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Wirklich grün und nicht pseudogrün

Als ich von der Idee gelesen habe, den „Schlangen-Tunnel“ in seiner gedachten Funktion dichtzumachen, habe ich das zunächst für einen schlechten Scherz gehalten. Da haben wir ein hunderte Meter langes Stück Autobahn, das zwei ganze Viertel mit vieltausenden Anwohnern von Autolärm freihält; etwas, worum uns nicht nur zahlreiche andere Anwohner in Berlin neiden, sondern was auch national und international Aufmerksamkeit erregt; eine Konstruktion, die Vorbild für Stadtplanung ist und meist nur daran scheitert, dass man Autobahnen im Bestand nicht mal eben wirtschaftlich überbauen kann… Und was machen wir daraus? Machen die Röhren dicht, züchten Champignons drin – und schicken den Verkehr wieder dorthin, wo er als Lärm und Dreck wieder Menschen so richtig belastet.

Das Ganze befeuert von einer Initiative, die in meinen Augen nichts weiter betreibt, als massive Nimby-Strategie, auf fruchtbaren Boden gefallen bei einer Verkehrssenatorin, die – anstatt wirklich visionäre Verkehrspolitik mit Auto als Nebensache zu betreiben – das Auto als Feind erkoren hat, den es zu vernichten gilt. Wie die Leute sonst von A nach B kommen sollen – nicht mein Problem. Erst das Autofahren vergiften und später über Alternativen nachdenken – anstatt zuerst Alternativen zu entwickeln, die so attraktiv sind, dass die Menschen das Auto gerne stehenlassen. Diese Denke zeigt sich auch in der Machbarkeitsstudie. Dass die Autos irgendwohin müssen, wird maximal in Halbsätzen erwähnt. Die dadurch entstehende Belastung an anderer Stelle – wird völlig verschwiegen! Eine Machbarkeitsstudie, die ihren Namen wirklich verdient, betrachtet nicht nur die ökologischen Auswirkungen punktuell am Breitenbachplatz. Zahlreiche weitere Folgen werden überhaupt nicht durchdacht. Wie sollen Autofahrer aus dem ganzen Viertel südlich des Heidelberger Platzes denn auf die Autobahn Richtung Wedding kommen, wenn eine Richtung für ÖPNV und Fahrradverkehr genutzt wird? Was passiert mit schwerbehinderten und alten Menschen in einem in weiten Teilen nicht barrierefreien Viertel, wenn man ihnen das Auto als Verkehrsmittel nimmt? (Sollen zu Hause bleiben, ist in Pandemiezeiten eh gesünder…)

Hier geht es nicht nur um die Partikularinteressen einiger weniger am Breitenbachplatz, die es offenbar bisher nicht geschafft haben, ihren Platz so zu entwickeln, wie sie es sich wünschen (und von denen sich m.E. zumindest ein Teil die Ökologie als Feigenblättchen umhängen, zu wenig ökologisch ist die ganze Idee!)! Wobei die Ursache dafür nicht an der Brücke liegt. 80 % des Platzes sind von der doch gar nicht betroffen. Entwickelt doch erst einmal das, was unter dem Status Quo möglich ist!

Anstatt eine nicht nur unter Lärmgesichtspunkten sinnvolle Lösung einzustampfen, sollte man dafür sorgen, dass die Brücke attraktiver – und grüner wird: Lärmschutzwände, Begrünung etc. Andere Städte machen es vor. Auch für den Fahrradverkehr bietet der Tunnel keinen wirklichen Benefit zu schon vorhandenen, fast autofreien Strecken. Mit Ausnahme der Überführung über S-Bahn und Stadtautobahn Konstanzer Straße: Das wäre die in meinen Augen einzig sinnvolle Maßnahme in Sachen Verkehrsführung, dort eine Spur freizugeben für den Fahrradverkehr. Daneben sollte hier wie überall in der Stadt das viel zu sehr vernachlässigte Bike & Ride realisiert werden in Form von sicheren Fahrradstellplätzen am Heidelberger Platz. Damit wäre es attraktiv aus den anliegenden Vierteln, auf Fahrrad und ÖPNV umzusteigen – und nicht, in dem ich sie auf kilometerlange Umwege schicke, die von den meisten zwar zähneknirschend, aber dafür mit Sicherheit gefahren werden, weil die Alternative noch mühseliger wäre.

PWagner erstellt am
Referenznr.: 2021-09913

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