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Stellungnahme

  • Die verkehrlichen Vorteile einer Durchbindung der M4 zum Potsdamer Platz für Fahrgäste aus Prenzlauer Berg, Weißensee und Hohenschönhausen sind unbestritten, da Umsteigemöglichkeiten zur U6 und zur Nord-Süd-S-Bahn entstehen.
  • Für Fahrgäste des heutigen M48 von dessen (bisherigen) nördlichen Abschnitt zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz zu dessen südlichen Abschnitt vom Potsdamer Platz über Schöneberg und Steglitz nach Zehlendorf bietet die M4 aber wenn überhaupt nur mit einem eigenen Gleiskörper einen geringen Reisezeitvorteil. In der Zwischenstufe mit der Tram bis zum Potsdamer Platz und letztlich auch bis Rathaus Steglitz ergibt sich dafür ein zusätzlicher Umsteigezwang gegenüber dem (noch) bis zum Alexanderplatz fahrenden Bus, so dass auf diesen Verbindungen wohl nur bei einer durchgehenden Tram und unter Annahme des Schienenbonus ein Fahrgastgewinn und damit ein positiver Nutzen zu erwarten wäre.
  • Ein Großteil der Autofahrer auf der Leipziger Straße wohnt vermutlich gar nicht an der bestehenden oder geplanten M4, sondern in abseits davon gelegenen Bereichen insbesondere im Berliner Südwesten, so dass eine spürbare Senkung des Straßenverkehrs durch die neue Straßenbahn unrealistisch ist. Eine Verringerung der Straßenkapazität ist also nicht alleine durch die neue Tram zu rechtfertigen, sondern nur mit dem das politische Ziel einer autoärmeren Innenstadt, dass ich persönlich durchaus unterstütze!
  • Eine drastische Verringerung der Kapazität für den Autoverkehr von zwei Spuren auf eine Spur in der gestaltungsorientierten Variante würde aber die (anders als die wenigen Autos in den Grafiken der Präsentation vermuten lassen) bestehenden Staus deutlich verschärfen und zu Rückstaus im Bereich Spittelmarkt und Potsdamer Platz führen, die den Schadstoffausstoß in diesen Bereichen erhöhen und verbleibende Buslinien sowie den größtenteils alternativlosen Wirtschaftsverkehr behindern würden.
  • Vermutlich würden viele Autofahrer die Leipziger Straße umfahren, wodurch der Stau aber bloß auf andere Straßen verlagert würde. Angesichts der diskutierten Fußgängerzone im Bereich Unter den Linden / Friedrichstraße, der bereits bestehenden Tram in der Invalidenstraße, der zukünftig geplanten Tram in der Lindenstraße, der aktuell geplanten Tram über die Oberbaumbrücke und dem derzeit nicht absehbaren 17. Bauabschnitt der A100 stellt sich die Frage, ob es überhaupt Umfahrungen für den Straßenverkehr mit ausreichender Kapazität geben wird.
  • Am besten wäre wohl eine großflächige Umfahrung, um den Autoverkehr in der Berliner Innenstadt geordnet zu reduzieren. Denkbare Maßnahmen dafür wären eine City-Maut (und evtl. auch die Realisierung des 17. Bauabschnitts der A100, aber nur sofern das mit einer drastischen Einschränkung des Verkehrs innerhalb dieses Autobahnrings verbunden ist).
  • Für die verschiedenen Varianten sollte jeweils eine großräumige Simulation des Straßenverkehrsflusses durchgeführt werden, z.B. mit der von der TU Berlin mitentwickelten Software MATSim.
  • Da die M4 bereits auf dem bestehenden Abschnitt zu den am meisten belasteten Straßenbahnlinien Berlins gehört, ist es äußerst wichtig, dass sich die Fahrplanstabilität durch die Verlängerung nicht verschlechtert, wenn nötig durch die Vorhaltung von Fahrzeugen am Alexanderplatz, die im Fall einer Betriebsstörung auf der Leipziger Straße in Richtung Weißensee eingesetzt werden können.
  • Die Pulkführung durch die Tram würde diese auf Kosten des zusätzlich eingeschränkten Autoverkehrs bevorzugen, führt aber auch nur dann zu einer ungehinderten Durchfahrt, wenn der Straßenabschnitt nicht vollständig verstopft ist und keine Abbieger vor die Straßenbahn fahren. Zudem muss eine solche Schaltung gut implementiert sein, was in Berlin sogar bei eigenem Gleiskörper erfahrungsgemäß ein Problem darstellt. Die vergleichbare straßenbündige Tram entlang der stark befahrenen Invalidenstraße ist auch eher ein negatives Beispiel.
  • Daher sollte auf jeden Fall ein durchgehender eigener Gleiskörper in der Leipziger Straße angestrebt werden, der durch Abmarkierung von einer der beiden bestehenden Fahrspuren entstehen könnte, aber nur wenn auf Abbiegespuren und die breiten Radstreifen verzichtet wird.
  • Durch eine Verlagerung von großen Teilen des Radverkehrs in parallele Fahrradstraßen wäre vermutlich allen Verkehrsteilnehmern gedient, insbesondere wartenden Fahrgästen auf den Kaphaltestellen. Im Zweifel sollte dem ÖPNV auf dieser Achse auch gegenüber dem Radverkehr der Vorrang eingeräumt werden.
  • Alternativ wäre auf dem Engpass zwischen der Charlottenstraße und dem Potsdamer Platz auch eine unterirdische Führung für die Tram denkbar, zumal am Potsdamer Platz beim Bau des Regionalbahnhofs bereits ein kreuzender Tunnelbahnhof für die sogenannte U3/U10 im Rohbau entstand, was an der Absenkung der Decke erkennbar ist, und am Bahnhof Stadtmitte beim Bau der U6 ein späterer Bau eines kreuzenden Tunnelbahnhofs unter der Leipziger Straße vorbereitet wurde, was an der teilweise doppelten Stützenreihe für mögliche Umsteigetreppen erkennbar ist. An beiden Tunnelenden, sowohl an der Markgrafenstraße als auch am Kulturforum, gibt es ausreichend Platz für Rampen. U-Straßenbahnen gibt es zwar noch nicht in Berlin, wurden aber als Vorstufe für U-Bahnen in mehreren westdeutschen Städten gebaut. Notwendig wäre aber eine Ausstattung mit Leit- und Sicherungstechnik, Notbremsüberbrückung und die Prüfung, ob die Vorleistung am Potsdamer Platz für Niederflurstraßenbahn mit Oberleitungen geeignet ist. Es wäre rein technisch gesehen sicherlich möglich, bei der Neubeschaffung von Straßenbahnen eine Serie mit Leit- und Sicherungstechnik, Notbremsüberbrückung und Akkus zum Verzicht auf die Oberleitung speziell für diese Linie zu beschaffen. Natürlich muss der Nutzen ins Verhältnis zu den höheren Kosten gestellt werden. Die Realisierungszeit könnte aber sogar geringer sein, wenn dadurch Klagen von Interessensgruppen von Autofahrern vermieden werden.
  • Da nicht nur am Potsdamer Platz, sondern auch an den U-Bahnhöfen Alexanderplatz, Berliner Rathaus, Kleistpark, Innsbrucker Platz, Schlossstraße und Rathaus Steglitz bereits Rohbauten für die sogenannte U10 bestehen, sollte die Möglichkeit einer U-Bahn als langfristige Option geprüft werden, auch wenn sie wegen der überall bestehenden parallelen Schienenwege (M4, U2, S1) sicherlich nicht prioritär ist. Nutzen, Kosten und das entsprechende Verhältnis sollten sowohl für eine Tram als auch für eine U-Bahn einmal seriös berechnet und veröffentlicht werden. Wenn in ein paar Jahrzehnten eine U-Bahn sinnvoll wäre, wäre abzuwägen, ob sich in einem Jahrzehnt realisierbare Tram als Zwischenlösung lohnt. Sogar bei der Infoveranstaltung zur Tram in Heinersdorf wurde eine dort abwegige U-Bahn-Alternative erwähnt, bei dieser Infoveranstaltung die hier naheliegende U-Bahn-Alternative aber leider nicht.
  • Die Umsteigestation zur U6 sollte wie der U-Bahnhof den Namen Stadtmitte tragen, eventuell mit dem Zusatz Leipziger Straße, aber zur Vermeidung von Verwechslungen nicht Friedrichstraße. Zur Verkürzung der Umsteigewege wären Treppen von beiden Seiten der Leipziger Straße zur Bahnsteigmitte zusätzlich zu den bestehenden Treppen zu den Bahnsteigenden zu prüfen.
  • Am Potsdamer Platz sprechen die kürzeren Umsteigewege zur Regionalbahn für eine Haltestelle westlich der Ebertstraße, aber auch eine Haltestelle östlich der Ebertstraße verbunden mit einer Aufweitung der Leipziger Straße auf Kosten der Grünflächen am Leipziger Platz wäre überlegenswert, um die Umsteigewege zur U2 zu verkürzen und im Falle einer dortigen Endstelle eine Querung der Kreuzung mit der Ebertstraße zu vermeiden.
  • Eine sofortige Weiterführung zum Kulturforum wäre aber wegen der in diesem Bereich breiten Potsdamer Straße unproblematisch und zur Schaffung einer Umsteigemöglichkeit mit dem M29 wünschenswert.
Felix Thoma bearbeitet am
Referenznr.: 2019-04582

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