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Vollständige Stellungnahme der RPG OLS, Euroregion Pro Europa Viadrina, kreisfr. Stadt Frankfurt (Oder) und LK MOL & LOS

Sonstiges

Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Oderland-Spree, der Euroregion Pro Europa Viadrina, der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) und der Landkreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree (KAG Oderland)

 

Sehr geehrte Frau Ministerin Schneider,

sehr geehrter Herr Staatssekretär Gaebler,

die Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree bedankt sich für die Möglichkeit, sich am Prozess für die Entwicklung eines Strategischen Gesamtrahmens für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg zu beteiligen. Leider erreichte die offizielle Information über die Beteiligung die Planungsgemeinschaft und ihre Mitglieder (Frankfurt (Oder), LK Märkisch-Oderland und LK Oder-Spree) erst am 22.12.2020.

Mit den Stellungnahmen der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Oderland-Spree vom 23.10.2020 und 10.12.2020 erfolgte bereits eine grundlegende inhaltliche Befassung und frühzeitige Positionierung zum Strategiepapier der Hauptstadtregion.

Die Zielstellung und die Einordnung dieses strategischen Gesamtrahmens in existierende Pla-nungsdokumente, wie das Leitbild der Hauptstadtregion, das Landesentwicklungsprogramm und der Landesentwicklungsplan der Hauptstadtregion, müssen im Strategischen Gesamtrahmen klargestellt werden. Es ist ebenso notwendig, die zur Umsetzung erforderlichen Maßnahmen konkret zu benennen.

Bei den nachfolgenden Ausführungen handelt es sich um eine vorläufige Stellungnahme, da eine Befassung des Regionalvorstands der Planungsgemeinschaft mit dem Strategischen Gesamt­rahmen und den Inhalten der Stellungnahme erforderlich ist. Die gesetzte Frist zur Abgabe einer Stellungnahme (über Weihnachten und Neujahr bis zum 17.01.2021) ist jedoch so knapp bemessen, dass eine Entscheidungsfindung durch den Regionalvorstand erst nach Ablauf der Frist möglich ist Es ist geplant, eine abschließende Stellungnahme per Umlaufbeschluss durch den Regionalvorstand zum 31.01.2021 nachzureichen. Unabhängig davon verlangen die gemeinsamen Herausforderungen in der Hauptstadtregion nach unserer Überzeugung einen intensiven und breiten Dialog (der bislang nicht stattgefunden hat) mit den kommunalen und regionalen Akteuren in allen Landesteilen. In Ermangelung einer entsprechenden tragfähigen gemeinsamen Strategie sehen wir Gefahren zu Lasten der Akzeptanz der im Strategischen Gesamtrahmen definierten Handlungsfeldern.

Grundsätzlich wird die engere Kooperation der Länder Berlin und Brandenburg begrüßt und für erforderlich gehalten (vgl. Leitbild und Landesentwicklungsplan der Hauptstadtregion).

Nur so können die sich stark überschneidenden Herausforderungen für die künftige Entwicklung der Hauptstadtregion bewältigt werden. In einigen Bereichen des Strategischen Gesamtrahmens sollte der Fokus erweitert bzw. geschärft werden. Nachfolgend wird zu den aus der Sicht der Planungsgemeinschaft und den weiteren Mitgliedern der KAG Oderland wichtigsten Punkten Stellung genommen.

Ansiedlung TESLA-Gigafactory in Grünheide (Mark)

Handlungsfeld 1: Siedlungsentwicklung und Wohnungsmarkt

Die Großansiedlung des Autoherstellers Tesla wird im gesamten Papier einmal am Rande als Beispiel auf Seite 4 genannt. Die immensen räumlichen Auswirkungen, die dieses Projekt bereits vor Inbetriebnahme des Werks zeitigt, werden im Strategischen Gesamtrahmen nicht erwähnt. In der Vorhabenliste wird das Projekt gar nicht aufgeführt. Das Projekt wird im Jahr 2021 nicht abgeschlossen sein. Der Ausbau des Werkes mit einer damit verbundenen Kapazitätserhöhung in der Produktion und beim Arbeitskräftebesatz sowie einer zusätzlichen Batteriefabrik werden zu erheblichen Entwicklungsschüben in der Region führen, die kanalisiert werden müssen. Ohne eine strategische Steuerung der Ansiedlung könnten sich die bereits vorhandenen „Wachstumsschmerzen“ im Berliner Umland weiter verstärken und nachtteilig auf die Hauptstadtregion und insbesondere für Ostbrandenburg auswirken.

Für die Endausbaustufe werden bis zu 40.000 Arbeitskräfte avisiert. Für den bisherigen Ausbau wird mit etwa 12.000 Arbeitskräften gerechnet. Dies führt im Handlungsfeld 1 zu gewichtigen Auswirkungen auf z.B. bestehende und zu erschließende Gewerbegebiete, da mit der Ansiedlung von Zulieferern und weiteren Dienstleistern mit ähnlichen Flächenbedarfen wie für das eigentliche TESLA-Werk zu rechnen ist. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass ein Teil der Arbeitskräfte neu zuziehen wird und entsprechend bezahlbaren Wohnraum benötigt, vom Einfamilienhaus bis zur Geschosswohnung. Dazu wurde bereits in Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung ein Umfeldentwicklungskonzept „TESLA Gigafactory“ initiiert. Weitere Entwicklungsmöglichkeiten sollten auch in allen Kommunen der Landkreise MOL und LOS geschaffen werden, um insbesondere den Anforderungen in den folgenden Ausbaustufen zu entsprechen. Eine deutlich bessere und vor allem flächendeckende Mobilitätsanbindung ist dafür die Voraussetzung. Dies sollte auch im Handlungsfeld 2 mehr Berücksichtigung finden. Dies ist auch zur Schaffung und Anbindung der notwendigen sozialen Infrastruktur unabdingbar.

Handlungsfeld 2: Mobilität

Auch für das Handlungsfeld 2 ist die Ansiedlung der Gigafactory TESLA von immenser Bedeutung. Dabei sind nahezu alle Formen der Mobilität durch das TESLA-Werk betroffen. Die zu erwartenden Auswirkungen auf alle Arten von Verkehrswegen in Ostbrandenburg begründen eine Aufnahme in den Strategischen Gesamtrahmen. Im Detail handelt es sich dabei um die durch den neuen Produktionsstandort verursachten Pendlerströme aus Berlin und Brandenburg. Dies dürfte bei den Straßenwegen im Wesentlichen den Berliner Ring (A10) und die Bundesautobahn 12 (BAB 12) betreffen sowie diverse Bundes- und Landesstraßen, die noch nicht im Rahmen der Ansiedlung erweitert werden. Besonders die Nord-Süd-Verbindungen zum Werk werden mit hoher Wahrscheinlichkeit häufig per motorisiertem Individualverkehr genutzt werden, da der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) hier den zeitlich vertretbaren Rahmen für Pendler nicht leisten kann. Die Ost-West-Verbindungen zum Werk sind zwar im Moment ausreichend durch den ÖPNV bedient, werden aber langfristig bei einem Ausbau des Werks an Ihre Belastungsgrenzen stoßen. Dies wird auch durch den steigenden Güterverkehr auf Schiene und Straße verstärkt werden. Aus diesen Gründen ist eine langfristige strategische Steuerung eines bedarfsgerechten Verkehrswegeausbaus unabdingbar. Dies überschneidet sich ebenfalls mit dem Handlungsfeld 8, da zu erwarten ist, dass ein beträchtlicher Anteil der Arbeitskräfte aus Polen zum Werk einpendeln wird.

Auch weiter entferntere, vorhandene und potenzielle Industrie- und Gewerbestandorte, wie bspw. Eisenhüttenstadt, sollten besser in die Planung eingebunden werden, da dies zu einer Entlastung in der unmittelbaren Umgebung des TESLA-Werkes führt und gleichzeitig die flächendeckende Entwicklung in der gesamten Region befördert.

Handlungsfeld 3: Wirtschaft, Fachkräfte, Energie und Klimaschutz

Eng verbunden mit dieser Thematik sind ebenso die Handlungsfelder 3 und 7. Zum einen birgt die Ansiedlung von TESLA nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, insbesondere im Bereich Fachkräfte. Trotz Corona-Pandemie ist der Arbeitsmarkt in einer guten Verfassung.

In den nächsten 10 Jahren ist mit einer Abnahme der Gesamtanzahl von Arbeitskräften zu rechnen, was mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Generationen aus den 1950er und 1960er Jahren zu begründen ist. Daraus abgeleitet besteht ein großes Risiko, dass TESLA Arbeitskräfte aus bestehenden Beschäftigungsverhältnissen in der Region abwirbt. Hier muss entsprechend langfristig gegengesteuert werden. Gleichzeitig sollten Bildungseinrichtungen in der Region ihre Ausbildungs- und Studienangebote an die Situation anpassen. Dieser Umbau muss langfristig geplant und vorbereitet werden. Darüber hinaus verdient die Verkehrswende im Zusammenhang mit der TESLA-Ansiedlung einen deutlich höheren Stellenwert im Strategischen Gesamtrahmen Handlungsfeld 3. Der Verkehrssektor besitzt nach wie vor die größten Einsparpotentiale bei den CO2 - Emissionen. Damit E-Mobilität funktionieren kann, müssen die entsprechenden Infrastrukturen (z.B. Ladesäulen und entsprechende Zuleitungen) geschaffen werden.

Handlungsfeld 5: Natürliche Lebensgrundlagen und Lebensqualität (insbesondere Gesundheit, soziale und grüne Infrastruktur, Wasserver- und -entsorgung, Kriminalitätsbekämpfung)

Das Handlungsfeld 5 stellt u.a. die Wasserversorgung in der Hauptstadtregion in den Mittelpunkt. Bereits in der Zeit vor der TESLA-Ansiedlung traten in Brandenburg Probleme im Wasserhaushalt auf. In Oderland-Spree betrifft dies z.B. den Wasserverlust des Strausees oder das Austrocknen des Fredersdorfer Mühlenfließes. Bevölkerungswachstum und Nachverdichtung in Kombination mit dem Klimawandel tun ihr übriges. Mit der Großansiedlung von TESLA kommt nun ein weiterer Großverbraucher hinzu. Mit Blick auf weitere Großansiedlungen, z.B. auch in der Lausitz im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg, sollte hier ein klarer proaktiver Ansatz im Strategischen Gesamtrahmen verfolgt werden, um den Wasserhaushalt landesweit sicherzustellen.

Handlungsfeld 6: Digitale Transformation

Das Handlungsfeld 6 greift mit der Digitalisierung ebenfalls ein Kernthema der E-Mobilität und somit der TESLA-Ansiedlung auf. Zum einen werden bei der Industrie 4.0 hohe Anforderungen an die Vernetzung in der Produktion gestellt und zum anderen benötigt E-Mobilität für eine optimale Effizienz (z.B. autonomes Fahren) flächendeckende leistungsfähige Funknetze. Dies ist in Brandenburg aktuell nicht der Fall.

Insgesamt betrachtet ist die TESLA Gigafactory ein Querschnittsprojekt von europäischer Bedeutung, das in alle Handlungsfelder hinein wirkt und einer langfristigen Steuerung beider Länder unter Einbeziehung der kommunalen und regionalen Akteure in Oderland-Spree bedarf. Die Chance, dies im Strategischen Gesamtrahmen für die Hauptstadtregion zu verankern und damit die Grundlagen dafür zu legen, die gebotenen Chancen voll auszunutzen sowie die potenziellen Risiken soweit wie möglich zu minimieren, sollte nicht verpasst werden.  

Europäische Entwicklungsachse (TEN-V Korridor) Berlin – Frankfurt (Oder) – Poznań

Handlungsfeld 1: Siedlungsentwicklung und Wohnungsmarkt

Die im Handlungsfeld 1 beschriebene Entwicklung Brandenburgs entlang von Schienenachsen wird unterstützt. Dazu gehört auch die Ausweisung breiter Entwicklungskorridore über das Berliner Umland hinaus. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass im vereinten Europa Entwicklungen nicht an Landesgrenzen halt machen. In der Region Oderland-Spree betrifft dies speziell den Korridor Berlin – Frankfurt (Oder), der bis nach Poznań betrachtet werden sollte. Die BAB 12 und auf polnischer Seite die A2 verbinden die beiden Ballungsräume. Die A2 ist einer der am häufigsten genutzten Verkehrswege für den Personen- und Güterverkehr von und nach Polen. Darüber hinaus verbindet die Region die EuroCity-Strecke des Berlin-Warszawa-Express, die ebenfalls umfangreich für den Güterverkehr genutzt wird. Mit der Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) im vergangenen Jahr ist zudem ein weiterer Faktor, der die Bedeutung des Korridors erhöht, hinzugekommen. Nach Überwindung der Corona-Pandemie dürfte sich der Einzugsbereich des BER deutlich nach Polen ausbreiten, besonders entlang der Hauptverkehrsachsen. Dies dürfte auch einen Schub bei der Entwicklung von Gewerbe und Wohnen nach sich ziehen.

Handlungsfeld 8: Weltoffenheit, internationale Vernetzung und Zusammenarbeit mit Polen

Die Euroregion Pro Europa Viadrina reicht von Berlin bis vor die Tore Poznańs und ist einer der wichtigsten Akteure deutsch-polnischer Kooperation in der Planungsregion. Auf Länderebene wird seit Jahren die Oder-Partnerschaft gepflegt, die ebenfalls durch den Korridor Berlin – Frankfurt (Oder) – Poznań überlagert wird.

Teil des Korridors auf deutscher Seite sind auch die Regionalen Wachstumskerne Frankfurt (Oder) / Eisenhüttenstadt und Fürstenwalde/Spree. Als wichtige Standorte des produzierenden Gewerbes, der Schwerindustrie und der Logistik bilden sie die Schwerpunkte der Arbeitsplatzkonzentration. Gleiches gilt für Poznań (z.B. VW-Werk) auf der polnischen Seite des Korridors.

Fester Bestandteil des Korridors ist zudem die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und die Adam-Mickiewicz-Universität in Posen. Beide Universitäten haben das Collegium Polonicum in der deutsch-polnischen Doppelstadt Frankfurt (Oder)/ Słubice 1992 ins Leben gerufen. Seit dem ist das Collegium fester Bestandteil der deutsch-polnischen Universitäts- und Forschungslandschaft.

Der Korridor Berlin – Frankfurt (Oder) – Poznań eignet sich hervorragend für die Schaffung einer Regionalentwicklungsachse, um eine geordnete Steuerung der Siedlungsentwicklung und integrierte und nachhaltige Regionalentwicklung zu ermöglichen. Zugleich sollen die Regionalen Wachstumskerne und umgebenden ländlichen Räume von der dynamischen Entwicklung dieser transeuropäischen Entwicklungsachse profitieren. Der Wohnungsmarkt in Berlin fernen Räumen  kann so  stabilisiert sowie in den Berlin nahen Räumen entlastet werden.

 

Ausbau Ostbahn als Teil der Europäischen Entwicklungsachse

Handlungsfeld 2: Mobilität

Die Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree begrüßt ausdrücklich die Maßnahme „Ausbau der Ostbahn[…]“. Hervorzuheben ist hier die europäische Bedeutung des Ausbaus der Strecke zwischen Berlin und Gorzów Wielkopolski. Die Zahl der Pendler, auch aus Polen, steigt mit jedem Jahr weiter an. Aus diesem und weiteren Gründen hat sich am 29.09.2020 die Interessengemeinschaft Ostbahn (IGOB), der bisher zwölf Kommunen und sechs fördernde Mitglieder wie die IHK Berlin und Ostbrandenburg, die Euroregion Viadrina, die Regionale Planungsgemeinschaft Oderland beigetreten sind, gegründet.

Um der Maßnahme die entsprechende Priorität im strategischen Handeln der Hauptstadtregion zu verleihen, muss diese nachträglich in das Projekt I2030 aufgenommen werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Maßnahme zeitnah durch zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen umgesetzt werden kann.

 

Europäisches Kulturerbe Oderbruch

Handlungsfeld 7: Wissenschaft, Forschung, Kultur und Bildung

Das Oderbruch ist einer von zwei Bewerbern aus Deutschland für das Europäische Kulturerbe-Siegel. Die Kulturlandschaft des Oderbruchs ist einzigartig in Brandenburg und in Deutschland. Gleichzeitig ist das Oderbruch in seiner Randlage strukturell benachteiligt. Unabhängig davon, ob das Oderbruch erfolgreich aus diesem Wettbewerb hervorgehen wird, sollte die Unterstützung für dieses Projekt als Maßnahme im Handlungsfeld 7 aufgenommen werden. Dies begründet sich damit, dass das Oderbruch gerade in den nächsten Jahren, bis die Folgen der Corona-Pandemie überwunden sind, die Chance erhält, sich noch mehr als überregionales touristisches Ziel zu etablieren. Die Vorarbeiten, die allein durch die Region geleistet wurden, beweisen, dass hier der unbedingte Willen besteht, die Region aus eigener Kraft zu entwickeln. Vor allem die interkommunale Kooperation über verschiedene Verwaltungsebenen hinweg, um die Bewerbung zu ermöglichen, ist beispielhaft in der gesamten Region. Dies sollte entsprechend belohnt werden.

 

Weitere allgemeine Hinweise zu den Handlungsfeldern

Ein Strategischer Gesamtrahmen für die ganze Region?

Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg umfasst im Vergleich zu anderen Metropolregionen in Deutschland und Europa sehr viele ländliche Räume mit Strukturdefiziten in den verschiedensten Bereichen. Im Papier zum Strategischen Gesamtrahmen tritt das Wachstum in Berlin und Brandenburg sehr stark in den Vordergrund und damit hauptsächlich die Hauptstadt und das Umland. Nach wie vor haben sich Problemlagen in den peripheren Regionen des Landes in den letzten 20 Jahren nicht stark verändert. Schrumpfung ist nach wie vor ein Problem.

Der demographische Wandel wird sich in den nächsten Jahren noch stärker bemerkbar machen, wie im Unterpunkt „TESLA“ bereits erwähnt. Im Jahr 2019 wurde der Abschlussbericht der Enquete Kommission 6/1 „Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“ veröffentlicht. Dieses Papier sollte sich auch im Strategischen Gesamtrahmen für die Region widerspiegeln. Auch der Koalitionsvertrag vom 19.11.2019 sieht in Zeile 142 die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse als maßgebliches Ziel der Landesentwicklung an.

Genau aus diesem Grund hat die Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree im gerade veröffentlichten Entwurf des Sachlichen Teilregionalplans „Regionale Raumstruktur und Grundfunktionale Schwerpunkte“ auf die Struktur des Raumes besonderen Wert gelegt. Mit der Festlegung „Ländlicher Gestaltungsräume“ wird die Grundlage für eine Regionalentwicklungs- und Förderkulisse gelegt. Sie ermöglicht es, entwicklungshemmende Faktoren zu hinterfragen, eigene Potentiale der Regionen besser einzuordnen und Eigengestaltungskräfte zu mobilisieren. Über gemeinsame regionale Entwicklungskonzepte der Städte und Gemeinden im ländlichen Raum sowie Förderung durch Bund und Land kann eine Sicherung der Daseinsvorsorge im Zusammenspiel von öffentlicher Hand, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft gelingen. Eine nachhaltige Politik für ländliche Räume bedarf einer Benennung klarer regionsspezifischer Zielvorgaben auf allen Ebenen und die Schaffung von Rahmenbedingungen, die zur Stabilisierung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklung beitragen und regionale Gestaltungsperspektiven eröffnen.

Handlungsfeld 2: Mobilität

Das Handlungsfeld sollte bereits im Titel um das Thema Verkehrsinfrastruktur ergänzt werden. Ein gut ausgebautes Netz aus Bundes- und Landesstraßen ist unverzichtbar. Weder Radverkehr noch der SPNV allein können kurz- oder mittelfristig auch nur annähernd die jetzigen Pendlerströme aufnehmen, die sich derzeit mittels MIV von und nach Berlin sowie innerhalb Brandenburgs bewegen. Eine unbestritten notwendige Orientierung auf den ÖPNV und alle damit zusammen hängenden Mobilitätskonzepte erfordern ein zeitgemäßes, gut ausgebautes Straßennetz.

Darüber hinaus wird sich in den allgemeinen Darstellungen zum Handlungsfeld  vor allem auf Pendelbeziehungen zwischen Berlin und Brandenburg fokussiert. Das enorme Aufkommen sonstiger Verkehre, bspw. für Tourismus, Handel und Wirtschaft, wird außer Acht gelassen. Auch die Herausforderungen des Wachstums in der Hauptstadtregion werden nicht ausreichend beschrieben, da bereits absehbare Dynamiken, bspw. der Zuzug in den sogenannten Speckgürtel, die TESLA-Ansiedlung und die BER-Eröffnung, nicht zufriedenstellend benannt werden. Es wird ausdrücklich empfohlen, diese Aspekte aufzugreifen, um Schlussfolgerungen nicht auf einer statischen Situation, sondern in Kenntnis absehbarer, bedeutsamer und überaus dynamischer Entwicklungen, ziehen zu können.

Darüber hinaus wird angeregt, auch Querverbindungen unter den auf Berlin zentrierten Achsen zu schaffen. So ist es in der Regel recht komfortabel von Mittel- und Oberzentren Brandenburgs per Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von und nach Berlin zu reisen. Zwischen diesen Zentren sind diese Verbindungen jedoch oft sehr schwach ausgeprägt und führen oft über Berlin, was die Fahrzeit erheblich verlängert. Die Länder sollten anstreben, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Verkehrsverbindungen über die Landkreisgrenzen hinaus einfacher zu realisieren sind.

Ferner wird vorgeschlagen, Fernbusanbieter für nicht ausreichend durch den SPNV angebundene Mittel- und Oberzentren zu gewinnen, die fehlende IC und ICE-Verbindungen im ländlichen Raum zumindest teilweise kompensieren können.

Zu gute Letzt verfügt das Land Brandenburg über Zahlreiche Flug- und Verkehrslandeplätze, deren (Weiter-)Entwicklung im Zusammen mit dem BER einer Bewertungen bedürfen. Diese verfügen oftmals über flughafenaffines Gewerbe, mit großen Entwicklungschancen im Bereich der alternativen Antriebstechnologien und regenerativen Energieträgern. Diese werden von bereits bestehenden und neu zu gründenden Unternehmen der Berliner und Brandenburger Forschungslandschaft getragen.

Handlungsfeld 3: Wirtschaft, Fachkräfte, Energie und Klimaschutz

Das Handlungsfeld sollte grundsätzlich um das Thema „Demografische Entwicklung“ ergänzt werden. Die ab 2025 immer relevanter werdende Abnahme der Bevölkerung im sog. arbeitsfähigen Alter und dem sich damit verschärfenden (Fach-)Arbeitskräftemangel werden für die Hauptstadtregion immense Auswirkungen haben. Dazu gehören der Wettbewerb um die Fachkräfte, der Ersatz bestehender Arbeitsplätze durch Digitalisierung und Automatisierung, der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte. Diese werden wiederrum Einflussfaktoren für verschiedene andere Handlungsfelder sein.

Für die Verwaltungen in Berlin und Brandenburg wird und muss das zur Folge haben, dass Konzepte entwickelt werden, die eine effizientere Aufgabenerledigung ermöglichen. Länderübergreifende Kooperationen können, neben anderen Maßnahmen, dafür in geeigneten Fällen sinnvoll sein. Die nach jetzigem Stand ab Mitte der 2020er Jahre auch in Brandenburg verfügbare Breitbandversorgung wird über Home-Office Chancen bieten, Arbeitswege zu reduzieren und dadurch einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Der Fachkräftemangel ist jedoch nicht nur eine quantitative Herausforderung. Auch der Aspekt der fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzentwicklung (Aus- und Weiterbildung i.S.v. lebenslangem Lernen) sollte mehr Gewicht bekommen.

Aufgrund der in diesem Bereich engen Verflechtung mit Nachbarwojewodschaften Polens sollten hier auch Aussagen dahingehend aufgenommen werden, dass die Zusammenarbeit ausgebaut werden soll und keine aktive Abwerbung (i.S.v. Braindrain) angestrebt wird. Dies könnte in Kooperation mit polnischen Partnern beispielhaft auf Aus- und Weiterbildung, Erfahrungsaustausch bei Energieeffizienz und Klimaschutz oder die Attraktivität der Region für Gesundheit,  Erholung und Tourismus bezogen werden.

Die Bereiche Tourismus und (soziale) Dienstleistungen sind in diesem Handlungsfeld unterrepräsentiert, zumal sie ebenfalls eine in einigen Regionen und auch Berlin nicht zu vernachlässigende wirtschaftliche Basis bilden und zur Attraktivität der Region beitragen.

Handlungsfeld 5: Natürliche Lebensgrundlagen und Lebensqualität

Das Land Brandenburg wird nicht ausreichend beschrieben, wenn es als „naturreiches Flächenland“ bezeichnet wird. Die „grüne“ Infrastruktur wird letztlich nur durch eine flächendeckende, aber auch ressourcenschonende landwirtschaftliche Bewirtschaftung erhalten. Es wird zwar im vorliegenden Entwurf ausdrücklich auf den Berliner Absatzmarkt hingewiesen, es bleibt aber zu betonen, dass dieser Markt nur mit einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Landwirtschaft bedient werden kann.

Die Zusammenarbeit mit Berlin in Bezug auf die Landwirtschaft hat eine große Bedeutung. Gerade die aktuelle Situation mit der Afrikanischen Schweinepest zeigt, wie wichtig regionale Wertschöpfungsketten sind. Die Voraussetzungen für eine starke regionale Wertschöpfungskette, mit Produzenten in Brandenburg und dem großen Absatzpotenzial in Berlin, sind sehr gut. Dies sollte als strategisches Ziel aufgenommen werden, unter Berücksichtigung des Tierwohls und den neuen Herausforderungen sowie Chancen für die Landwirte.

Handlungsfeld 6: Digitale Transformation

Für das Handlungsfeld 6 wird gefordert, einen flächendeckenden Ausbau des 4G- Netzes zu gewährleisten und nicht, wie auf Seite 6 beschrieben, eine „weitgehende Abdeckung“. Gerade die nach wie vor nicht ausreichende Abdeckung mit kabelgebundenem Breitband reduziert in vielen ländlichen Räumen Brandenburgs die Attraktivität für (potentielle) Bewohner und Gewerbetreibende. Das 4G-Netz ist dazu eine kosteneffiziente Alternative, die ohne die Verlegung vieler Kilometer Leitungsinfrastruktur auskommt. Darüber hinaus können bereits bestehende 3G-Masten genutzt werden. Aktuell haben die Netzbetreiber bereits mit der Umrüstung von 3G auf 4G begonnen. An dieser Stelle ist explizit von 4G die Rede, weil diese Technik gegenüber 5G ein weniger dichtes Antennennetz erfordert, ein Lückenschluss im bestehenden Netz weniger aufwendig ist und die Technologie weitgehend akzeptiert wird. Zwar hat die Bundesnetzagentur Netzbetreiber, die das 5G-Netz betreiben, dazu verpflichtet Auflagen zum Netzausbau zu erfüllen. Da sich dies allerdings noch über viele Jahre hinziehen kann, ist der effizienteste Weg, 4G jetzt flächendeckend verfügbar zu machen.

Handlungsfeld 7: Wissenschaft, Forschung, Kultur und Bildung

Für das Handlungsfeld 7 ist zu konstatieren, dass die aktuellen Herausforderungen der Corona-Pandemie nicht adressiert werden. Diese Herausforderungen bestanden zwar teilweise bereits vor der Krise, waren jedoch im Alltag nicht derartig spürbar. Digitalisierung in der Bildung von der Grundschule bis zur Universität muss eine deutlich höhere Priorität erhalten. Dazu sind die entsprechenden technischen Voraussetzungen in den Bildungseinrichtungen zu schaffen. Als Maßnahme wäre hier eine gemeinsame Online-Lernplattform der Länder Berlin und Brandenburg denkbar. An dieser Stelle wird deutlich wie eng das Handlungsfeld 6 eng mit dem Handlungsfeld 7 verknüpft ist.

Gerade im Berliner Umland sollten nach Lösungen für gemeinsame Schulprojekte bzw. Schulen über Landesgrenzen hinweg gesucht werden. Wohnungsbauprojekte in Berliner Randbezirken führen oft zu einem höherem Aufkommen ans Schülern, welches in den Schulentwicklungsplanungen Brandenburgs nicht berücksichtigt werden kann. Die Vorteile einer  gemeinsamen Planung der sozialen Infrastruktur für derartige Wohnungsbauprojekte liegen auf der Hand und sollten genutzt werden.

Bezüglich der Abstimmung in der Bildungspolitik gilt es, darüber hinaus weiter zu denken. Vorschläge zur weiteren Verbesserung der Positionierung der Bildungsregion sollten nicht nur erbeten, sie könnten beauftragt werden. So wäre angesichts der bestehenden Herausforderungen (u.a. Globalisierung, internationale Ausrichtung des Arbeitsmarkts, Digitalisierung, Klimakrise) empfehlenswert, im gemeinsamen Rahmenlehrplan die Aspekte der fachübergreifenden Kompetenzentwicklung im Rahmen mehrtägiger Projekttage zwischen deutschen und polnischen und anderen ausländischen Schülern (im Sinne von gemischten Gruppen mit interkultureller Interaktion) innerhalb Berlin-Brandenburg und auch in Polen mehr Gewicht zu geben. Zudem sind Weiterbildungskonzepte für Lehrkräfte zu entwickeln, die neben den fachdidaktischen Aspekten auch solche zur Digitalisierung und zur interkulturellen Kompetenzentwicklung umfassen. Studienaufenthalte oder Hospitationen in Polen und anderen Ländern sollten im Weiterbildungsprogramm Berücksichtigung finden. Darüber hinaus könnte geprüft werden, inwiefern das Deutsch-Polnische Geschichtsbuch stärker im Unterricht Anwendung finden könnte.

Handlungsfeld 8: Weltoffenheit, internationale Vernetzung und Zusammenarbeit mit Polen

Eine weitere Stärkung der Oderpartnerschaft sowie die Stärkung der zivilgesellschaftlichen deutsch-polnischen Zusammenarbeit sollte in die Vorhabenliste aufgenommen werden. Empfohlen wird, im Gesamtrahmen insbesondere an diesen Stellen auch die Aktivitäten der 3 Euroregionen und der Vielzahl an kommunalen Initiativen in der Fläche des Landes Brandenburg zumindest zu erwähnen. Letztlich wird das Ziel beider Länder auch nur erreichbar sein, wenn die Länder in Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene agieren. Durch und in den Euroregionen sowie in den Gemeinden mit polnischen (oder internationalen Partnerkommunen) wird enorm viel zur Vermittlung von Sprache und Kultur, zur Weltoffenheit beitragen, das dadurch gewürdigt werden könnte. 

Zudem sollte die Zusammenarbeit von Brandenburg und Berlin im Rahmen der Ausschüsse der Deutsch-Polnischen Regierungskommission als separates Vorhaben erwähnt und verfestigt werden. So sollten gemeinsame Ziele, z.B. im Bahnverkehr (neben dem Wirken am Runden Tisch Verkehr des VBB) in der AG Verkehr weiterverfolgt werden. Mit Stärkung der Rolle der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung in Kooperation mit den Regionalen Planungsgemeinschaften könnten beide Länder auch im Raumordnungsausschuss wesentlich zur Vervollkommnung des Zukunftskonzeptes 2030 beitragen (s.o.). Ebenso ließen sich Themen für die Zusammenarbeit im grenznahen Ausschuss (u.a. Rettungsdienst) oder im Bildungsausschuss finden. Dieses gemeinsame Engagement in diesen auch formal legitimierten Gremien sollte in dem angestrebten Papier nicht fehlen.

Bezüglich der Umsetzung eines gemeinsamen Zukunftskonzeptes sei erneut auf das Potenzial der Zusammenarbeit mit Gemeinsamer Landesplanungsabteilung und den Regionalen Planungsgemeinschaften (auch im Sinne der auf EU-Ebene jüngst verabschiedeten Territorialen Agenda 2030) verwiesen. Zudem ist zu beachten, dass die Umsetzung auch eine Zusammenarbeit mit den Nachbar-Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sowie den betreffenden Wojewodschaften verlangt, so dass das gemeinsame Vorhaben auch entsprechend ausgerichtet und textlich gefasst werden müsste.

Ein analoger Maßnahmenkomplex sollte für die Erweiterung und Vertiefung der Scandria@Allianz für den West-Ost-Korridor ins Auge gefasst werden.

Die Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree und gleichzeitig die Mitglieder der KAG-Oderland bitten Sie darum, die Hinweise der Stellungnahme eingehend zu prüfen und in den Strategischen Gesamtrahmen aufzunehmen. Sollten zu den einzelnen Punkten Rückfragen bestehen, können Sie sich jederzeit gern an die Regionale Planungsstelle als Koordinator der Stellungnahme wenden.

(Gemeinsame Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Oderland-Spree, der Euroregion Pro Europa Viadrina, der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) und der Landkreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree (KAG Oderland))

Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree erstellt am
Referenznr.: 2021-09378

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