das geplante Fachkolloquium. Gemeinsam mit betroffenen Akteursgruppen und Expert:innen werden dort die überarbeiteten Varianten vorgestellt, mit den Teilnehmenden erörtert sowie Handlungsempfehlungen für die weitere Bearbeitung formuliert.
Ergebnisse aus der Online-Beteiligung auf mein.berlin.de
Vom 05.07. bis 20.08.2021 erfolgte die Beteiligung auf mein.berlin.de. Ziel war es, ein differenziertes Meinungsbild aus den unterschiedlichen Nutzer:innenperspektiven zu erhalten. Im Beteiligungszeitraum von sieben Wochen haben insgesamt 822 Personen ihre Meinung abgegeben. Die sieben Frageblöcke fokussierten die Themen Verkehrssicherheit und bessere Bedingungen für Fußgänger:innen und Radfahrende, die Aufenthaltsqualität und verbesserte Nutzung von Raumreserven sowie die Serviceinfrastruktur. Dabei standen drei Ausführungsvarianten hinsichtlich des Streckenverlaufs der Radbahn zur Disposition (s. Abbildungen). Alle Fragen bezogen sich jedoch auf denselben Untersuchungsraum vom Kottbusser Tor bis zur Oberbaumbrücke, entlang der Skalitzer Straße. Um die Fragen aus einer bestimmten Perspektive zu beantworten, konnten sich die Teilnehmenden einem oder mehreren Nutzerprofilen zuordnen. Die Meisten nahmen die Perspektive der Mobilitätsorientierten und der Querenden an, gefolgt von der Perspektive der Verweilenden, Gäste und Sportorientierten. Am wenigsten wurden die Umfragen aus der Perspektive der Gestaltenden und Geschäftstreibenden beantwortet.
Entscheidende Verbesserungsmöglichkeiten für Querungen der Kreuzungsbereiche entlang der Skalitzer Straße sahen die Teilnehmenden der Perspektive der Querenden für Fußgänger:innen, vulnerable Gruppen und Radfahrende. Es wurde abgestimmt, dass der Ausbau von Querungen mittels Fußgängerüberwegen, Lichtsignalanlagen und Bodenerhöhungen oder -senkungen am geeignetsten sei.
Die Erhöhung der Verkehrssicherheit war nicht nur den Teilnehmenden der Perspektive der Querenden besonders wichtig, sondern spiegelte sich auch in den Abstimmungsergebnissen der Perspektive der Mobilitätsorientierten wider. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass es entlang der Radbahn zu weniger Zwischenfällen zwischen Autofahrenden, Radfahrenden und Fußgänger:innen kommen könnte, wenn getrennte Fahrwege vorhanden wären. Als mögliche Gestaltungshilfen wurden von den Teilnehmenden drei Maßnahmen ausgewählt: eine abgegrenzte Fahrspur zwischen Radfahrenden und dem Kfz-Verkehr, sichtbare Querungsmöglichkeiten sowie frühere Grünphasen an Knotenpunkten. Es wurden auch die Präferenzen für zusätzliche Services auf der Radbahn aus der Perspektive der Mobilitätsorientierten abgefragt. Den höchsten Stimmenanteil erhielten sichere und ausreichende Abstellflächen für Fahrräder.
Die Fragen der Perspektive der Verweilenden richteten sich an die möglichen Nutzungen des neu zur Verfügung stehenden öffentlichen Raums, wenn unter dem Viadukt kein Radweg entsteht. Mit 81 % haben die Teilnehmenden dieser Perspektive Grünflächen ausgewählt, gefolgt von Sitzbänken und Tischen. Der Schutz vor Wetterbedingungen durch die Überdachung des Viadukts wird als Vorteil zum Verweilen gesehen. Diese Präferenz stimmt mit der Perspektive der Geschäftstreibenden überein. Bei dieser Perspektive wurde abgestimmt entlang der Radbahn ausreichend Platz für Stühle und Tische für gastronomische Zwecke bereitzustellen sowie Lastenfahrräder zum Transport der Produkte anzubieten. Die Ergebnisse der Perspektive der Gestaltenden machen deutlich, dass zudem frei verfügbare Flächen entlang der Radbahn für Kunstausstellungen, Straßenmusik oder ganz individuelle Nutzungen zur Verfügung stehen sollten.
Bei den Perspektiven der Sporttreibenden und Gästen wurde präferiert einen Fahrradweg unter dem Viadukt anzulegen. Die Teilnehmenden der Perspektive der Sporttreibenden sehen Ballsportarten direkt unter dem Viadukt als unsicher an, gerade wenn der Kfz-Fahrstreifen nebenher verläuft. Als zusätzliche Services auf der Radbahn wählten die Teilnehmenden mehrheitlich Trinkbrunnen und Sitzbänke aus. Diese Auswahl wurde auch bei den Perspektiven der Geschäftstreibenden und Verweilenden angegeben.
Übereinstimmungen innerhalb der unterschiedlichen Perspektiven gab es auch. Die Perspektiven der Querenden und der Mobilitätsorientierten äußerten übereinstimmende Kritikpunkte hinsichtlich der Verkehrssicherheit. Aus der Perspektive der Mobilitätsorientierten geht hervor, dass die Führung unter dem Viadukt Radfahrende in eine unsichere verkehrliche Lage an Kreuzungen und U-Bahn-Stationen bringen kann. Ausgehend von den Perspektiven der Verweilenden und Gestaltenden sind besonders der Lärm der nahgelegenen Kfz-Fahrstreifen und der U-Bahn sowie die Unübersichtlichkeit des Raums zum Aufenthalt unter dem Viadukt hinderlich. Die Teilnehmenden der Perspektive der Geschäftstreibenden befürchten zudem Einschränkungen im Lieferverkehr, wenn dafür nicht ausreichend Flächen bereitgestellt werden. Ebenso dürfen die Wege von / zu den Lieferzonen nicht zu weit sein.
Mit insgesamt 618 Kommentaren kam es darüber hinaus zu einer regen Diskussion unter den Beteiligten über die Vor- und Nachteile der drei dargestellten Ausführungsvarianten im Vergleich zur derzeitigen Führung des Radwegs (s. Abbildungen), sowie zu Themen wie der Verkehrssicherheit in Berlin und im internationalen Kontext.
- Derzeitige Führung des Radwegs auf beiden Seiten des Viadukts, 2 Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr je Richtung und Parken am Fahrbahnrand sowie unter dem Viadukt.

- A: Radverkehrsanlagen unter dem Viadukt und links und rechts auf der Fahrbahn und Kfz-Verkehr mit einem Fahrstreifen je Richtung

- B: Radweg und Aufenthaltsfläche komplett auf einer Seite neben dem Viadukt, Kfz-Verkehr wird auf der anderen Seite geführt mit einem Fahrstreifen je Richtung und einseitig Lieferzonen

- C: Radweg unter und neben dem Viadukt, Kfz-Verkehr mit einem Fahrstreifen je Richtung und einseitig Lieferzonen

Zudem soll es ausreichend Platz für Rettungsfahrzeuge und den Lieferverkehr mit designierten Lieferzonen geben. Eine getrennte Aufteilung der Fahrspuren zwischen Fußgänger:innen, Fahrradfahrende und Kfz-Verkehr wurde in den Kommentaren am häufigsten gefordert, um das Konfliktpotenzial zu verringern und das Sicherheitsgefühl für die Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen.
Mehrheitlich wurde von den Beteiligten aller sieben Perspektiven die Variante B als ansprechendere Führungsform zwischen Kottbusser Tor und Oberbaumbrücke präferiert. Varianten A und C erhielten fast die gleiche Anzahl an Stimmen.
Die Ergebnisse der Umfrage werden nun für die Überarbeitung der Varianten und ihre konkrete Ausgestaltung genutzt.